Seite 7 - H_2010_01-02

Das ist die SEO-Version von H_2010_01-02. Klicken Sie hier, um volle Version zu sehen

« Vorherige Seite Inhalt Nächste Seite »
mystischen Sphäre, der man sich nur in der
Stille des Todes gegenübersieht.
Doch zurück zu den bäuerlichen Sujets,
die in der Rotterdamer Ausstellung mit dem
Aquarell
Ein Schnitter
(1921; Museum
Schloss Bruck) und der Lithographie
Der
Sämann
(1912/14; Museum Schloss Bruck)
sowie der ersten Fassung des Gemäldes
Die
Quelle
(1923; Leopold Museum) vertreten
sind.
Der Sämann
macht die konturenbe-
tonte Prägnanz der Körperlichkeit sichtbar;
sie ist natürlich dem erhaltenen Teil des
„Sämanns“ aus dem Triptychon „Erde“
(1912; Staatsgalerie Stuttgart) entliehen.
Das Konzept stammt aus jenen Jahren, in
denen Egger-Lienz die plastische Form für
sich vollends gefunden hatte, wenn man
den Weg vom „Totentanz“ (1908) über den
„Haspinger“ (1909) zum „Das Leben“
(1912) oder dem Gemälde „Der Mensch“
(1914) verfolgt. Hier spürt man massiv die
Orientierung auf die bildhauerische
Sprache Constantin Meuniers. Das Sujet
des Sämanns aber kann man auch zurück-
verfolgen zu ähnlichen Darstellungen bei
Jean-Francoise Millet und vor allem bei
Vincent van Gogh, deren Kompositionen
Egger kannte. Darin wird wiederum die
überregionale Verstrebung seiner Kunst
deutlich. Gerade dieser Bezug zu van Gogh
unterstreicht die Richtigkeit, dass man nun
in den Niederlanden eine Begegnung mit
Egger-Lienz realisiert hat.
Die Quelle
belegt die intensive Beschäf-
tigung Eggers, seinen Themen einen
symbolischen Wert einzubinden. Der auf
dem Acker liegende Hirte ist ganz um-
schlossen von der Natur, der Körper ist mit
Ausnahme der Fersen ganz dem Erdreich
eingebunden. Sein Gesicht nähert sich dem
Wasser der Quelle, um die Kraft des
Lebens einzusaugen. Für die Bildwirkung ist
die inhaltliche Dimension entscheidend.
Und es fällt auf, dass sich Egger erst wie-
der in diesen späten Jahren dem Gedan-
kenbild von Natur und Mensch zugewandt
hat; wohl auch aus der Überlegung heraus,
nochmals die Harmonie von Natur und
Mensch zu visualisieren. Bereits in seinem
frühen Werk „Der Feldsegen“ (1896; Mu-
seum Schloss Bruck) oder dem „Sämann“
(1903; Museum Schloss Bruck) suchte
Egger diese Nähe von menschlichem Tun
und Umwelt, von Dasein und Natur.
Im Chabot Museum ist nun den Bildern in
Zusammenhang mit den Wirren des Ersten
Weltkrieges bzw. dessen Nachhall breiter
Raum gewidmet. Das etwas heroisch
wirkende Thema
Krieg
oder
Helden
(1915;
Museum Schloss Bruck) steht wie eine
leidvolle „Huldigung“ an den Kampf von
Menschen gegen Menschen. Die Frontalität
der heranstürmenden Soldaten, trotz der
Verwundungen bereit zum letzten Einsatz,
verleiht dem Sujet die Nähe zu einer sym-
bolträchtigen Glorifizierung des Krieges,
die sonst kaum imWerk von Egger wieder-
kehrt. Das Motiv des monumentalen, in Ka-
sein gemalten Gemäldes ist in Bleistift- und
Buntstiftzeichnungen erhalten, welche als
Vorzeichnungen für farbige Lithographien
unter dem Titel „1915“ dienten. Gegen
Ende seines Werkes lebt nochmals eine dra-
matische Schilderung des Krieges auf. Für
die Kriegergedächtniskapelle am Friedhof
der Stadtpfarrkirche St. Andreas in Lienz
schuf er 1925 das große Fresko „Sturm“.
Die gezeichneten, später auseinander ge-
schnittenen Kartons (zum Übertragen auf
die Wand angefertigt) mit den Detailmoti-
ven
Sturm
(1925; Museum Schloss Bruck)
nehmen die Komposition des Gemäldes
„Den Namenlosen 1914“ als Vorlage.
Nochmals wird die erschreckende Situation
der in die Erdfurchen geduckten Soldaten
in Erinnerung gerufen. Die Körper signali-
sieren ein letztes Aufbäumen gegen den
Tod, das auch im dramatischen Gemälde
Letzter Totentanz 1809
(1921; Privatbesitz)
evident ist. Das Werden und Vergehen der
menschlichen Seele wird in den gedrunge-
nen Körpern der Bauern offenkundig. Die
formalen Berührungen zu den Bildhauern
Rodin (zu seinen statischen „Bürgern von
Calais“, 1895) und Meunier (hier vor allem
zu dessen Bronzerelief „Die Heimkehr der
Bergleute“, um 1895/97) sind schon ange-
sprochen worden; dies wird offensichtlich,
wenn man den Zug der heimkehrenden
Kämpfer im frühen Gemälde „Nach dem
OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2010
7
HEIMATBLÄTTER
Albin Egger-Lienz, Der Krieg, 1915/16; Museum Schloss Bruck, Lienz.
Albin Egger-Lienz, Die Blinden, 1918/19; Museum Schloss
Bruck, Lienz.
Albin Egger-Lienz, Letzter Totentanz 1809, 1921; Privatbesitz, Wien.