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Meine letzten Zeilen gehören dir
Brigitte. Meine letzten Gedanken
galten Dir. Du bist meine große
Liebe. Ja richtig, nicht du warst,
sondern du bist und bleibst meine
große Liebe. Auch jetzt, denn ich
bin nicht tot, sondern nur auf der
anderen Seite des Weges.
Was du mir in den letzten Jahren
gegeben hast ist unbeschreiblich.
Aber was du in den letzten Mona-
ten ertragen musstest , das ist
einfach ungerecht. Ich kann es
nicht wieder gutmachen, was ich
so gerne gemacht hätte. Vieles
hätten wir noch zusammen ma-
chen wollen, aber auch hier hatte
der Herr anderes im Sinn.
Bitte, werde wieder glücklich.“
Und das hat er mir so oft gesagt:
„Ich möchte, dass du wieder
glücklich wirst, dass du wieder
lachst, wieder einen guten Mann
bekommst.“ Er sagte oft zu mir,
es sei nicht schlimm, dass er ster-
ben müsse, schlimm sei nur, dass
er mich alleine lassen müsse.
Gerne würde er sehen, dass es mir
gut gehe und ich einen lieben
Menschen an meiner Seite hätte.
Er sagte: „Frage nie: Warum?
Schau in ein Kinderkrankenhaus
(Krebsstation).“
Und das denke ich auch, über alle
die schon gegangen sind, sie ha-
ben uns gern gehabt, geliebt. Sie
möchten, dass wir wieder glück-
lich sind. Keiner möchte jeman-
den zurücklassen, der durch den
Verlust ein Leben lang nur noch
leidet. Es ist leichter gesagt wie
getan.
Bei mir ist es mehr als 5 Jahre
her, und ich habe immer wieder
Tage an denen ich leide, wo es
weh tut, wo man einfach weint,
wo man meint, es ist nicht mehr
zum Aushalten.
Das erste Jahr habe ich nur gear-
beitet, ich habe gar nicht geweint.
Am ersten Todestag habe ich mit
einer flüchtigen Bekannten eine
Flasche Wein getrunken und zwei
Zigaretten geraucht. Am nächsten
Morgen bin ich aufgewacht, das
ganze Haus hell erleuchtet und
ich habe zwei Tage und zwei Tu-
ben Zahnpaste gebraucht um den
Zigarettengeschmack wieder weg
zu bekommen .
Ich bin jeden Tag mit dem Zug
ca. eine Stunde nach Köln zur
Arbeit gefahren. Auf einmal
musste ich in diesem überfüllten
Zug weinen. Ich habe mich gar
nicht mehr einbekommen. Es pas-
sierte einfach, die Leute schauten,
ich konnte nichts machen. Oft
habe ich gedacht, ich fahre jetzt
mit dem Auto einfach gegen den
nächsten Baum. Dann bin ich bei
ihm, dann ist der Schmerz weg
und die Gedanken vorbei. Aber
darf ich das meiner Familie, wel-
che mich doch auch liebt, antun?
Sie würden den gleichen Schmerz
haben wie ich jetzt. Nein, das
geht nicht, sie sind immer für
mich da, das haben sie nicht ver-
dient. Menschen, die trauern tun
oft seltsame und kuriose Dinge,
aber das ist ok. Es ist menschlich
und gehört zur Trauer.
Das alles möchte ich erzählen,
damit alle Verständnis bekommen
für Menschen, die trauern. Das
jeder so trauern kann wie er
möchte und so lange wie er
möchte. Aber das auch die Trau-
ernden an die Lebenden denken.
Dass die Lebenden einen brau-
chen und dass die Toten möchten,
dass wir leben, lieben und lachen.
Familien können gemeinsam trau-
ern und gemeinsam feiern. Man
ist nicht alleine. Aller Streit ist
nichts wert, wenn morgen die Di-
agnose kommt. Das Leben ist zu
kurz um grantig zu sein. Uns geht
es allen so gut. Als Dank, bleibt
einig unter euch!
Für die Bäuerinnen
Brigitte Außerlechner
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