BLICK
Ein
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Chronik
In den letzten Jahren digitalisierten Bi-
bliotheken und Archive teilweise sehr
aufwändig und zeitintensiv ihre großen
Zeitungsbestände. Ein Glück für jene, die
an aktuellen Themen von damals inter-
essiert sind. Auch von Sillian findet man
Lesenswertes, teils Amüsantes aber auch
Berichte, die heute wahrscheinlich keine
Erwähnung mehr finden würden.
Vor hundert Jahren stand Europa bereits
im dritten Jahr des verheerenden Ersten
Weltkrieges. Sillian war aufgrund der Nähe
zur Dolomitenfront auch Kriegsschauplatz.
In den Zeitungen sind die Ereignisse stän-
dig präsent. So liest man im Tiroler Volks-
bote vom 10. Jänner 1917 über die Glo-
ckenabnahme und hofft, dass zumindest
das eingeschmolzene Geläute „doch recht
bald den Feind vernichten und uns den
hochersehnten Frieden bringen“ möge. Im
Mai desselben Jahres wird der Sillianer
Josef Schraffl zum Landeshauptmann von
Tirol ernannt. Er übt dieses Amt bis 1921
aus.
Aber auch Ereignisse abseits der Kriegs-
schauplätze und der Politik finden Erwäh-
nung – nachstehend einige davon:
[…] Schwer heimgesucht wurde die Fami-
lie Schönegger im Veigental. Es erkrankten
alle Kinder an Diphteritis; binnen 14 Tagen
holte sich der Gevatter Tod 2 Kinder im Al-
ter von 2 und 5 Jahren und den 18jährigen
Knecht Josef Wiedemaier. […]
Tiroler Volksbote, 23. Mai 1917, Nr. 21
[…] Jetzt Michl, sag einmal, ist’s nicht
bald zum verdrüssig werden? Wir haben’s
jetzt wirklich mit einer richtigen Diebs-
gesellschaft zu tun. Vorige Woche wurde
dem Peter Walder, Oberwieser, im Keller
eingebrochen. Der Halunke ließ dort zirka
60 Laib Brot, Speck, Butter, Eier mit sich
gehen, ohne nach der Schuldigkeit zu
fragen. […] Dem Anton Webhofer, Gratz,
wurden sämtliche Schöber vom Acker ge-
stohlen. Ja, so weit wird’s schon kommen,
dass dem Bauer zum Strohsackfüllen auch
nichts mehr gelassen wird und auf jeder
Tür ein Schloß drauf sein muss, wie auf
der Höllentür […]
Tiroler Volksbote, 19. September 1917, Nr.
38
[…] Aus Sillian meldet man: Die hier bei
Bauern angestellten Russen erwiesen sich
als brave, arbeitsame Leute; wenn nur die
dummen Evastöchter nicht ganz aus dem
Häusl kämen. Diese Russinnen genieren
sich nicht, damit ganz offen aufzutreten.
Man geniert sich nicht, um für immerwäh-
rende Zeiten ein Andenken zu erhalten,
sich mit diesen Liebhabern photographie-
ren zu lassen; davon sprechen Photoga-
phien und Bilder. Und es gilt für solche
wohl auch der Spruch: Wenn der Lotter die
Littrin find’t, dann bekommt der Lotter der
Littrin Sinn. […]
Brixner Chronik, 10. Oktober 1917, S. 4.
Quellen: Landesbibliothek Dr. Friedrich
Teßmann,
www.tessmann.itEin Blick zurück ….
Was über Sillian in alten Zeitungen zu lesen war
Vor dem Einschmelzen für Kriegszwecke: Die Sillianer Glocke (Archiv Karl Web-
hofer, Sillian).
Artikel aus der „Brixner Chronik“ vom 10. Oktober
1917.