Previous Page  37 / 40 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 37 / 40 Next Page
Page Background

zum Einsacken gebracht wurde.

Im Verlaufe dieses Vormittags langten von überall her Meldun-

gen ein, dass die Straßen und Zufahrtswege durch Murabgänge

verlegt seien, Teilstücke von Straßen, so vor allem nach Bann-

berg über Schrottendorf und nach St. Justina bis in das hintere

Kristeintal abgebrochen wären und eine weitere Verschlimme-

rung der Lage befürchtet werden müsse. Immer wieder käme es

zu Unterwaschungen und Hangrutschungen an Wald- und Wie-

sengrund, und zwar so, wie sie anlässlich der Katastrophe im

Herbst des vergangenen Jahres nicht zu erleben gewesen

wären.

Eine derartige Hangrutschung mit entsetzlichen Folgen sollte

noch um 12:23 Uhr dieses Tages zwei Familien zum Verhängnis

werden.

In den Abendstunden des 17. August 1966 war der Volksschul-

lehrer Heinz Köhler gemeinsam mit seiner Gattin Margitta und

den vier Söhne Edward, Armin, Harald und Santos, per Privat-

fahrzeug zu dem in Burg-Vergein Nr. 33 wohnhaften Arbeiter

Hermann Senfter gekommen, um dort eine über Oberitalien lie-

gende Schlechtwetterfront abzuwarten. Die deutsche Gastfami-

lie – zum Hause Senfter schon von früher her bekannt, wollte in

dieser Gegend lediglich eine Nacht verbringen. Wegen Fortbe-

stand des Schlechtwetters aber war ein weiterer Verbleib der

Berliner Familie in diesem Hause des hinteren Kristeinertales

vorgesehen, und zwar ungeachtet der Lage ganz allgemein und

der örtlichen Sonderheiten im Besonderen. Nachdem das Fern-

sprechnetz nach St. Justina, ebenso wie nach Burg-Vergein

schon m Zusammenhang mit dem einzelnen Straßenunterbre-

chungen ausgefallen war, hatten Heeresangehörige die weitere

Nachrichtenvermittlung mit diesem, von der Außenwelt abge-

schnittenen Tal per Sprechfunk aufrechtzuerhalten versucht.

Um 13:45 Uhr langte nun die Hiobsbotschaft ein, dass in Burg-

Vergein ein Wohnhaus in den tiefer liegenden Kristeinbach

geschleudert worden wäre und mit diesem insgesamt zehn Per-

sonen. Lediglich eine Person habe gerettet werden können und

diese sei wegen schwerer Verletzungen dringendst abzutrans-

portieren.

Unverzüglich nach Bekanntwerden dieser traurigen Tatsache

wurde der beim Gendarmerieposten in Thal eingesetzte PUCH

Haflinger in Richtung Kristeinertal in Marsch gesetzt, um die zu

diesem Augenblick namentlich noch nicht bekannte Person

einer möglichst raschen Hilfe zuzuführen.

Durch Muren fortgerissene Brücken entlang eines als Notlö-

sung verwendeten Waldweges brachten aber dieses Vorhaben

zum Scheitern, so dass ein sehr schwieriger Abtransport des-

Verletzten über teils unwegsames Gelände, zu Fuß vorgenom-

men werden musste. Zu diesem Augenblicke waren Einzelheiten

über die Tragödie im hinteren Kristeinertal noch nicht bekannt;

erst später erfuhr man, dass es sich bei dem weggerissenen

Haus um jenes von Hermann Senfter handle und bei den ver-

missten Personen um dessen Gattin Leopoldine und die Töchter

Cäcilia und Christine, sowie um die bereits erwähnte Familie

aus Berlin.

Nach menschlichem Ermessen war an eine Rettung aller Ver-

missten nicht mehr zu denken; der hinter dem Wohnhaus des

Hermann Senfter gelegene Steilhang war mitsamt der Waldung

in einem Ausmaß von etwa 30 x 150 Metern ins Rutschen

gelangt – und hatte den in massivem Mauerwerk und in Holz-

konstruktionen hergestellten Baukomplex zu ebener Erde weg-

gerissen und in den knapp darunter liegenden Kristeinbach

geschleudert. Abgesehen von einzelnen Gebälken und Teilen

des Dachstuhles die alle weit verstreut im Bachbett lagen, war

vom Haus nichts mehr zu sehen. Die enormen Materialien aus

der Hangrutschung hatten alles unter sich begraben; selbst die

Bewohner des Hauses vermutete man mit Berechtigung unter

den Trümmern, was nach der Bergung des Besitzers Hermann

Senfter seine Bestätigung fand.

Unter äußerst schwierigen und teils gefährlichen Umständen

wurde nun mit der Suche nach den Vermissten begonnen. Bis

zum Abend des 21. August 1966 werden mit Ausnahme von

Margitta Köhler, die als Leiche in das Gebiet von Mittewald

abgeschwemmt wurde, auf engstem Raum nacheinander sieben

Tote geborgen. Die weitere Suche nach dem letzten Vermissten

– es dürfte sich um Harald Köhler handeln – musste wegen völ-

liger Aussichtslosigkeit in den Abendstunden des 22. August

1966 abgebrochen werden.

Seite 37

09/2016

Fortsetzung nächste Seite

Fortsetzung: Hochwasserkatastrophe 1966

Diese Mure verschüttete das Haus Senfter und forderte acht Men-

schenleben.