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25. FEBER 2016
ZEITZEUGEN
OSTTIROLER
BOTE
in der Stadt, um in meiner
Buckelkanne Milch abzuliefern
und zwei Bögen Briefpapier
(Feldpostbrief), die man zwei-
mal in der Woche beim Geiger
erhielt, zu besorgen. Plötzlich
ging wieder der Fliegeralarm
los. Ich stürmte in den nächsten
Luftschutzkeller, in dem schon
viele Menschen waren. Die
einen schrien und weinten, die
anderen beteten. Mir war das
alles zu viel. Ich wollte dort
nicht bleiben und stürmte über
die Fischwirtbrücke in Rich-
tung Gaimberg. Da kreisten
plötzlich zwei Tiefflieger über
Elternhaus angegriffen
„Es war bereits März oder
April 1945, als ich gerade nahe
der Gaimberger Kirche für
einen Bauern auf einem Feld
Erdäpfel setzte. Da hörte ich
von weitem wieder das Dröh-
nen amerikanischer Bomber.
Mit Entsetzen sah ich, dass das
Geschwader direkt auf mein
Elternhaus zuflog und dort neun
Bomben fallen ließ. Es tuschte
und krachte wie wild. Acht
Bomben explodierten. Ich sah
dann nur mehr eine dicke
Rauchwolke bei unserem Haus
es die geschlossenen Fenster
und Türen zerrissen, der Kamin
war umgefallen, die Holzwände
des Stadels waren auf den
Boden gestürzt, die Decke von
drei Schlafzimmern herunter-
gebrochen und anderes mehr.
Es hatte sogar große Steine aufs
andere Feld geschmissen, und
auf der Polenta, die mein alter
Onkel vorher noch gegessen
hatte, lagen viele Glasscherben.
„Verletzt wurde Gott sei Dank
niemand. Wir hatten einen
kleinen Erdkeller. Unsere Leute
und auch Menschen der Um-
gebung waren in den Keller
Vorfall in Nußdorf. „Ein Nach-
bar von uns saß in einer Runde
beim Wirt in Nußdorf. Er sagte
nur, dass man den Krieg ver-
spielen würde, schon wurde er
verraten und kam ins Konzen-
trationslager. Er durfte später
wieder heim, starb aber an einer
Lungenkrankheit, an der er im
KZ erkrankt war.“ Besonders
schlimm war für Amalia auch
das Dröhnen der Tiefflieger aus
Jugoslawien und der großen
amerikanischen Bomber, die
man schon von weitem hörte,
wenn sie auf Osttirol zusteuer-
ten. „Das war ein fürchterliches
Geräusch. Dann gab es Vor-
alarm, gefolgt von Vollalarm.
Während des Tages sah man die
Tiefflieger und Bomber wenigs-
tens. In der Nacht waren sie
aufgrund der Dunkelheit beson-
ders beängstigend.“
Angriff auf Amalia
Einmal wurde sie von Tief-
fliegern gejagt. „Ich war gerade
mir. Mit Maschinengewehren
wurde auf mich geschossen.
Ich schmiss mich auf den
schneebedeckten Boden zu
einem Misthaufen, damit sie
mich nicht mehr sehen können.
Ein, zwei Meter neben mir tra-
fen sie auf den Boden. Als sie
eine Kurve drehten, floh ich
zum nächsten Misthaufen und
dann 50 Meter weiter zu den
Dapra-Obstbäumen. Auch dort
zielten sie noch auf mich,
trafen aber nur die Bäume.
Dann waren sie Gott sei Dank
weg. Ich konnte endlich wieder
aufatmen.“
aufsteigen. Ich rannte so schnell
ich konnte die zwei Kilometer
dorthin. Mir war es egal, dass
ich dafür beschimpft wurde,
denn es war eigentlich streng
verboten sich zu bewegen,
wenn noch Flieger in der Luft
waren. Überall lagen Militär-
leute auf dem Boden.“
Vieles war kaputt
Das Bild, das sich ihr bot,
war ein herber Schlag. „Unser
Aufzug war aus der Verankerung
gerissen und unser Haus durch
die Erschütterung und Druck-
welle völlig demoliert. So hatte
geflüchtet. Auch ein Militärarzt
namens Jochen von der Peggetz.
Er war am Leben, aber sein
offener Mund war voller Glas-
scherben und Erde.“ Nachbar
Andrä Grißmann war bald da
und reparierte das Notwen-
digste. „Paula und ich schafften
mit Schaufeln und Scheibtruhen
die zerstörten Decken aus den
Schlafzimmern hinaus.“
Rückkehr des Vaters
27. April 1945. „Es war 4
Uhr in der Früh, als man plötz-
lich meinen Vater vor dem Haus
schreien hörte: ,Muata, jetzt bin
i do!‘ Unser Vater war zurück.
Wir waren überglücklich. Er
sagte dann, dass er am 7. Mai in
Eisenkappel eigentlich wieder
einrücken müsse, dies aber nicht
mehr tun werde. Er ahnte
wohl, dass der Krieg nun bald
zu Ende sein werde. Denn auf
Fahnenflucht stand der Tod.“
Am 8. Mai endete der Zweite
Weltkrieg auf dem europäischen
Kriegsschauplatz tatsächlich. 55
Millionen Tote waren zu bekla-
gen, davon 5,5 Mio Deutsche
und 50 Mio Angehörige anderer
Völker. Ein Viertel der Toten
waren Zivilisten, unter ihnen
sechs Millionen Juden, die auf-
grund des rassenideologischen
Wahns sterben mussten.
Kosaken
„Als ich wieder Milch in die
Molkerei brachte, sah ich die
ersten Kosaken von Kärnten zu
uns heraufkommen. Zuerst die
reichen Kosaken mit ihren
schönen in Pelzmäntel gehüll-
ten Frauen, danach die armen.
Es war Mai, und es hieß, dass
sie sich hier ansiedeln dürfen.“
Auch in Gaimberg schlugen
sie ein Lager auf. „Es waren 83
Zelte. Sie bauten zudem einen
Backofen auf und schlachteten
Rösser. Sie gaben uns vom
Fleisch etwas ab. Dafür bettel-
ten sie um Kartoffeln. Sie
waren sehr höflich, sagten
immer Bitte und Danke. Doch
unsere kleine Hütte, die aus
einem Raum bestand, nahmen
sie ebenso in Beschlag. Ich
war neugierig und machte einen
Blick hinein. Da sah ich eine
Familie liegen, einen Pfarrer
und in einer Ecke die Kartoffeln
aufgehäuft, die sie erbettelt
hatten. Dass die Engländer sie
dann entwaffneten, war für uns
eine große Erleichterung, die
Kosakentragödie, die dann
folgte, hingegen schrecklich.“
Bruder
Alois
damals
noch
am
Leben.
Auf dem
Bild mit
seinen
Schwes-
tern
Amalia,
Paula,
Anna
und
Maria.
von Martina Holzer
Zeitzeugen
Zweiter Weltkrieg
Foto: TAP
AUFRUF!
Der „Osttiroler Bote“ sucht
Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges.
Bitte melden unter Tel. 0664-1243924.
Tieffliegern gejagt“