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FODN - 60/02/2015

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im selben Jahr begab sich Chrust auf

Arbeitssuche. Nach einer kurzen Episo-

de in Innsbruck, landete er schlussend-

lich in Jenbach, einer dazumal kleinen,

ca. 2000 Seelen zählenden, aber aufstre-

benden Gemeinde im Tiroler Unterland.

Zudem war Jenbach Bahnknotenpunkt

mit den Kopfbahnhöfen der Zillertal

und der Achenseebahn. Der Kasbach,

der stetig und mitten durchs Dorf floss,

war die eigentliche Lebensader dieses

Ortes. Damals gab es die „Jenbacher

Berg & Hüttenwerke, das Sensenwerk,

eine Brauerei und eine Pappendeckelfa-

brik. Außerdem gab es mehrere Hand-

werksbetriebe. Beim Tischlermeister

Hans Jaud fand er eine gute Arbeitsstel-

le vor. Chrust hatte aber erst 1909 die

Möglichkeit, Ursula und Anna nachzu-

holen. 1910 kam mein Vater Anton zur

Welt, 1912 mein Onkel Peter. In Jenbach

verlebte die Familie eine relativ ruhige

Zeit.

Die Schüsse Princips im Juni 1914

waren für den kaisertreuen Chrust ein

großes Problem. Bereits am 6. August

1914 erging die Kriegserklärung an

Russland in Petersburg. Anlässlich der

Mobilisierung im August 1914 hat mit

mein Vater Anton folgendes berichtet:

Chrust nahm bei seiner Einrückung

nach Innichen seine gesamte Familie

mit. (sic!) Ab Innichen fuhr die Familie

geteilt weiter nach Lienz und von dort

mit dem Postauto nach Kals bis kurz

vor der „Schmiede“. An des Kaisers Ge-

burtstag, dem 18. August 1914 ging es

ab an die Front. Auf jeden Fall gehör-

te er den Korps der Staffel A an, und

diese mussten nun eilends an die rus-

sische Front, nach Galizien verfrachtet

werden. Bereits am 28. August 1914

hatte die Kompanie bei Brody (in der

heutigen Ukraine) ersten Kontakt mit

dem russischen Feind und auch schon

fürchterliche Verluste. Sie nahmen an

mehreren großen Schlachten teil. Dies

geschah in Lemberg, Rawa Ruska (3.-11.

Sept. 1914) und Magiärahöhe. Wo und

wann es passierte, ist uns nicht über-

liefert, jedenfalls ging der Sturmtrupp

gegen die feindliche Linie vor. Chrust

wurde bei einer Attacke angeschossen.

Buchstäblich in letzter Minute rettete

der Jenbacher Leonhard Guggenbichler

meines Großvaters Leben. Er schleppte

den Schwerverwundeten von der Linie

zurück zu den Sanitätern. Laut Bericht

ging’s vom Verbandplatz ins Spital der

Festungsstadt Przemy’sl. Diagnose:

Oberschenkeldurchschuss. Glück im

Unglück: Nach einer längeren Reha-

bilitation in der Heimat wurde er nicht

mehr an die Front „vergattert“, sondern

der Bahnwache Trisanna Brücke (Arl-

bergbahn, bei Landeck) bis Kriegsende

zugeteilt.

Chrust´s jüngerer Bruder Angelus,

der ebenfalls 1914 einrückte, hatte we-

niger Glück: er fiel am russisch – ga-

lizischen Kriegsschauplatz bei Czechow

1915. Die Bahnwache bei Wiesberg

hatte große Vorteile, denn öfters quar-

tierte sich Ursula mit den Kindern in

der Nähe der Garnison ein und genoss

so die Vorteile des dort stationierten

Hilfskoches Chrust. 1915 kam Maria

zur Welt, 1918 Alois. Unmittelbar nach

dem Krieg verschlechterte sich die all-

gemeine wirtschaftliche Lage. Trotz-

dem, Mitte Oktober 1919 meldete mein

Großvater Chrust das „handwerkmäßi-

ge“ Gewerbe an. Im Verlauf der Jahre

wurden mehrere Werkstätten gepachtet.

1929 kam dann Josef (Pepi) zur Welt,

der jüngste, heute noch lebende Sohn

zur Welt. In den 30er-Jahren, als schon

3 Söhne das Tischlerhandwerk erlernt

hatten, wurde eine eigene Firma ge-

gründet.

MENSCHEN

Anna und Anton Rubisoier

Anton Rubisoier am Barren

Alois, Chrust und Anton Rubisoier