Gemeindezeitung - page 36

St. Veiter - Zeil`n Ausgabe 09
36 | St. Veiter - Zeil´n - Ausgabe 09
Heimatkundeverein
St. Veit und der Kriegsausbruch vor 100 Jahren
Ausstellung des Heimatkundevereins im Chronikarchiv
Zahlreiche Besucher hatten sich zur Eröffnung der Ausstellung
„…wenn nur nicht dieser furchtbare Krieg wäre:
St. Veit im Jahr 1914“
am 3. August 2014 im Chronikarchiv am Dorfplatz von St. Veit eingefunden. Die Eröffnung
fand genau 100 Jahre und 1 Tag nach dem Abmarsch der Soldaten statt. Der Obmann des Heimatkundevereins
Michael Huber erzählte über den Beginn dieses Ereignisses und konnte sich dabei vor allem auf die Aufzeichnungen
von Johann Passler in der Pfarrchronik stützen. Passler war Pfarrer in St. Veit von 1904-1917.
Am 2. August 1914 versammelten sich die Männer der Jahrgänge 1872-1896, die der Einberufungsbefehl ereilt
hatte, zeitig in der Früh am Dorfplatz. Insgesamt waren es 74 Männer, von denen später 14 wegen Untauglichkeit
wieder nach Hause geschickt wurden.
Pfarrer Passler wollte an diesem Tag eigentlich ganz normal predigen, zog es aber vor, darauf zu verzichten und
stattdessen schon vor der Messe „eine kurze, der Zeit angepasste patriotische Ansprache über das Ausrücken für
Gott, Kaiser und Vaterland“ zu halten. Auch der Spätgottesdienst geriet an diesem Tag durcheinander: Der Pfarrer
musste die Messe nach dem Evangelium unterbrechen, um sich gerade noch rechtzeitig von den fortziehenden
Soldaten verabschieden zu können und „den einzelnen die Hand zu drücken“.
Die Soldaten zogen zunächst unter musikalischer Begleitung zum Zotten. Dort fand die eigentliche Verabschiedung
statt. Dieser Ort war bewusst gewählt worden, hatte man doch hier erst fünf Jahre zuvor das Denkmal für die
Deferegger Opfer der Franzosenkriege des Jahres 1809 mit großer politischer Prominenz eingeweiht. Unter
anderem war damals Erzherzog Eugen gekommen, der ab 1915 als Kommandant der Südwestfront gegen Italien
eine bedeutende Rolle spielen sollte und zeit seines Lebens Tirol sehr verbunden blieb.
Der Jurist Dr. Josef Stemberger (vulgo Nitzer; er war in den Jahren 1945-47 Nationalrats-Abgeordneter Osttirols)
und Peter Feldner (vulgo Preger in Bruggen), vormals Filialleiter der Hutfabrik J. Oberwalder u. Comp., hielten
Ansprachen an die Soldaten.
Durch einen glücklichen Umstand ist uns die Rede Feldners erhalten geblieben. In martialischen Worten beschwor
er darin den Geist von 1809 und appellierte an die über 500 jährige Treue Tirols zum Haus Österreich, ehe er – in
Anspielung an Andreas Hofer – die Worte rief: „Es ist Zeit. Der Kaiser ruft!“
Danach marschierten die Soldaten unter den Klängen der Musik zum Tal hinaus. Als Pfarrer Passler sie von oben
auf der Talstraße vorbeiziehen sah, ließ er alle Glocken läuten. In seinem Bericht verschweigt er nicht, dass Frauen
und Kinder viele Tränen vergossen.
Sehr bald sollte – spätestens nach den ersten Toten – auch in St. Veit die Kriegsbegeisterung verfliegen. Sechs
Soldaten aus St. Veit mussten im ersten Kriegsjahr ihr Leben lassen. Ihnen wird am Kriegerdenkmal ein ehrendes
Andenken bewahrt. Am Ende des Jahres 1914 resümierte der St. Veiter Thaddäus Großlercher in seinem Tagebuch,
das die Jahre 1901-22 umfasst: „Das vergangene Jahr war im allgemeinen nicht schlecht, wenn nur nicht dieser
furchtbare Krieg ausgebrochen wäre.“
Die Ausstellung selbst umfasste mehrere Schautafeln, auf denen man sich über das Dorfgeschehen in St. Veit im
Verlauf Jahres 1914 informieren konnte. Besonders aufschlussreich waren die Feldpostkarten (Sammlung Herta
und Dipl.-Ing. Georg Ladstätter), aus denen man viel über (sehr bald verflogene) Begeisterung und die Nöte der
Soldaten herauslesen konnte. Ein Plakat aus dem Pfarrarchiv aus dem Oktober 1914, das einen Spendenaufruf für
die Soldaten enthält, lässt erkennen, dass man schon damals nicht mehr mit einem raschen Kriegsende rechnete.
Im Pfarrarchiv hat sich auch eine handgeschriebene Aufstellung sämtlicher Kriegsteilnehmer und ihrer Einsatzorte
erhalten, die nach und nach digitalisiert werden soll.
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