Seite 31 - Gemeindezeitungen

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Rund ums Dorf
12/2013
Schon mit zehn Jahren wurde ich nach Hall ins
Internat geschickt, in der Hoffnung, dass vielleicht
einmal ein Pfarrer - und wenn schon nicht das -,
dann zumindest sonst etwas Ordentliches aus mir
wird.
Aus dem Pfarrer ist nichts geworden, dafür hat es
aber immerhin zum Universitätsprofessor für
Zivilrecht in Innsbruck gereicht.
Obwohl ich also die meiste Zeit meines Lebens fern
von Obertilliach, nämlich in Hall, Innsbruck, Graz,
Spanien und anderen Ländern verbracht habe, bin
ich nach meinem Empfinden dennoch immer ein
"Tillga" geblieben.
Meine Innsbrucker Bekannten wundern sich regel-
mäßig, wenn ich irgendwo - meistens in einer Bar -
mit "Servus Tillga" angesprochen werde und dann in
einen für sie kaum verständlichen Dialekt verfalle.
Es fällt mir nach wie vor schwer, im Beisein von
Obertilliachern, auch wenn andere dabei sind, nicht
"tillgarisch" zu reden. Aber nicht nur der Dialekt
verbindet mich mit dem Dorf, sondern natürlich die
Familie, die Verwandten und Bekannten, der schöne
Ort, die Natur und insgesamt das ländliche
Ambiente mit klarem Sternenhimmel, frischer Luft
und Stallgeruch, lautem Glockenläuten (in aller
Herrgottsfrüh), Traktorenlärm usw.
Etwas ganz Besonderes für mich ist auch das Essen:
Schlipfkrapfen, Niggilan, Håsnöhrlan bekommt man
sonst ja fast nirgends, und wenn doch, Håsnöhrlan
gibt es etwa auch in Südamerika und Schlipfkrapfen
in Polen, wo sie "pierogi ruskie" heißen, dann erin-
nert mich das natürlich immer an meine "Heimat"
und ich denke mir: "Ein bisschen Tillga ist überall".
Der Speck schmeckt nirgends so gut wie bei
Nigglhofer und nur ganz normale Kuhmilch zu trin-
ken, ist in der Stadt schon gar nicht mehr möglich,
weil die im Geschäft verkaufte ganz anders
schmeckt.
Einmal Tillga
immer Tillga
An den "Tillgan" schätze ich ihre Bodenständigkeit
und Gesprächsbereitschaft.
Ich freue mich, dass ich, wenn ich im Dorf unter-
wegs bin, immer mit Einheimischen zum Reden
komme, dass ich mich überall dazu setzen kann und
so auch immer wieder Einiges über das Dorf
erfahre.
Ich schätze an Ort und Leuten vielleicht das ganz
besonders, was sie von der Stadt unterscheidet.
Darunter, dass die "Tillga" nicht mehr so rauh sind
wie vor 30 Jahren - Wirtshausraufereien gibt es ja
kaum noch - leidet ihre Originalität Gott sei Dank
nicht.
Die Bodenständigkeit, die ich von meiner Kindheit
in Obertilliach mitbekommen habe, ist für mich eine
wichtige Grundlage, um überall auf der Welt in Beruf
und Privatleben gut zurechtzukommen. Der Rückhalt
einer großen Familie - man muss sich nicht ständig
sehen, aber man weiß, dass jemand da ist, wenn man
Hilfe braucht - ist dabei natürlich auch sehr wichtig.
Und wozu eine große Familie natürlich noch gut ist:
Man hat immer Partner zum Kartenspielen.
Prof. Dr. Mag. Michael Ganner
Foto: Michael Ganner
Gastkommentar