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FODN - 54/02/2013
Menschen
Daran hat vielleicht schon jeder einmal gedacht. Doch nur wenige sind es, die es wirklich tun.
Sind die weltfremd? Verrückt? Glücklich?
Ulrich Boerries, ein Unternehmer aus Norddeutschland wollte es wissen - und ist selber ausge-
stiegen. Für 5 Wochen war er in der Gemeinschaftsalm Dorfertal als einfacher Sennergehilfe
tätig. Kein Telefon, keine E-Mails, kein Kontakt zu seiner Firma waren sein Ziel.
Aussteigen auf Zeit
Ulrich Boerries
Von Michael Linder
M
ein Name ist Ulrich Boerries,
ich bin 50 Jahre alt, in der Mitte
meines Lebens und einige sagen
auch am Wendepunkt des Lebens und
vielleicht ist das auch ein Grund, warum
ich hier hin gekommen bin.
Ich habe einen Großhandelbetrieb für
Spezialfuttermittel mit Sitz in Nord-
deutschland im Landkreis Cloppenburg,
der befindet sich ca. 100 km südlich der
Nordsee und 60 km östlich der holländi-
schen Grenze. Mein Betrieb, den ich vor
13 Jahren aufgebaut habe, beschäftigt
sich mit Spezialfuttermittel für Ferkel
von der Geburt bis zum Alter von 7-8
Wochen. Wir vertreiben diese Produk-
te in Deutschland, Österreich, Holland
Belgien und England. Ich habe 14 Ange-
stellte und der Jahresumsatz beläuft sich
auf ca. 7 Millionen EURO.
Der Anfang
Ja, der Zahn der Zeit der nagt auch an
einem selber: den Betrieb aufbauen, den
Betrieb in Schwung bringen, perma-
nentes Denken, permanente Innovation,
permanent am Ball bleiben, permanent
funktionieren und permanent auch das
Gefühl zu haben, immer Funktionieren
zu müssen. Irgendwann kommt aber
unweigerlich der Moment, an dem man
anfängt, darüber nachzudenken - und
das hat mich dann im Frühjahr so ein
bisschen ereilt. Ich habe über dieses
„immer funktionieren müssen“ nach-
gedacht und ob alles auch ohne mich
funktionieren würde. Das ist der Grund
gewesen, warum ich mich mit dieser
Frage auseinandergesetzt habe. Es gibt
ja viele Dinge die man als Auszeit be-
zeichnen kann, wie Wandern oder auch
caritativ tätig sein, aber das WIE war
für mich nicht das Entscheidende. Im
Juni habe ich dann mit einem Freund
darüber gesprochen, eine Auszeit zu
nehmen und da habe mich an einen Be-
richt erinnert, der von einer Auszeit auf
der Alm handelte. Dann bin ich gleich
ins Internet und hab angefangen zu su-
chen: gibt es so was überhaupt, wenn ja,
wo kann man so was machen und wie
funktioniert das. Da habe ich dann fest-
gestellt, ok - ich kann Senner machen.
Auf der Website www.almwirtschaft.
at sind Ausschreibungen für Mitarbeit
oder für komplette Almübernahmen in
unterschiedlichen Regionen wie Tirol,
Steiermark, Kärnten veröffentlicht. Ich
habe mich intensiver damit beschäftigt
und bin dann auf eine Inserat gestoßen
und das fand ich witzig und interessant
zugleich, weil die Ausschreibung kurz,
prägnant und einfach Interesse weckend
war. Sie lautete: „Freunde der Almwirt-
schaft, biete gegen leichte Mithilfe auf
der Alm bei freier Kost und Logie Alm-
wirtschaft mit an.“ Da habe ich sofort
angerufen und habe Günther kennen-
gelernt. Günther, ein kerniger Senner
hat gesagt, „da musst du kommen.“ Das
Ausschlaggebende für mich war, dass
Günther gesagt hatte, es gibt kein Tele-
fon, kein Fernsehen, kein Internet - es
gibt also gar nichts.
Ich habe dann meinen Mitarbeitern
gesagt, dass ich vom 20. Juli an für 4
- 5 Wochen auf die Alm gehe und in die-
ser Zeit auch nicht erreichbar bin. Die
Mitarbeiter in der Firma spielen da eine
große Rolle, wie stehen die zur Firma,
wie loyal steht der Chef zu den Mitar-
beitern. Ich habe meinen Mitarbeitern