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Nummer 4 — 62. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Aber weil der Festtag drängt,
Bauch und Bein hineingezwängt.
Oben klemmt das Fleisch sie ein,
Überhaupt ist sie zu klein,
Hinten zwickt sie, vorne drückt sie,
An den beiden Knien pickt sie,
Stupft im Rücken, kratzt die Seite,
Unten ist zu groß die Weite.
Bei der kleinsten Wendung kracht sie,
Bück ich gar mich, so erschwacht sie.
Wie muß ich die alte loben:
Freundlich unten, wärmend oben,
Nur die Falten etwas krumm,
Dreigeleisig obenrum,
Auch ein wenig Glanz ist hinten,
Wie von ausgegossnen Tinten,
Doch in allem andern tüchtig,
Anschmiegsam und weich und züchtig,
Während sich die neue nur
Wichtig macht in Moll und Dur.
Das Hühnerauge
Ein Hühnerauge ging zum Arzt
Und sagte weich und lind:
„Ich war mit einem Fuß verwarzt,
Nun bin ich Waisenkind.
Sie trieben mich von Haus und Herd
Und fluchten hintendrein.
Bin ich auch nirgends sehr begehrt,
Allein will ich nicht sein.“
Der Doktor wußte keinen Rat,
Er selbst war schon versorgt.
„Ist niemand – o wie süß es bat –
Der einen Fuß mir borgt?“
Da schrieb er ihm doch einen auf,
Er war der Jungfer Lies:
Ihr Fuß war immerfort im Lauf,
‘s war Zeit, daß sie es büß‘.
Das Hühneraug bedankte sich
Mit einem schönen Gruß.
„O Jungfrau, adoptiere mich,
Ich brauche einen Fuß.“
Erst wehrte sich die Jungfrau sehr,
Dann ließ sie sich herbei.
Ein schönes Plätzchen war noch leer,
„Viel Dank, ich bin so frei.“
Es war ein böses Hühneraug,
Die Liese spürte es bald:
Kein Pflaster half und keine Laug‘,
Es blieb und wurde alt.
Der hohle Zahn
Am kühlen Morgen merktest du noch
nichts,
Zu Mittag spricht die Backe des Gesichts:
„Es ist was faul im Staate Dänemark.“
Am Abend tanzst du schon auf einem Fuß,
Des Nachts siehst du als Silber an den
Ruß,
Am Morgen siedet dir im Zahn das Mark.
Nun ist es Zeit. Du denkst an einen Herrn,
Der um die Ecke wohnt, gar nicht so fern,
Du kennst ihn lange von der Kegelbahn.
Im Schranke hast du Mantel, Schnaps und
Hut:
Du nimmst sie alle und so kriegst du Mut,
Um auszuführen deinen Morgenplan.
Das Schicksal will natürlich, daß der
Schmerz
Im Zahn zusammenschmilzt wie Schnee im
März,
Wenn Du im Zimmer sitzt und warten
mußt.
Die Tür geht auf, ein Fräulien tritt herein:
Das andre kommt und geht als wie allein
Und erst zu Mittag merkst du den Verlust.
Der Bauch
Bauch, das ist ein Sammelname
Wie das kleine Wörtchen Dame:
Großes, Kleines, Junges, Altes,
Dickes, Dünnes, Warmes, Kaltes,
Alles fassen sie zusammen,
Wenn sie gleich aus Kleinem stammen.
Bäuche kommen ganz von selber
Wie im Herbst die jungen Kälber.
Sind sie erst einmal vorhanden,
Gehn sie nicht mehr aus den Landen,
Sind zufrieden und anhänglich
Und die meisten lebenslänglich,
Treu und still wie gute Frauen,
Wollen gern mit dir ergrauen.
Niemals sind sie in der Mode,
trotzen dennoch selbst dem Tode.
Du magst salben, steigen, schwitzen:
Bäuche bleiben einfach sitzen.
Haarausfall
Wird das Haar auf einem Scheitel
Dünn und schütter, ist es Zeit,
Daß du sagst: „Ich bin nicht eitel;
Töricht ist die Eitelkeit.“
Nimmt die Glatze zu an Größe,
Schwingt sie gar sich ins Genick,
Lachst du auf: „Ich bin nicht böse;
Alles leitet das Geschick.“
Eins nur ist nicht zu verwinden:
Daß sie im Friseursalon,
Wenn sie kaum noch Haare finden,
Fordern gleichen Haarschneidlohn.
Grabinschrift
Führt der Weg zu deinem Hause
Dich vorbei an meiner Klause,
Halte still und denk: Auch du
Findest einstmals hier die Ruh:
Heute schon, sonst sicher morgen,
Liegst du neben mir geborgen,
Weißt von Streit nichts mehr und Zank,
Hoffst auch weiter nicht auf Dank:
Alles ist von dir genommen,
Dem du einmal nachgeschwommen:
Nur was Gott gezählt im Leben,
Wird dir neu zurückgegeben.
* * *
Schlußteil aus dem Märchenroman „Die
Leiden der Forelle Finga“:
Das Märchen ist aus.
Ich bin wieder allein und müde. Mein Zim-
mer ist dunkel, der Herbst rauscht durch
den Wald.
Wenn es Frühling wird, schreibe ich wie-
der ein Märchen.
Denn ich habe viele Welten gesehen, die
ihr noch nicht kennt. Von ihnen will ich
auch Märchen schreiben.
Ende
Ende des von Franz Josef Kofler verfaßten und handgeschriebenen Märchenromans
„Die Leiden der Forelle Finga“, 1925.
Archiv: Alois Kofler