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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
62. Jahrgang — Nummer 7
Bergtal, das man damals nach einer drei-
stündigen Wanderung von Matrei aus nur
zu Fuß erreichen konnte, sich plötzlich in
die Großstadt versetzt zu sehen.“ Für Troy-
er war es ein Gebot der Stunde, ein Kunst-
studium in Wien zu beginnen. Dabei kam
ihm Msgr. Dr. Josef Schnitt, der Rektor der
Wiener Sängerknaben, der mit den Buben
jeden Sommer in Hinterbichl verbrachte
und auf Troyers Talent aufmerksam ge-
worden war, zu Hilfe, indem er ihn die er-
ste Zeit in den Konviktsräumen der Hof-
burg wohnen ließ.
Troyer ging an die Kunstgewerbeschule
Wien und setzte seine Studien an der Aka-
demie bei den Professoren Hanak,
Bechtold und Andri fort. Er fand sein
Hauptinteresse in der Thematik der
menschlichen Figur und im Gewinnen
großer Sicherheit in unterschiedlichen
Arbeitstechniken. Sein Fleiß wurde durch
sehr gute Benotungen, Stipendien und
Preise anerkannt. Troyer erhielt sogar den
begehrten Meisterschulpreis, die höchste
Auszeichnung, die die Akademie zu ver-
geben hatte und er schloß die Studien in
der Meisterklasse für Freskomalerei ab.
Josef Troyer ist akademischer Bildhauer
und Maler.
Nach kriegsbedingter Unterbrechung
und Gefangenschaft setzte er zuversicht-
lich einen Neubeginn, nachdem er seine
Wohnung in Wien durch Kriegseinwir-
kungen zerstört vorfand; Skizzen, Model-
le und fertige Arbeiten waren zugrunde ge-
gangen. Troyer kehrte nach Prägraten
zurück und konnte sich im Feuerwehrhaus
von Virgen einen Raum, der allerdings
nicht zu heizen war, als Werkstätte ein-
richten. Hier suchte er sein technisches
Können wieder zu erlangen und zu per-
fektionieren, hier entstanden u. a. die
Kreuzigungsgruppe der Goller-Kapelle in
Abfaltersbach und das Krippenrelief der
Dreifaltigkeitskapelle von Schloß Bruck.
Dieses ist die erste Reliefschnitzerei Tro-
yers, ein Typus, in dem sich Bildhauerei
und Malerei besonders annähern und dem
er sich in späteren Jahren wiederholt zu-
wandte. Troyer arbeitete mehrere Fresken
mit heimatlicher Thematik und mit Heili-
gengestalten für das Matreier Jugendheim,
die jedoch nicht mehr existieren, da das
Haus abgebrochen wurde. Sogar eine
Kapelle in Wallhorn wurde nach den Plä-
nen Troyers erbaut und auch sie steht nicht
mehr, denn 1951 wurde sie von einer
Lawine mitgerissen. Das Kruzifix in der
Friedhofskapelle von Lavant und Holz-
reliefs der Decke im Altarraum der Land-
wirtschaftlichen Schule in der Peggetz
sind frühe Arbeiten Troyers. Ein hl. Fran-
ziskus, der die Wundmale empfängt, ist als
Mosaik an der Orgelempore der Pfarrkir-
che zum hl. Andreas in Prägraten zu sehen
und gibt ein weiteres Zeugnis von den Lei-
stungen des Künstlers in Osttirol.
Troyer zählt zu jenen Tirolern, deren
Schaffen größtenteils außerhalb der enge-
ren Heimat entstand. Obwohl er in Wien
lebte, blieb er mit Prägraten durch Ferien-
aufenthalte und private Aufgaben verbun-
den. Von Anfang an bis in die jüngste Zeit
erhielt er Aufträge zu religiösen und pro-
fanen Werken durch die Heimatgemeinde,
die für den künstlerischen Fortgang Tro-
yers stets reges Interesse zeigte.
Troyer hatte durch seinen Fleiß und sein
Können die Weichen für größere Auf-
gaben richtig gestellt, er durfte solchen
voll Zuversicht entgegensehen. Seine
Arbeiten in St. Stephan in Wien markieren
jenen wichtigen Abschnitt, in dem die
Schaffenskraft des Künstlers in höchstem
Ausmaß beansprucht war. Sein Talent
wurde durch Aufgaben beim Wiederauf-
bau des Stephansdomes gefordert und ge-
fördert. Die Laufbahn stieg steil an, denn
das gute Gelingen der Krippe von St.
Erhard in Wien-Mauer (Abb. 6) brachte
ihm den ehrenvollen Auftrag ein, eine ähn-
liche für St. Stephan zu schnitzen. Troyer
wählte, der Raumsituation entsprechend,
die Form eines gotischen Flügelaltars und
brachte in die Bildfelder aktuelle Bezüge
zur Gegenwart mit ein. Mit Konsolfiguren
in Stein im Albertinischen Chor des
Domes und in Holz unter dem Orgelpro-
spekt, mit der Wiederherstellung und Er-
gänzung des beim Dombrand 1945
schwer beschädigten Lettnerkreuzes und
mit der gesamten künstlerischen Ausstat-
tung der Bischofsgruft (Abb. 3) nach ei-
genen Plänen erwarb er sich als Dombild-
hauer von St. Stephan eine beachtliche Po-
sition in der religiösen Kunst Österreichs.
Und wenn vom Wiederaufbau des Wiener
Stephansdomes gesprochen wird, dann ist
der Name Josef Troyer mitzunennen.
1952 heiratete Josef Troyer Gretl Helm,
eine Lehrerin aus Wien. Die Trauung im
Stephansdom hielt der aus Virgen gebürti-
ge Religionsprofessor Hans Ruggenthaler.
Ende 1957 waren die Troyers bereits eine
fünfköpfige Familie, mit einem Mädchen
und zwei Buben.
In der Zeit von 1952 bis 1964 stellte der
Künstler sein Talent als Mitgestalter der
Dominikanerkirche Graz, die als total
bombenbeschädigt neu zu errichten war,
wieder unter Beweis. Mit der ihm eigenen
Vielseitigkeit und dem hohen handwerk-
lichen Können schuf Troyer als erstes der
beachtlichen Werke ein riesiges Stein-
relief der „Schutzfrau Österreichs“, der da-
mals größten Mariendarstellung des Lan-
des, aus Sandsteinquadern herausgeschla-
gen und in eine Außenwand der Kirche
eingepaßt. Und der apokalyptische Engel,
der vom Giebel der Vorhalle her mahnend
an das Weltende erinnert, ist eine handge-
triebene Metallplastik von sieben Metern
Höhe und einem Gewicht von 450 kg. Zu-
dem stattete Troyer die Hochaltarwand mit
einer Freskomalerei aus; sie stellt den Weg
Abb. 3: Altartisch mit Pelikan-Motiv in der Bischofsgruft von St. Stephan, Wien.
Abb. 2: Opferwidder, ein Holzschnitt, der
die Kirche von Obermauern und Häuser
unter der Wallfahrtskirche zeigt. Einem
alten Brauch nach wird jährlich am
Weißen Sonntag ein geschmückter Widder
in Prozession von Virgen nach Ober-
mauern geführt.