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In St. Veit in Defereggen befinden sich
zwei Grabsteine, die bislang in der Litera-
tur nicht aufscheinen. Dabei handelt es sich
um jene der Vikare Sperl bzw. Jud, die En-
de des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhun-
derts hier gewirkt haben. Wie aus dem
unten zitierten Wortlaut der Chronik des
Pfarrers Matthias Hofmann (1880/89) her-
vorgeht, befanden sich ursprünglich beide
im Chor der Kirche, also an einer Stelle, die
wegen der Nähe des Altars seit frühchrist-
licher Zeit zu den bevorzugten Begräbnis-
plätzen gehört. Bei einer um die Jahrhun-
dertwende erfolgten Fußbodenerneuerung
wurde die Grabplatte von Sperl in den Be-
reich des Kircheneinganges, genauer gesagt
als Auftritt zum linksseitigen Emporenauf-
gang verlegt, diejenige von Jud aber in die
etwa gleichzeitig errichtete Lourdesgrotte,
wo sie bis zur Erneuerung des Fußbodens
Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahr-
hunderts verblieb. Daß sie nach ihrer Ent-
fernung nicht auf einer Schutthalde lande-
te, ist in erster Linie Herrn VSD Max Ha-
fele, Chronist von St. Veit, zu verdanken.
Sie lehnt derzeit außen an der Nordwand
der genannten Kapelle, würde aber zwei-
fellos einen besseren Platz verdienen.
Von beiden Vikaren haben wir durch die
Chronik von Pfarrer Matthias Hofmann
interessante biographische Notizen, die im
folgenden im Wortlaut geboten werden
sollen; für Hofmanns Chronik bezeich-
nend ist die Liebe zum Detail, die sich
etwa in der genauen Angabe wirtschaft-
licher Daten, im Interesse für Krankheiten,
aber auch in der Einfügung anekdotenhaf-
ter Bemerkungen äußert.
Zu Vikar Sperl heißt es auf S. 89 (die
Rechtschreibung wurde beibehalten; in
eckigen Klammern scheinen Ergänzungen
bzw. Übersetzungen der lateinischen Sät-
ze auf):
Wolfgang Sperl, Vicar Feber 1784 –
13. Juni 1787
Wolfgang Sperl ist geboren zu Dirnberg
[= Dürnberg bei Hallein]
im Salzburgi-
schen am 10. Okt. 1733, zum Priester ge-
weiht 1759, war 17 Jahre Coadjutor, 8
Jahre Cooperator zu Waging
[in Bayern],
als Vicarius nach St. Veit decretiert am 4.
Jänner 1784, stand hier ein im Februar
elusdem anni
[= desselben Jahres]
im Alter
von fünfzigeinhalb Jahren. Nachdem er
die Seelsorge allda durch ungefähr drei-
einhalb Jahre geleitet hatte, starb er in-
folge von Leberverhärtung, Wasser und
Gelbsucht am 13. Juni 1787 um 11 Uhr
nachts sanft im Herrn mit allen hl. Sterbe-
sakramenten versehen. Die Beerdigung
fand statt am 16. Juni um 8 Uhr früh; er
liegt beerdigt in der St. Veitskirche in der
Mitte hinter den zwei Stufen, welche in das
Presyterium führen. Am Steine vor dem
Geländer
[= dem Kommuniongitter]
im
Schiffe kann man heute noch lesen die
Buchstaben: W. SP. V. 1787, ist aber im
Laufe von fast 100 Jahren der Pflaster-
stein und die Schrift stark ausgetreten. Vor
10 Jahren lebte nach einer, welcher als
Knabe von 7 Jahren bei seiner Begräbniß
anwesend war; in der Kirche war, so er-
zählen alte Leute, ein entsetzliches Ge-
dränge wegen des Zusammenströmens des
ganzen Thales – Seelenbuch und Lib. mor-
tuor.
[Totenbuch].
Aus der Verlassenschaftsverhandlung des
Herrn Sperl, welche im Archive liegt, sehen
wir weiters, daß derselbe fünf Dienstboten
für die Mayrschaft und eine Wirtschafterin
hatte, bei seinem Tod waren vorhanden fünf
Kühe und ein Kalb. Das Feld und die Wiese
muß er alle in eigener Regie gehabt haben;
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 10/11 — 63. Jahrgang
Michael Huber
Zwei Priestergrabsteine in der Pfarrkirche
von St. Veit in Defereggen
Aus der „Urmappe“ (um 1860) ist ersichtlich, daß um diese Zeit die Talstraße nicht nördlich der Schwarzach verlief, sondern durch
Feistritz führte.
Foto: Vermessungsinspektorat für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck