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Nummer 10/11-1995
63. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLATTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Im Handbuch für Reisende von Karl Ba-
edeker aus dem Jahre 1912, Südbayern,
Tirol und Salzburg umfassend, findet sich
unter Nummer 77 das Defereggental. Es
wird wie folgt beschrieben:
„Das 9 1/2 Stunden lange, von der
Schwarzach durchflossene Defereggental
mündet bei Huben ins Iseltal. Der untere
Teil des Tals ist stellenweise einförmig; im
Westen bildet die Rieserfernergruppe
einen großartigen Abschluß. – Fahr-
straße bis Erlsbach (6 1/2 Std.), Poststell-
wagen von Huben bis St. Jakob täglich in
5 Std., 3 Kronen; zweispännig in 3 1/2
Std., 16 Kronen, dann Karrenweg bis zu
(3. Std.) Jagdhausalpe“
Dem heute Reisenden steht eine moder-
ne Asphaltstraße zur Verfügung, die
weitgehend gegen vorhersehbare Bedro-
hungen abgesichert ist, sodaß er, von ex-
tremen Wettersituationen abgesehen, die
Fahrzeit mit dem Auto nach Viertelstun-
den bemessen kann.
Mit dem Postautobus
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dauert es, durch
die Haltestellen bedingt, etwas länger und
ein Radfahrer benötigt je nach Kondition
und sportlichem Ehrgeiz eine Fahrzeit
zwischen einer und zwei Stunden.
Noch vor wenigen Jahrzehnten unter-
schied sich diese Straße von der heutigen
sowohl der Qualität nach, sie war eine
schmale Staubstraße, deren Fahrbahn
vielfach zu wünschen übrig ließ, wie auch
hinsichtlich ihrer Gefährdung durch Na-
turgewalten. Sie hatte in Stücken einen an-
deren Verlauf, führte durch Abschnitte,
welche durch Steinschlag und Lawinen be-
droht waren und war nach Gewittern oder
im Winter oft tageweise nicht passierbar.
Der ursprüngliche Verlauf dieser
Straße ist zwar nicht genau bekannt, dürf-
te sich aber geländebedingt auf weite
Strecken mit der heutigen Trassierung ge-
deckt haben.
Dies belegen folgende uns zur Verfü-
gung stehende Kartenwerke:
Andreas Spängler, Matthias Burg-
klechner – Tirolische Landtafel 1611/29
Peter Anich/Blasius Hueber, Atlas
Tyrolensis 1774 Bl. 9/10
Aloys Schwarz 1816
Carl Stein 1823, Generalquartiermei-
sterstabskarte
Franziszeischer Kataster 1858
Hohe Tauern, Sonklar 1866
Dritte Landesaufnahme 1890 Bl.
5249/1 u. 5248/2
Militärkarte von 1894
Die Frage, ob der Hauptzugang in das
Tal immer Schwarzach aufwärts oder aber
über das Klammljoch bzw. über den Stal-
ler Sattel gegeben war, ist zwar nicht mit
absoluter Sicherheit zu beantworten,
doch sprechen die uns zugänglich gewor-
denen Quellen dafür, daß zumindest seit
dem Spätmittelalter und in der Neuzeit die
Straße von Huben her den Weg für Fahr-
zeuge darstellte. Es weisen darauf die in
Peischlach gelegenen Hüttenwerke hin,
Walter Potacs - Michael Huber
Die alte Straße von Huben nach St. Jakob i. D.
Das Defereggental, Ausschnitt aus der großen Tirol-Karte von Matthias Burgklechner, 2. Ausgabe von 1629.
Foto: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck