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nenaufgang war dies ein bedeutender Fort-
schritt.
Für den Lastenverkehr wurden schwere
Brückenwagen verwendet, die von zwei
Pferden gezogen wurden. Bis zu 3.000 kg
konnte auf so ein Fuhrwerk geladen wer-
den. Salz, Zucker, Getreide und verschie-
dene andere Artikel für den Hausgebrauch
wurden zugeliefert und talauswärts nur
das Leergeschirr. Für eine Lastenfuhre
rechnete man zwei Tage, übernachtet wur-
de in Ainet. Als Zugtiere wurden Pinz-
gauer Halbblut und oft auch Pferde einer
fremdländischen Rasse, sogenannte
„Krowotte“, verwendet. Am meisten seien
24 Pferde in Rauter Ställen gestanden, ei-
ne ähnliche zahl stand beim Taferner in
Huben.
In die Täler war der Transport besonders
schwierig. Schotterstraßen seien erst in
den zwanziger Jahren gebaut worden. So
sei ein Weiterkommen zweispännig oder
mit schweren Lasten im Sommer unmög-
lich gewesen. Daher wurde die große
Glocke mit an die 1.900 kg von starken
Virgener Männern auf einem schweren
Wagen über die „Walder Höhe“ hinauf
und den „Virgener Berg“ hinein gezogen.
Ein heute undenkbares Bravourstück.
Die Felbertauernbahn hätte verkehrs-
mäßig eine große Erleichterung bringen
sollen, blieb aber ein Traum. Osttirol – auf
sich allein gestellt – hatte gegen Kärnten
und das Gasteinertal keine Chance. Nach
dem Projekt hätte der Gleisstrang nach Vir-
gen führen, bei Welzelach eine Schleife
machen und über Zedlach/Hinteregg weiter
ins Tauertal gelegt werden sollen.
Der Stellwagen wurde erst 1928 end-
gültig vom Auto verdrängt. Eine zeitlang
seien beide Verkehrsmittel nebeneinander
unterwegs gewesen.
Als das Automobil das Iseltal eroberte
Im ersten Jahrzehnt des zu Ende gehen-
den Jahrhunderts wurden mit dem Ausbau
der bemauteten „Konkurrenzstraße“ von
Lienz nach Matrei die Voraussetzungen
für die ersten Anfänge des motorisierten
Verkehrs geschaffen.
Der agile, technisch interessierte, welt-
gewandte und für alles Neue aufgeschlos-
sene spätere Landtagsabgeordnete Natalis
Obwexer, Besitzer des Hotels Rauter in
Matrei, war die Triebfeder und der Orga-
nisator des Unternehmens Autoverkehr ins
Iseltal. Er fand in seinem Schwager
Andrä Vergeiner „Tschitscherwirt“ (heute
Hotel Traube) Hilfe und Unterstützung
und beide zusammen gründeten 1913 die
Osttiroler Kraftwagengesellschaft.
Beide Herren fuhren nach Wien, mach-
ten dort den zur Lenkung eines Kraftwa-
gens damals schon notwendigen Führer-
schein (in Lienz war dies noch nicht mög-
lich) und erkundigten sich bei den
„Saurer-Automobilwerken“ nach einem
für die Personenbeförderung geeigneten
Auto, das sie dann auch kauften.
Der für die Konkurrenzstraße sich eig-
nende Kraftwagen verfügte über 16 Sitz-
plätze, Vollgummiräder, Kettenantrieb,
besaß außerhalb des Autos zu betätigende
Bremse und Schaltung. Er verfügte noch
über ein Karbidlicht.
Die Saurerwerke stellten die Bedingung,
daß der zukünftige Fahrer des Autos einen
sechsmonatigen Kurs imWerk absolvieren
und dabei die Funktion aller Bauteile, die
Wartung u.a.m. gründlich kennenlernen
müsse. Daraufhin wurde Alfons Stampfer,
der als Chauffeur vorgesehen war, für ein
halbes Jahr in die Saurerwerke nach Wien
geschickt.
1913 suchten die beiden Aktionäre um
die Beförderungskonzession an, die auch
erteilt wurde. Dafür aber war eine Probe-
fahrt von Lienz nach Matrei Bedingung,
die am 13. Mai 1913 durchgeführt wurde.
Dabei wurde festgestellt, daß die
Schloßbrücke für das einschließlich der
Fahrgäste 3.900 kg schwere Fahrzeug zu
schwach gebaut sei und bis zu ihrer Ver-
stärkung nur sechs Passagiere befördert
werden dürfen. Desgleichen waren für al-
le anderen Brücken (St. Johann, Michel-
bach, Schwarzachbrücke und Brühl-
brücke) statische Berechnungen bezüglich
Tragfähigkeit vorzulegen. Weiters seien
insbesonders im Raum Ainet, aber auch
auf der übrigen Strecke Ausweichen zu er-
richten und dort müsse die Straße auf 4,5
m verbreitert werden.
Dies reichte hin, weil der Omnibus
einschließlich weit vorstehender Kotflügel
nur 1,7 m breit war.
Für alle Schäden an Zäunen u. ä. hatte
die Kraftwagengesellschaft zu haften.
Befand sich Weidevieh auf der Straße,
hatte der Lenker abzusteigen und dieses
weit genug wegzutreiben.
Die Geschwindigkeit sollte auf freier
Strecke 25 km/h und in Ortschaften und an
unübersichtlichen Stellen 6 km/h nicht
überschreiten.
Bei Schlechtwetter und schlechtem
Straßenzustand war der Kraftwagenbetrieb
einzustellen.
Die Postbeförderung war an einen eige-
nen Vertrag mit der Post gebunden. Dieser
beinhaltete, daß die Konzessionäre ver-
pflichtet waren, bei Ausfall des Autobus-
ses die Post auf eigene Kosten per Pferde-
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 1 –– 65. Jahrgang
Bau des Weges auf den Stein im Auftrag des Freiherrn von Thieme, 1903.
(Bildchronik der Marktgemeinde Matrei i. O.; Rep. Lottersberger.)
Ausflugsfahrt mit der „Osttiroler Kraftwagengesellschaft“, um 1920.
(Bildchronik der Marktgemeinde Matrei i. O.)
Foto: Franz Schneeberger