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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
65. Jahrgang –– Nummer 12
Feuerkommissar, 1880 übernimmt er die
provisorische Obmannschaft der städti-
schen Feuerwehr. Mit ihm erlischt der letz-
te gesichert nachweisbare Lebzelterpro-
fessionist heimischer Provenienz.
Der
Lebzelterfamilie Sailer
blieb es
schließlich vorbehalten, die nach altem
Herkommen entwickelte bzw. vervoll-
komne Gebildbäckerei in Lienz mit den
obgenannten, professionellen Hauptver-
tretern des Gewerbes zu praktizieren und
insbesondere bis in unser Jahrhundert
weiterzutragen. Ihr „Ahnherr“,
Josef
Sailer,
der im Zuge der politischen Wirren
der napoleonischen Zeit von Baldrams-
dorf/Kärnten nach Lienz gelangt war, wird
laut Beschluß vom 18. Juni 1814 daselbst
„als Inwohner und Lebzelter aufgenom-
men. 3 Fl. 30 Jahrschilling und Wasser-
kübel. Er erhält auch Ehelizenz, muß
sich aber zur“ (damals neuformierten)
„Bürgerwache stellen“
19
.
Er selbst wurde im ehemaligen Bergge-
richtshaus in der Münichgasse, das Leb-
zelter Brunner’scher Besitz war, als junge
Fachkraft aufgenommen und erhielt
durch Verehelichung mit einer Brunner-
Tochter bzw. auch durch persönliche
Tüchtigkeit Einstand in die Lebzelterei.
Dies erhärtet auch aus der Tatsache, daß er
selbst bzw. sein Sohn Josef laut Abhand-
lung vom 31. Dezember 1862 als Besitzer
der genannten Liegenschaft in Erschei-
nung tritt. Sailers Wirken zeichnet wirt-
schaftliches Wachstum aus, denn laut
Kaufvertrag vom 29. April 1875 setzt er
sich ebenso ins Eigentum des direkt an-
stoßenden Bergrichterhauses (Bp. 214;
Eckhaus Schulgasse)
20
.
Mehrere Generationen lang pflegt die
Familie Sailer das edle Gewerbe der Leb-
zelterei. Erst der Urenkel des einstigen Zu-
wanderers Josef, Hermann Sailer, wendet
sich um die Mitte unseres Jahrhunderts un-
ter dem Druck der wohlfeilen Massenwa-
re, die allerorts und unabhängig von be-
sonderen Festzeiten jederzeit angeboten
wird, von der althergebrachten, meisterli-
chen, so arbeitsintensiven wie filigranen
Kunst der Herstellung erlesenster Honig-
Gebildgebäcke ab und wendet sich der
wohl nicht ganz wesensfremden Professi-
on eines Zuckerbäckers und Konditors zu.
Sein Vater († 1957) war allerdings noch
selbst begeisterter praktischer Lebzelter
21
in der Zwischenkriegszeit, der nach histo-
risch verbürgten Rezepten die wundersa-
men Formen nach alten Modeln buk
22
.
Zusammenfassend zu dieser kurzen do-
kumentarischen Darstellung ist zu sagen:
Das Lebzelter- (und Wachszieher-)gewer-
be in Lienz ist über vier Jahrhunderte lang
nachweisbar (17. bis 20. Jahrhundert).
Seine namhaften Vertreter, insgesamt
ein gutes Dutzend, sind mit einer Ausnah-
me bodenständiger Herkunft, durchwegs
so strebsame und wirtschaftstüchtige
Professionisten wie ehrbare Bürger.
Auffallend viele von ihnen sind zugleich
Schuh (Herz), 18. Jahrhundert.
V. l. n. r.: Wiegen mit Fatschenkindlein, Fatschenkind (Christkindl?), Blumen, Blüten, Früchte, alle Model 18. Jahrhundert.