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Auch nach mehreren Jahrzehnten der
Beobachtung heimischer Pflanzen und
Tiere gibt es immer wieder Neuigkeiten,
offenbar ohne denkbares Ende.
Neben den eigenen Ergebnissen kom-
men erfreulicherweise immer öfter Mit-
teilungen, Beobachtungen und Funde all-
gemeiner und besonderer Art ins Haus, die
Zeugnis vom Interesse an der Natur geben,
und offenbar kennen die Leser mehr und
mehr auch die möglichen Anlaufstellen bei
auftretenden Fragen aller Art. Nicht zuletzt
ist auch dieser Ertrag nach den vielen
publizistischen Mitteilungen sehr er-
wünscht.
Vom Haus-Mitbewohner Herrn H. Wib-
mer erhielt ich am 27. Mai 1994 einen Zweig
der Haus-Zwetschke (Prunus domestica),
stammend aus der Messinggasse in Lienz,
mit unerklärlichen Mißbildungen. Laut Ge-
dächtnis war die Zuordnung leicht, gesehen
hatten wir solche Formen vorher auch nie.
Die sogenannten Narrentaschen an
Zwetschken sind schon lange bekannt, in
letzter Zeit durch Kultivierung, Schnitt,
Schädlingsbekämpfung, Pfropfungen etc.
scheinbar seltener geworden, aber sicher
im ganzen Gebiet möglich, wo eben bei
uns „wilde“ und gezüchtete, wohl behüte-
te Bäume dieser Art gepflanzt sind.
Bei der ersten Überbringung wurde lei-
der kein Lebendfoto gemacht, daher ist die
Abbildung vom Herbarblatt direkt kopiert
(Bestätigung der Bestimmung durch Dr.
W. Fritz vom Naturhistorischen Museum
Wien). Die „Taschen“ sind nicht voll aus-
gewachsen, also noch relativ klein (am
linken Bildrand), Früchte als Vergleich
fehlen, sind aber allgemein bekannt.
Die Narrentaschen werden hervor-
gerufen durch einen Pilz (Taphrina pruni,
Familie Taphrinomycetidae; Schlauch-
pilze, Ascomycota), andere Arten dieser
Familie verursachen Hexenbesen u. ä., wie
bereits mehrfach berichtet.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 4
ränder und Nagen an der Innenseite. Oft-
mals sind die Tiere spezialisiert auf ganz
bestimmte Pflanzenarten: Flieder, Ahorn,
Azaleen, Buche, eben auch Roßkastanie
oder Eichenrinde etc.
Der hier erwähnte Kleinschmetterling ist
in den letzten Jahren sehr bekannt gewor-
den durch verschiedene Meldungen in den
Medien. Einmal als eingewanderte Art und
dann wegen des auffallenden Fraßbildes in
den Blättern dieses Baumes (s. Abb.).
Die Flügelspannweite beträgt maximal
7 mm, die Sitzlänge nur 5 mm. Die Abbil-
dung zeigt die recht schöne Färbung (nach
DESCHKA 1995, Abb. 32). Die Schwär-
me im Herbst bilden ganze Wolken und
fallen dann besonders auf. Das Schadens-
bild läßt die Art erkennen, bei Massen-
vorkommen wird der Baum in den Folge-
jahren eher geschädigt, wenn viele Weib-
chenpuppen überwintern können. Die
Roßkastanie ist durch den Hofbotaniker
CLUSIUS (1525 – 1609) nach Wien im-
portiert worden und hat sich weit ausge-
breitet.
Dieser zugewanderte Schmetterling
wird im o. a. Verzeichnis für Vorarlberg,
Ober- und Niederösterreich sowie Wien
angegeben, noch nicht für Osttirol. Das
Tier ist etwa um 1995 im Raum Lienz erst-
malig angekommen, nunmehr im Stadtge-
biet häufig anzutreffen, einzelne Beob-
achtungen auch schon in den umgebenden
Dörfern.
Die Abbildung über den Raupenfraß
wurde im August 1995 in der Maximi-
lianstraße (Garten von OStR. Prof. Dr. W.
Retter) getätigt.
Der Firma Lackenbucher, Lienz, habe
ich zu danken für die unentgeltliche Er-
stellung der vergrößerten Farbkopien des
Schmetterlings.
LITERATUR:
DESCHKA, G. (1995): Schmetterlinge als Einwanderer.
– In: Einwanderer. Neue Tierarten erobern Österreich. –
Stapfia 37:77-128, Linz.
HUEMER, P. & TARMANN, G. (1993): Die Schmetter-
linge Österreichs (Lepidoptera). – Veröff. Mus. Ferdinan-
deum Innsbruck 73, Beilage 5:1-224.
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer:
HR Dir. Mag. Dr. Alois Kofler, A-9900 Lienz,
Meraner Straße 3.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pi-
zzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Alois Kofler – Naturkundliche Raritäten aus Osttirol
„Narrentaschen“ am Zwetschkenbaum
Narrentaschen an Zwetschke, verursacht
durch den Schlauchpilz Taphrina pruni. 1.
gesunde Zwetschken; 2. durch den Pilz
deformierte Früchte (verkleinert). (Nach
MÜLLER/LOEFFLER:
Mykologie,
5.
Auf-lage, Verlag Thieme, Stuttgart 1992,
Abb. 103.)
Narrentaschen
an Zwetschke
(Prunus dome-
stica), im Bild
links. Fundort:
Lienz, Messing-
gasse, 1994
(gebracht von
Hr. H. Wib-
mer). Kopiertes
Blatt vom
Herbar Dr.
Alois
KOFLER
, Li-
enz.
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