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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 6
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren ver-
antwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: em.
Univ.-Prof. Dr. Karl Odwarka, A-9900 Lienz, Apo-
thekergasse 4..
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Motive aus Kals, aufgenommen Sommer 1971: Blick auf Oberpeischlach mit der Kapelle
(oben), Kapelle beim Holaus-Hof.
Fotos: M. Pizzinini
Noch eine romanische Besonderheit
sind die Kalser Kollektiva. Wo man im
übrigen bairischen Sprachraum Kollektiva
auf
-ach
erwartet, wie in
Eichach, Lin-
dach, Erlach
etc. findet man in Kals nur
Haslach
und den
Stellachspitz
(im Ge-
meindegebiet Ainet mit 1.244 erfaßten Na-
men dagegen 67). Kollektiva mit den Re-
flexen der romanischen Endung
-étum
zu
-ét
13 in Kals, aber keine in der Ainet. Die-
ses
-ét
kann über
-ít
sogar diphtongiert
werden, z. B. im Tiroler Ortsnamen
Nas-
sereith.
In Kals gibt es ein wahrscheinli-
ches
-ít
in
Maríet
„Geröll“. Außerdem fin-
det man in Kals fünf Kollektiva auf
-et,
so-
wie zwei auf
-at
(in der Ainet 15 auf
-et
),
die auch in anderen bairischen Dialek-
ten vorkommen, z. B.
Lärchet
„Lär-
chenwald“ und
Bremat
(Bach) „Brombeer
(Gestrüpp) – Bach“.
Die typische Kalser Kollektivendung ist
aber
-ete,
z. B. in
Lärchete, Staudete,
Stockete, Taxete, Weidete
etc., insgesamt
sind es zehn verschiedene Kollektiva auf
-ete
an 20 verschiedenen Orten. Außerdem
gibt es noch den Hofnamen
Weideter.
Auf lange Mehrsprachigkeit weisen in
Kals auch die sieben Tautologien hin, die
wohl beim Verlust der Mehrsprachigkeit
entstehen: rom./bair.
Pfatschpfoigrube
=
„Wiesenstreifen“ +
fovea
= „Grube“ +
Grube;
Pfortschscharte = furca =
„Scharte“ +
Scharte; Leitengliebe = Leiten
+ clivus
= „Leite(n)“;
Folesalebach =
aquale + sala
= „Wasserrinne“ +
Bach;
Rumeloisbachle = rivus
„Bach“ +
Melois
vielleicht „Mühle“ + „Bach“;
Wolfeloare
=
Wolf +
luparia
= „Wolfsgrube“; sowie
slaw./bair.
Daberklamm = daber/deber
=
„Klamm“ +
Klamm.
Auch wenn der baju-
warisierte Romane oder Slawe nun ein-
sprachig war, wußte er noch von der Be-
deutung des nichtbairischen Namens,
verstärkte ihn aber durch ein gleichbedeu-
tendes bairisches Wort.
Ein Wort zu Besiedelung und Benen-
nung des Tales, heute auch für Ködnitz
geltend –
Kals.
Im Mittelteil des Tales
saßen romanisierte Kelten und Romanen,
die bajuwarisiert wurden. Slawen waren
auf den Süden konzentriert, sie mußten
aber auf dem Weg zu den meisten Almen,
wie Lesach-, Ködnitz-, Peischlach-, Bur-
ger-, Teischnitz- und Dorferalm durch den
mittleren Teil des Tales mit ihren Herden
ziehen. Der Kalser Bach besteht hier heu-
te noch aus vielen Lachen. Vor den Regu-
lierungen mußte er noch breiter sein und in
vielen Armen und Rinnsalen durch das Tal
fließen. Slow.
kalec
„Schlamm, Pfuhl, La-
che, Pfütze“ und
kaluza
„Lache, Pfütze“
wurden dann wohl als Namen des Tal-
kessels benutzt, d. h. des mittleren Teils
des Kalser Tales. Das konnte erst nach der
Verschiebung von
ka-
zu
ca-
(tscha-) im
Ladinischen, also gegen Ende des vorigen
Jahrtausends, geschehen sein.
Es ist sprachlich zu vertreten, daß die
drei Volksgruppen in Kals friedlich mit-
einander lebten. Man schuftete gemeinsam
für die Herren und kannte, Gott sei Dank,
noch keinen falsch verstandenen Herder.
Vom 4. bis 7. Juni 1998 fand das XIII.
Kalser Symposium mit 65 registrierten
Teilnehmern statt. Sie kamen aus allen
Teilen Österreichs, aus Deutschland, Ita-
lien (Südtirol) und der Tschechischen
Republik. Es wurden 22 Vorträge zur
Namenforschung gehalten, mehrere davon
bezogen sich direkt auf das namenkund-
lich so interessante Osttirol, vor allem
auch auf das Kalser Tal.
Da am Abend des 4. Juni die Buchprä-
sentation zur Geschichte von Kals erfolg-
te, waren zahlreiche Gäste aus Osttirol an-
wesend, nicht nur Kalser und Teilnehmer
am Symposium. Am Abend des 6. Juni
fand dann der traditionelle Empfang für
Teilnehmer und Gäste des Symposiums
durch den Verein zur Förderung von Wis-
senschaft und Weiterbildung in Osttirol
statt. Höhepunkt beider Abende waren die
Darbietungen echter Volksmusik durch
den Kalser Frauenchor am Donnerstag so-
wie durch die „Rotspitzler“ aus der Ainet
am Samstag mit Einlagen des Mundart-
dichters Nick Mayr aus dem Rupertiwin-
kel. Hervorzuheben wären noch die exzel-
lenten Buffets, die am Donnerstag von den
Kalser Bäuerinnen und am Samstag von
der Familie Oberlohr des Kalser Kaffee-
hauses hergerichtet wurden.
Teilnehmer am Symposium, Gäste, vor
allem auch die vielen Mitglieder des För-
dervereins bairische Sprache und Dialekte,
und alle anwesenden Kalserinnen und
Kalser erlebten schöne Tage bei interes-
santen Vorträgen und Genüssen für Auge,
Ohr und Gaumen. Den Abschluß bildete
dann eine Wanderung am Sonntag vor-
mittag auf die Dorfer Alwe (besser be-
kannt unter dem Kartographennamen
Dorfer Tal) für die Wanderer oder eine
Busfahrt zum Lucknerhaus für die Bayern.