Seite 4 - H_1998_07

Basic HTML-Version

Vögel zu fangen,
muß man alle Vorsicht brauchen,
und nicht gleich mit Knitteln
darein werfen.
(Virgen, 1795)
1
Volksweisheit geht manchmal ver-
schlungene Pfade. Sie treibt, gleichgültig,
ob in historischem oder zeitgenössischen
Gewande, oft seltsame sprachliche
Blüten. Immer aber ist sie auch Ausdruck
zeitgebundener
Geisteshaltung
und
Sprachkultur. Die eingangs zitierte, für
das Virgental belegte Redewendung
(= Spruchweisheit) ist von tiefsinnigerer
Bedeutung, als es zunächst den Anschein
erweckt, und kann, ähnlich dem nach-
folgenden,
Gerichtsschreiber
Seba-
stian Pöldt in Matrei zugeschriebenen
„Sprüchwort“, als zeitlos bezeichnet
werden:
Man nemb selten das
best Holz in einem Schlägl
.
(Matrei, 1602)
2
Im schriftlichen Nachlaß früherer Ge-
nerationen sind derlei Redensarten,
Sprüche oder gar geflügelte Worte für ge-
wöhnlich sehr dünn gesät. Umso auffälli-
ger rücken die spärlich überlieferten ins
Bewußtsein des Lesers. Osttirol selbst
scheint kein besonders fruchtbarer Boden
für das Aufkommen und die Verbreitung
gewesen zu sein.
So sehr die beiden exemplarisch vorge-
stellten Sprüche Seriosität und Allge-
meingültigkeit auszeichnet, so wenig
trifft dies auf die mit größter Wahrschein-
lichkeit auch seinerzeit als unflätig und ab-
stoßend empfundenen (Fluch-)Worte des
weitum bekannten Lienzer Stadt- und
Landrichters Christoph Plumpf von Leb-
mannsport zu:
Heuteifl,
friß Pfaffen, scheiß Soldaten,
wäsch den Arsch an die Jesuwiter!
(Lienz, 1644)
3
Dem keinesfalls mundfaulen, hohen
Amtsträger kann zugute gehalten werden,
daß er sich bei einer zünftigen Hochzeit in
Hiblers Gasthaus zu fortgeschrittener
Stunde unter Einfluß von Alkohol und ge-
rade während eines, mit angesehenen
Würdenträgern aus Klerus und Verwal-
tung leidenschaftlich betriebenen Glück-
spieles vergaß. Mag sein, daß er sich auch
über die provokante Rede eines gewissen
Gasteiger, der seinen Herrn, den lieben
Grafen Hannsen von Wolkenstein-
Rodenegg einen „Schölbm und Dieb“
schimpfte, dermaßen aufgeregt hatte, daß
er sich nicht nur in der Wortwahl vergriff,
sondern jenen gar gewaltsam mit einem
Stock blutig schlug.
Von ganz anderer Art hört sich der
legendäre Spruch des Jakob Jungmann, ei-
nes gewesenen Müllers von St. Oswald/
Kartitsch, an, den er, wie glaubhaft ver-
sichert, vor dem bischöflichen Consistori-
um in Brixen tat. Besagter J. Jungmann
brachte von einer seiner Pilgerreisen, die
ihn nach Rom geführt hatte, 1846 einen hl.
Leib „Benedict Martirer“ aus den Kata-
komben mit, der mit authentischem Brief
und Siegel der römischen Kurie versehen
und zur „Ehre der Altäre“ auserwählt war.
Auf seiner Rückkehr in der alten Tiroler
Bischofsstadt streng befragt, wie es ihm
trotz Verweigerung jeglicher schriftlichen
Empfehlung von bischöflicher Seite ge-
lungen sei, die Übergabe solch kostbarer,
heiliger Gebeine in der Ewigen Stadt zu
erwirken, gab er sich zwar betont kurz und
bündig, doch unmißverständlich. Seine
Antwort: „Was Brixen nicht schreibt, kann
Rom nicht lesen“, blieb nicht nur den ho-
norigen Herren im feinen Ornate in Erin-
nerung
4
.
Von Georg Egger (1835 bis 1907), dem
Vater des großen österreichischen Malers
Albin Egger-Lienz, ist nachgewiesen,
daß er sich gegen Ende der sechziger Jah-
re des vorigen Jahrhunderts neben seinem
erlernten Beruf als Schilder- und Zimmer-
maler, der ihn auch als Schöpfer mancher
Wandbilder, Deckengemälde und Altar-
blätter in Kapellen und Dorfkirchen seiner
engeren Heimat Oberdrauburg – Lienz in
der Öffentlichkeit bekannt machte, insbe-
sondere der Photokunst zuwandte und
diese in Lienz zu perfektionieren gedachte.
Schließlich, nach mißlicher Bekannt-
schaft mit den städtischen Bauvorschrif-
ten, die in einer wegen nichtbewilligter Er-
richtung seiner Photohütte aus Holz auf
Hofgrund des ehemaligen „Beichtvater-
hauses“ – damals, sprich 1868, noch den
ehrwürdigen Schwestern Dominikanerin-
nen zugehörig –, sehr empfindlichen Ab-
strafung durch den Stadtmagistrat münde-
te, erwarb er durch Kauf vom 1. Juni 1872
Einstand und Besitz in den westlich gele-
genen, 3. Teil des ehemaligen „Eysanck-
hauses“ (Vorbesitzer Privatmann Alois
von Kaler) in der südlichen Häuserzeile
der oberen Schweizergasse in Lienz (B. P.
268)
5
.
Georg Eggers photographischer Nachlaß
ist heute gleichermaßen bekannt; sein do-
kumentarischer Wert steht außer Zweifel.
Das Museum Schloß Bruck verfügt
neben einer Anzahl Alt-Eggerischer Licht-
bilder über eine Handvoll SW-Abzüge von
Photoplatten, welche Abbildungen von
Zeichnungen aus Georg Eggers Hand
darstellen: insgesamt eine kleine Serie
clownesker Szenen, die die tatsächlich
vorhandenen oder bewußt provozierten
Spannungen zwischen den Geschlechtern
zum Vorwurf haben (vgl. Bildbeispiele).
Die jeweils beigefügten, recht holprigen
Knüppelverse, die möglicherweise die
Illustrationen komplettieren sollen, sind
weniger eine Erfindung des Zeichners Ge-
org Egger, als vielmehr Abklatsch männ-
licher Einstellung zur damaligen „Welt der
Frau“. Roh sind sie allemal; dem Leser
sollen sie aber nicht vorenthalten sein:
Der Affe gar posirlich ist.
Vor allen: wenn er vom Apfel frißt.
Vor den Meister tanzt die Sau,
Wie mancher Mann, vor seiner Frau.
Am schönsten Affen fährt er
vom Wirt oft aus.
Den rechten Nahmen,
bekomt das Vieh zuhaus.
Auch das Rattenvieh folgt
des Meisters Pfief.
Ach! so manchem Weibe fehlt der Begrief.
Die besagten Zeichnungen, vermutlich
vom Künstler selbst abgebildet, dürften
aus der Zeit um 1885 stammen. Von den
Versen sind Herkunft und Entstehung un-
bekannt.
Anmerkungen:
1 Handschriftlicher Vermerk bei: Jos. Oberforcher-
Regesten, in: MASB (= Museumsarchiv Schloß
Bruck), Lienz.
2 Pfleggerichts-Protokoll Windisch-Matrei, Eintra-
gung vom 23. Jänner 1602.
3 Protokoll der Anwaltschaft der Herrschaft Lienz
(Anwalt Gabriel Mor), 1644; Eintragung vom 22.
September 1644.
4 Vgl. Pfrarrchronik Kartitsch, Eintragung vom Jahre
1846/Pkt. 2. – Kartitsch feierte die Heimführung und
Aufrichtung des hl. Leibes „Benedict Martirer“ in
der Leonhardskirche in überschwenglicher Art.
5 Vgl. Lienzer Ratsprotokolle, Eintragungen vom 6.
Okt. bzw. 30. Nov. 1868; ebenso div. Notizen zu
Haus-Besitzverhältnissen von Josef Oberforcher, in:
MASB, Lienz.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 7
Lois Ebner
Von kluger Rede und rohen Sprüchen in alter Zeit