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Nummer 7 –– 66. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
der Antike wiederentdeckt, deren Formen
und Kompositionen die verschiedensten
Kunstgattungen beeinflußten. Darüber
hinaus finden sich auf Bestecken dieser
Zeit häufig biblische Szenen, Allegorien,
Fabelwesen und Pflanzenornamente in
allen möglichen Variationen.
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Lange Zeit wurden Messer nicht nur
zum Zerkleinern von Speisen verwendet.
Sie hatten zusätzlich die Funktion der
Gabel inne. Mit den vornehmlich schlan-
ken und spitz auslaufenden Klingen
konnten Speisen leicht aufgespießt und
zum Mund geführt werden. Die Messer
wurden meist in einer Scheide oder einem
Köcher aufbewahrt. Darstellungen auf
dem Griff waren daher meist zur Klinge
hin orientiert. Erst Ende des 16. Jahrhun-
derts kam der Gabel in der Eßkultur stei-
gende Bedeutung zu. Diese wurde nun zu-
sammen mit dem Messer in einem Etui
aufbewahrt oder bei Tisch neben dem Tel-
ler aufgelegt. Wahrscheinlich stehen Mo-
difikationen im Dekor und Veränderungen
in der Klingenform der Messer in Zusam-
menhang mit diesem Funktionswandel.
Die Klingen werden nun auffallend breiter,
ihre Spitzen immer gerundeter. Gleichzei-
tig drehte sich im Laufe des 17. Jahrhun-
derts die Ausrichtung der Darstellungen
um 180° zum Griffende hin, wodurch die-
se beim ausgelegten Eßbesteck leicht er-
kennbar wurden.
Sowohl Messerform wie Griffdekor le-
gen eine Datierung unseres Fundes aus
Stronach in die Zeit um 1600 n. Chr. nahe.
Ohne die Kenntnis weiterer Ver-
gleichsbeispiele läßt sich die Werkstätte,
in der das Messer angefertigt worden ist,
nur schwer lokalisieren. Eine Urkunde aus
dem Jahre 1564 erlaubt die Annahme, daß
dieses in der näheren Umgebung des Fund-
ortes hergestellt wurde. Am 31. Dezember
1564 stellte nämlich der Landesfürst, Erz-
herzog Ferdinand II., dem Besitzer der
Herrschaft Lienz, Christoph Freiherr von
Wolkenstein-Rodenegg, die Bewilligung
für die Errichtung einer Messinghütte aus.
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Messing stand somit spätestens seit dieser
Zeit in der Region von Lienz zur weiteren
Verarbeitung zur Verfügung. Der aus die-
sem Metall gefertigte Griff legt den Schluß
nahe, daß das Messer in Lienz oder in der
Nachbarschaft hergestellt worden sein
könnte.
Sowohl die Motive, die ohne besondere
Raffinesse und Elegance dargestellt sind,
wie auch die Gußtechnik erwecken beim
Betrachter einen unbeholfenen Eindruck.
Es dürfte sich beim Hersteller des Messers
um keinen überragenden Meister seines
Faches gehandelt haben. Dennoch ist der
Griff, soweit noch erkennbar, sorgfältig
und mit viel Liebe zum Detail ausgearbei-
tet worden. So sind z. B. die Palmetten-
und Blätterornamente am Griffende
durch einen feinen Tremolierstich zum
Griff hin abgegrenzt.
Verwendung
Der Begriff Messer leitet sich aus dem
germanischen – „mezzi-sahs“ ab und be-
deutet soviel wie Speiseschwert. Messer
zählen zu den ältesten nachgewiesenen
Hilfsmitteln des Menschen. Anfänglich
aus Stein gefertigt, wurden sie seit dem
Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. in
Bronze gegossen und seit der 1. Hälfte des
1. Jahrtausends v. Chr. vor allem aus Eisen
geschmiedet. Die Griffe wurden vorwie-
gend aus organischen Materialien wie
Holz, Horn oder Leder, seltener aus Me-
tallen hergestellt. Das Messer ist seit jeher
ein Universalgerät, das als Waffe oder
Werkzeug auf der Jagd und bei der Nah-
rungszubereitung zum Einsatz kommt.
Den Besitzer des Messers aus Stronach
kennen wir nicht. Sowohl der Werkstoff
Messing wie auch die reichen Verzierun-
gen weisen es als wertvolle Habe aus. Wir
wissen aufgrund der starken Abnützung,
daß der Eigentümer sein Messer häufig
und über längere Zeit hinweg in Gebrauch
gehabt haben muß. Ist es von einem
Bauern bei der Feldarbeit, von einem Jäger
auf der Pirsch oder von einem Händler auf
seinem Weg über den Iselsberg verloren
worden? Die Annahme, daß es in einem
Zusammenhang mit den Bewohnern der
nur unweit vom Fundort gelegenen Burg
Walchenstein gestanden haben könnte,
kann ausgeschlossen werden. Zur Entste-
hungszeit des Messers war Walchenstein
bereits verlassen und zur Ruine verkom-
men.
Der Messerfund von Iselsberg-Stronach
ist für den Lienzer Talboden von beson-
derer Bedeutung. Er erlaubt uns einen Ein-
blick in die frühneuzeitliche Sachkultur
der im 16./17. Jahrhundert in dieser Re-
gion ansässigen Bevölkerung.
Anmerkungen:
* Leicht veränderte Fassung des Beitrages in: Ar-
chäologie Österreichs, Heft 8/2, 1997, S. 44 bis 46.
1 An dieser Stelle sei Annemarie und Johann Tscha-
peller herzlichst für ihr Entgegenkommen und die
Bereitstellung des Fundes für die Bearbeitung ge-
dankt.
2 Messer wurden im Mittelalter und in der frühen Neu-
zeit vielfach am Gürtel getragen. In manchen Ge-
genden galt das Messer daher sogar als Bestandteil
der Kleidung.
3 Bei einer Spektralanalyse wird der zu untersuchen-
de Stoff mit Hilfe eines ionisierten Gases erhitzt und
dadurch in seine chemischen Bestandteile aufge-
spalten und ionisiert. Die Atome, die im Stoffge-
misch enthalten sind, senden eine spezielle Strahlung
aus. Diese wird im Spektrometer in verschiedene
Wellenlängen aufgespalten. Aus den verschiedenen
Wellenlängen, Spektralfarben, kann auf die in
der Probe enthaltenen Elemente geschlossen
werden.
4 Der griechische Gott Dionysos ist dem römischen
Gott Bacchus gleichzusetzen. Er war der Gott des
Weines, des Rausches und der Fruchtbarkeit. Seine
Feste wurden sehr ausschweifend und ungezügelt
gefeiert.
5 Von den Gold- und Silberschmieden aus Ausburg,
deren Werkstätten vom 16. bis zum 18. Jahrhundert
alle Fürstenhöfe Europas mit Tafelgeschirr, Besteck-
Sets und Tischaufsätzen belieferten, wurden diese
Themen mit Vorliebe zur Dekoration ihrer Kunst-
werke eingesetzt.
6 Meinrad Pizzinini, Lienz. Das große Stadtbuch, Li-
enz 1982, S. 194.
Abb. 4: Detailaufnahme mit der Darstel-
lung eines Hirten.
Foto: HJ. Frommelt
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autoren dieser Nummer:
Kustos Dr. Lois Ebner, Leiter des Museums
der Stadt Lienz, Schloß Bruck, A-9900 Lienz –
Mag. Ulrike Mayr, Archäologie Fürstentum
Liechtenstein, FL-9495 Triesen; A-9991-
Iselsberg 30.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pi-
zzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Mannes angedeutet. Vor seinen Füßen
liegt ein Rind, das an den beiden steil auf-
ragenden Hörnern und den Ohren deutlich
erkennbar ist. Ob es sich bei diesem Mann
um einen Rinderhirten handeln mag?
Auch die Benennung der Figur im oberen
Teil des Griffes ist nicht einfach. Handelt
es sich hier um eine Allegorie, eine antike
Gottheit oder um einen christlichen Engel?
Hirten und Figuren aus dem bacchana-
lischen Themenkreis würden auf eine
Fruchtbarkeits-Symbolik der Darstellun-
gen hinweisen. Die Fruchtbarkeit der
Äcker und der Haustiere ist in der bäuer-
lichen Umgebung lebenswichtig. Sie wurde
und wird durch verschiedenste Riten
während des Jahresablaufes beschworen.
Vielleicht kombinierte aber der Kunst-
handwerker auch nur Motive frei nach
persönlichem Gefallen, ohne eine hinter-
gründige Überlegung. Die starken Abnüt-
zungsspuren lassen im Moment keine
nähere Bezeichnung der Figuren und da-
mit keine eindeutige Auslegung zu.
Datierung
Im 16. und 17. Jahrhundert wurden land-
schaftliche Darstellungen und Hirten-
szenen zu gängigen Abbildungselementen
auf Bestecken. Es wurden auch die Motive