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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
66. Jahrgang –– Nummer 10
Im Jänner 1998 ist nach lan-
ger Krankheit Universitäts-
professor Dr. Wilhelm Alzin-
ger gestorben. Mit Professor
Alzinger verliert die öster-
reichische Archäologie einen
ihrer profiliertesten Reprä-
sentanten in Forschung und
Lehre. Dienstverpflichtet war
Wilhelm Alzinger in wech-
selnder Folge am Institut für
Alte Geschichte und Klassi-
sche Archäologie an der Uni-
versität in Wien, am Öster-
reichischen Archäologischen
Institut und zuletzt aussch-
ließlich am Institut für Klassi-
sche Archäologie an der Uni-
versität in Wien.
Wilhelm Alzingers Schwer-
punkt in der Forschung war die
Beschäftigung mit der römi-
schen und griechischen Archi-
tektur, wobei er auch als einer
der ersten den heute so moder-
nen Weg der Einbindung der antiken
Kunstgeschichte in die jeweilige poli-
tische und gesellschaftliche Zeitge-
schichte betrieben hat. Zu nennen sind
hier in erster Linie die Habilitationsschrift
von Wilhelm Alzinger: „Augusteische
Architektur in Ephesos 1969“, ebenso wie
die umfangreichen Bücher: „Die Ruinen
von Ephesos 1972“ und „Die Stadt des
7. Weltwunders, die Wiederentdeckung
von Ephesos, 1962“.
In seinen Vorlesungen war es Wilhelm
Alzinger immer ein Anliegen, den
Studierenden die Geschichte, das Wesen
und den Sinn der griechischen Architek-
tur nahezubringen und nach seinen eige-
nen Worten: „Die Architektur als Diszi-
plin der antiken Kunstgeschichte darzu-
stellen und vor allem die Einheit von
Baukunst, Malerei und Plastik herauszu-
arbeiten.“
Wilhelm Alzinger hat eine Reihe von
bedeutenden archäologischen Ausgra-
bungen geleitet und betreut, so einige
Jahre lang die Frühjahrs-Campagne in
Ephesos mit den Ausgrabungen an Basi-
lika und Staatsmarkt, weiters die Erfor-
schung des Tumulus-Grabes von Belevi-
Ephesos, die Grabung in Aigeira auf der
Peleponnes und die Grabung in Aguntum
in Osttirol. Hier hat Professor Alzinger
unter schwierigen Bedingungen mit
verhältnismäßig geringen Finanzmitteln
wichtige neue Erkenntnisse zur Ge-
schichte dieser römischen Stadt mitten in
den Alpen gewonnen. In diesem Zusam-
menhang muß auch der enorme Arbeits-
einsatz erwähnt werden, durch den er
nach der großen Hochwasserkatastrophe
die kleine Römerstadt wiederum zum
Leben erwecken konnte; dies bedeutete
nicht weniger als eine neuerliche Aus-
grabung des bereits Ausgegrabenen.
Durch solche Katastrophen ließ sich aber
Prof. Alzinger niemals entmutigen und
erwies sich gerade in Streßsituationen als
umsichtiger Leiter der gesamten Gra-
bung.
Prof. Alzinger verstand es, die Ergeb-
nisse seiner Grabungen klar, einprägsam
und spannend in der Öffentlichkeit dar-
zulegen. Aguntum verdankt Wilhelm
Alzinger auch den umfangreichen Führer
durch die Grabungen, ebenso wie das
große wissenschaftliche Werk: „Das
Municipium Claudium Aguntum. Vom
keltischen Oppidum zum spätantiken
Bischofssitz“, in der Festschrift Tempo-
rini 1977. Über die jährlichen For-
schungsarbeiten in Aguntum
hat Prof. Alzinger regel-
mäßig in den Osttiroler Hei-
matblättern berichtet und so
den Grundstein für eine ver-
tiefte Kenntnis dieses archäo-
logischen Schatzes unserer
Heimat gelegt. In Aguntum
veranstaltete Wilhelm Alzin-
ger öfters auch kleinere Ta-
gungen, bisweilen aber auch
Kongresse mit internationaler
Beteiligung. Ihm wird ver-
dankt, daß die Behandlung der
Grabungen in Aguntum heute
selbstverständlicher Bestand
jeder Vorlesung oder auch je-
der Publikation zum Thema
Römer in den Alpen ist. Für
das Institut für Klassische Ar-
chäologie der Universität In-
nsbruck ist es eine Ehre und
ein Vergnügen, auf den Ar-
beiten von Prof. Alzinger
aufbauen zu dürfen. Für seine
Verdienste um die Wissenschaft in Tirol
wurde er auch mit dem höchsten Tiroler
Orden ausgezeichnet.
Von den Kleinfunden aus der Grabung
von Aguntum liegt auch das noch heute
aktuelle Werk: „Kleinfunde von Agun-
tum“ aus den Jahren 1950 bis 1952 vor,
das leider aus diversen Gründen nicht
fortgesetzt werden konnte. In den Jah-
resheften des Österreichischen Archäo-
logischen Institutes publizierte Prof.
Alzinger laufend Grabungsberichte und
wissenschaftliche Erörterungen zu
Aguntum und Lavant, wie z. B. über
Stadtmauerprobleme von Aguntum, die
Geschichte der Bischofskirche in Lavant,
usw. Den archäologischen Führer durch
Aguntum und Lavant hat Wilhelm Al-
zinger nach vielfach wiederholten Auf-
lagen noch kurz vor seinem Tod erneu-
ert. Prof. Alzinger vereinigt in seinen
Forschungen sein profundes Wissen aus
dem
Bereich
der
Klassischen
Archäologie mit seinen hochspezialisier-
ten Kenntnissen aus der provinzialrömi-
schen Archäologie zu einer eindringlich
verdichteten Wissenschaft.
Wilhelm Alzinger war ein besonderer
Freund der studierenden Jugend, der er
sich mit großem Einsatz angenommen
hat. Er betreute auch jahrelang die öster-
reichischen Stipendiaten am Archäologi-
schen Institut in Athen. Wilhelm Alzin-
ger konnte in privater Runde ein überaus
fröhlicher und unterhaltender Gefährte
sein, dessen Humor von allen geschätzt
wurde. Seinen Schülern war er nicht nur
Lehrer, sondern auch Freund. Sein
Charme und sein Charisma, die er in
kleinem Kreise ausspielen konnte, ist uns
allen unvergessen. Die archäologische
Forschung in Osttirol hat durch den Tod
von Wilhelm Alzinger einen ihrer besten
Köpfe verloren.
Elisabeth Walde
Univ.-Prof. Dr. WilhelmAlzinger zum Gedenken
Titelseite der 1. Auflage (1958) des von
Wilhelm Alzinger verfaßten Führers
durch die Ausgrabungen von Aguntum
und Lavant.
Professor Dr. Wilhelm Alzinger, langjähriger Grabungsleiter in
Aguntum, im Gespräch mit Mitarbeiterinnen; Aufnahme von
1977.
Foto: Michael Forcher