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Nummer 12 –– 66. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
und Habsburgs Aufgabe in Deutschland
sein, Weber war von der Überzeugung ge-
tragen, daß beide nur in engem Verbund
miteinander bestehen könnten. Öster-
reich konnte von deutscher Bildung, phi-
losophischer Tiefe und industriewirt-
schaftlicher
Dynamik
profitieren,
Deutschland hingegen konnte von der
österreichischen Fähigkeit lernen, unter-
schiedliche Nationalitäten und Lebens-
formen flexibel und anpassungsfähig zu
integrieren. Obwohl zutiefst schwarzgel-
ber Österreicher, liebte Weber von Jugend
an die deutsche Kultur, die ihm in Litera-
tur, Dichtung undGeschichte einen steten
Ausweg aus der zuweilen schmerzlich ver-
spürten Enge seiner Existenz gewiesen
hatte. Daher kämpfte er vehement gegen
die Anträge im Oktober 1848, eine Ver-
bindung Österreich-Deutschland nur im
Wege einer Personalunion zuzulassen.
Noch am 22. Jänner 1849 sperrte er sich
in der Debatte heftigst gegen das sich ab-
zeichnende Kleindeutschland: „
Meine
Herren, wir sind daran, etwas sehr Kleines
zumachen. Der Einheitsstaat ist ja v iel zu
k lein, das deutsche Österreich kommt ja
nicht hinein, das halbe Deutschland soll
es sein. Unsere Dev ise ist, das ganze
Deutschland muß es sein.“
All sein Ein-
satz nützte jedoch nichts, die Paulskirche
konzipierte das künftige Reich als
preußisches Erbkaisertum und trug König
Friedrich Wilhelm IV. die Krone an.
3. Webers Vorliebe für eine großdeutsche
Kulturnation unter Einschluß Öster-
reichs war begleitet von einer satten Ab-
neigung gegen Italien. Diese Haltung
stand durchaus im Einklang mit der
Mehrheit seiner Landsleute in Deutsch-
tirol und im gesamten Deutschen Bund.
In den italienischen Staaten war bereits
im Winter 1847/48 die Revolution aus-
gebrochen, zunächst noch unter wohl-
wollender Duldung des jungen Papstes
Pius IX. , ebenso befand sich das öster-
reichische Lombardo-Venetien in vollem
Aufstand. Zunächst in Deutschland
noch begrüßt, schlug die Stimmung ge-
gen die italienische Revolution rasch in
heftige Abneigung gegen die „verräteri-
schen Welschen“ um. Vor allem die na-
tionale Bewegung im italienischspra-
chigen Tirol weckte den Eindruck, daß
hier ein Stück des Deutschen Bundes
wegzubrechen drohte, daß Deutschlands
„Felsenburg“, Tirol, in Gefahr sei. We-
ber verwies warnend auf die Unabhän-
gigkeitsbestrebungen des Trentino, das
auf ein „Los von Innsbruck“ hinarbeite-
te, mittels seiner Abgeordneten
zunächst in Frankfurt, dann auch amWie-
ner Reichstag, bis zum Winter 1848/49
mit beachtlichen Erfolgschancen. Weber
gehörte zu den maßgebenden Deutschti-
rolern, die bereits im Frühsommer gegen
die administrative Teilung des Landes
ankämpften. Hierzu diente eine Unter-
schriftensammlung, zu der er im Früh-
sommer 1848 selbst ins Trentino reiste.
4. Schließlich war Webers öffentliches
Engagement begleitet von einem be-
achtlichen Empfinden für soziale Anlie-
gen. Die Revolution von 1848 war auch
eine soziale Revolution, ein Aufstand der
Armut, der Arbeiter und des Kleinhand-
werks gegen die Folgen der Bevölke-
rungszunahme und der Industriellen Re-
volution. Weber wußte aus eigener fami-
liärer Erfahrung, was Armut bedeutete.
Sein Mitgefühl mit den Ärmsten der Ge-
sellschaft hatte er auch dichterisch ver-
arbeitet, etwa in dem merkwürdigen Ge-
dicht „An Maria. Kommunistenlied“.
Darin klagten die Kommunisten der
Gottesmutter ihr Leid:
– O such uns auf in k rummen Gassen,
– Wo wir, in jedem Herz v erlassen,
– Als zornerfüllte Geister schweifen
– Und k eine Scham und k einen Gott be-
greifen,
– wer starr wie Du am Kreuz des Sohns ge-
sessen,
– Kann uns’re tiefste Not ermessen!
Die grundsätzliche Haltung des Mitleids
und sozialer Anteilnahme war bei Weber
freilich begleitet von einer grundsätzli-
chen Abneigung gegen den Pöbel, der die
rechte Ordnung der Gesellschaft zu stören
drohte. Nur im Wege christlicher Caritas,
nicht jedoch durch politische Mitbestim-
mung sollte den Volksmassen ihr Recht
werden. In diesem Punkt lag Weber auf der
großen Linie des katholischen Klerus, der
sich nur bei einzelnen Exponenten wie
Emanuel Ketteler zu einer durchgreifenden
Kritik am aufsteigenden Industrie-
kapitalismus durchrang.
Weber blieb auch in seiner politischen
Haltung ein „Zwischenmensch“, eine Fi-
gur, die zwischen unterschiedlichen Epo-
chen, politischen Positionen und diver-
gierenden Weltanschauungen vermittelte.
Als Priester, Lehrer, Autor, Publizist und
Politiker war er ein Mann, in dem noch das
18. Jahrhundert – in dessen Spätzeit er ge-
boren war – nachwirkte, während andere
Wert- und Lebenshaltungen voll in der Ge-
genwart verankert waren, ja bereits in die
Zukunft vorauswiesen.
Beda Weber war politisch ein Pionier, ei-
ner der Väter des „politischen Katholizis-
mus“ in Tirol, dem aus Osttirol
späterhin noch Figuren vom Format eines
Ämilian Schöpfer oder Josef Schraffl zu-
wuchsen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
fand die in mehreren Jahresbänden erschei-
nende Reihe „Neues Hausbuch für christli-
che Unterhaltung“ weite Verbreitung. Die
einzelnen Bände, die von Dr. Ludwig Lang
in der B. Schmid’schen Verlagsbuchhand-
lung in München herausgegeben wurden,
waren als Lektüre für die ganze Familie ge-
dacht. Sie enthielten, wie auf der Titelseite
zu lesen steht, „Erzählungen, Novellen, Ge-
dichte, Legenden, Sagen, Reisebeschrei-
bungen, Schilderungen aus dem Kunst-, Na-
tur- undMenschenleben“. Mehrere Autoren
lieferten jeweils Beiträge.
Der sechste Band, der 1861 erschien,
enthält einen Aufsatz von Dr. Hermann
Dreyer mit dem Titel „Weiß und Schwarz,
Schwarz und Weiß. Bilder aus der Heimat
Beda Weber’s“ (S. 1-21)
Die topographische Beschreibung be-
ginnt Dreyer in Prägraten im hinteren Vir-
gental und führt den Leser bis in den Lien-
zer Raum, wobei er auch auf historische
Gegebenheiten eingeht. - In Lienz gedenkt
Hermann Dreyer Beda Webers, der erst we-
nige Jahre zuvor in Frankfurt amMain ge-
storben war:
„Auf einem Spaziergange am link en
Ufer der Isel stromaufwärts wandernd, aber
häufig innehaltend in meinem Gange, um
die prächtige Rundschau zu genießen und
der Freude und Trauer v ergangener Zeiten
in Gedank en einige Augenblick e zu wid-
men, gelangte ich in die Vorstadt von
Lienz, welche den eigenthümlichen Na-
men Rindermark t führt, indem hier vor-
mals große Viehmärk te abgehalten wur-
den. An den einfachen, dorfartigen Häu-
sern vorüber, in ihrer Mitte die k leine
Sank t Michaelsk irche, war in Bälde ein
nicht minder bescheidenes Häuschen er-
reicht, unter dessen Schindeldache ein
Mann geboren wurde, dessen Ruf sich
nicht nur über das Weichbild seines Ge-
burtsortes und die Gränzen seines Hei-
matthales, sondern weit über die Mark en
seines Vaterlandes hinaus, ja über die
ganze katholische Welt verbreitet hat. - -
- Eine alte Jungfer, mit spärlichem, schon
in’s Graue spielendem Haar, runzligem
Angesicht, in dürftigen Bauerngewän-
dern, breitet auf dem Rasen vor dem Hau-
se Wäsche aus: unter den gebildeten Ka-
tholik en wird es wenige geben, welche
niemals von dem Bruder dieser alten Jung-
fer vernahmen, von BedaWeber! Auf dem
Felde der Literatur dürften nur etliche Ti-
roler solche Erfolge errungen haben, wie
er, keiner ist auch außer Tirol so bekannt.
Als der Tod in Folge allzu aufopfernder
Berufstreue den edlen Priester in seiner
Seelsorge zuFrank furt am Main ereilt hat-
te, welche er zunächst seinen rednerischen
Erfolgen im Parlamente während der
Sturmjahre 1848 und 49 v erdank te, wid-
meten ihm sogar an den äußersten nordi-
schen Gränzen deutschen Lebens prote-
stantische Prov inzial-Zeitungen ehrende
Nachrufe, mit gerechterWürdigung seiner
großen Verdienste. Er war in der That ein
Andreas Hofer mit der Feder! Glühendwie
dieser liebte er sein Vaterland und seine
Religion; seine Feder, in diese Gluth ge-
taucht, schrieb Werk e, an denen sich
schon unzählige Herzen entzündeten und
es auch fürder thun werden. Sein ‘Land Ti-
rol und dessen Bewohner’ wird den Tiro-
lern immer als Nationalschatz gelten,
fortk lingen seine ‘Lieder’ durch die deut-
schen Gaue, vom Zahn der Zeit nimmer
zernagt werden seine ‘Cartons aus dem
deutschen Kirchenleben’, und Lienz v er-
dient schon als Geburts-Ort eines solchen
Mannes einem größeren Publikum vor-
geführt zu werden, da es in der That nicht
v iel bekannter ist, als die Thäler Pregra-
ten und Virgen.“
Beda Weber – „ein Andreas Hofer mit der Feder!“