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BUCH
PUSTERTALER VOLLTREFFER
DEZEMBER 2014/JÄNNER 2015
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und Kollegen von ihm waren in
der Garage, um eine kleine
Holzhütte zu zimmern. Jetzt
stand Mair unter schwerem
Schock.
Aus der Garage drang Rauch
und Feuer. Mair war einige
Meter weggeschleudert wor-
den, sein linker Arm hing nur
mehr an einigen Hautfetzen am
Körper. „Als ich halbwegs wie-
der bei mir war, begann ich
panisch herumzulaufen, immer
meinen abgerissenen Arm
mit der rechten Hand haltend.“
Seine Frau Resi hatte es
ebenfalls weggeschleudert,
aber sie wurde nur leicht ver-
letzt.
Gäste rannten aus dem Haus
und realisierten wohl als Erstes
das ganze Ausmaß der Kata-
strophe. Dem 30-jährigen Josef
Wallensteiner zerriss es den
Kopf, sein toter Körper lag in
einer großen Blutlache, ein an-
derer Mann erlitt schwerste
Verletzungen an Augen und
Bein.
Was Mair nicht wusste: Auf
sein Grundstück – besser in
seine Garage – war neben
Holz auch hochexplosives Ma-
terial gebracht worden – zum
Befüllen eines ca. 50 bis 60
Zentimeter langen Böllers für
eine Hochzeit. „Doch Josef
Wallensteiner war nur Zu-
schauer“, betont Mair.
Er bettelte um
seinen Arm
Die Rettungskräfte konnten
nach der Alarmierung den
Unglücksort nicht gleich finden.
„Ein Navigationssystem wie
heute gab es ja damals nicht.
Wertvolle Zeit verstrich“, so
Mair, der ins BKH Lienz einge-
liefert wurde. „Ich flehte und bet-
telte die Ärzte inständig an, mei-
nen Arm zu retten, der bei der
Explosion von einem Eisensplit-
ter abgeschlagen worden war.
Univ.-Prof. Dr. Christoph Papp
machte dann einen Replanta-
tionsversuch, fast die ganze
Nacht lang.“ Danach folgte er-
neut eine OP, bei dem Mair wie-
der sehr viel Blut verlor. Viele
seiner Bekannten und Feuer-
wehrkameraden spendeten Blut,
da die Vorräte im Krankenhaus
fast zur Gänze aufgebraucht
waren. „Für die Prüfung der
Konserven war keine Zeit mehr.
Das Blut rann auf ,direkten
Weg‘ in meinen Körper. Das war
lebensrettend für mich.“ Es
folgten weitere Operationen.
Rund eine Woche später stand
allerdings fest: Der Arm muss
wieder abgetrennt werden. So
schnell wie möglich, sonst
würde Peter Mair sterben. Denn
eine Sepsis sorgte mittlerweile
für große Probleme.
Ein ohrenbetäubender Knall
um 21.30 Uhr – dann war alles
vorbei an diesem 12. Septem-
ber 1985. Der damals 33-jäh-
rige Busfahrer und Landwirt
Peter Mair („Raderle“) hatte
gerade noch bei seiner Garage
in Dölsach Holz zugeschnitten,
Der harte, kalte Unterarm von Mair. „Mit dem dazugehörigen,
aufsteckbaren Haken kann ich mich bei Bedarf beim Bergsteigen
einhängen“, erzählt er.
Es war der zehnte
Hochzeitstag
„In mir brach eine Welt zu-
sammen“, erzählt der Dölsacher,
dem bei vollem Bewusstsein
sein linker Arm wieder abge-
nommen wurde. Nur der Arm
wurde narkotisiert. „Es war der
zehnte Hochzeitstag von meiner
Frau und mir.“ Am 4. Oktober
durfte er wieder heim. „Es war
katastrophal. Ich musste erst ler-
nen Hilfe anzunehmen. Schon
alleine das Nägelschneiden war
nicht mehr möglich. Ich konnte
mich an nichts mehr erfreuen,
obwohl mir sehr wohl bewusst
war, dass ich um Haaresbreite
dem Tod entging und eigentlich
froh sein müsste. Doch ich hatte
schreckliche Angst davor, als
hilfsbedürftiger und arbeitsloser
Invalide nur mehr im Haus da-
hinvegetieren zu müssen und
total von anderen abhängig zu
sein.“ Einen Hoffnungsschim-
mer hatte er erst wieder, als ihm
sein bisheriger Arbeitgeber eine
Stelle als Tankwart in der Post-
garage Lienz anbot. Peter wollte
so schnell wie möglich begin-
nen. Die Wunden waren noch
gar nicht verheilt, stand er mit
einem Arm in der Postgarage.
„Doch damals noch ohne
Prothese tat ich mich bei der Ar-
beit sehr schwer. Wenn mir etwa
was aus der rechten Hand fiel,
wollte ich es mit der linken auf-
fangen. Es war sehr frustrie-
rend.“ Und je näher Weihnach-
ten heranrückte, umso schwerer
lastete sein Schicksal.
Finanzielle Not
Denn die Familie mit mehre-
ren kleinen Kindern und einem
laufenden Hauskredit war durch
den Unfall und in Folge der be-
schränkten Einkommensmög-
lichkeiten mittlerweile in eine fi-
nanzielle Notlage geraten. Am
Vormittag des 24. Dezembers
läutete es dann an der Tür. „Ein
Ehepaar aus der Nachbarschaft
stand vor der Tür. Der Mann war
damals Präsident des Lienzer
Lions Clubs, der unbürokratisch
Menschen hilft, die unschuldig
von einem schweren Schicksals-
schlag getroffen wurden. Das
Paar händigte mir einen namhaf-
ten Geldbetrag aus. Ich war so
dankbar dafür und bin es noch
heute.“ Nachdem die körperli-
chen Wunden halbwegs verheilt
waren, musste Mair in das Reha-
Zentrum Bad Häring. „Dort
wurde mir auch vor Augen ge-
„Ich bettelte um meinen Ar
Peter Mair aus Dölsach
fehlt der linke Arm.
Dieser wurde bei einem
Böllerunglück einfach
weggerissen. Mair war
damals aber nicht der
einzige Betroffene. Ein
Mann starb. Über das
furchtbare Erlebnis und
die Zeit danach schrieb
Mair jetzt ein Buch.
Auch darüber, dass
seine Einarmigkeit ihn
letztlich auf die höchs-
ten Berge der Welt
brachte.
Peter Mair
auf dem
Mont Blanc.