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Tourismus in den Dolomiten
und der einmaligen Landschaft
war diese Bahn eine der schöns-
ten und beliebtesten Bahn-
strecken in den Alpen. Riehl war
ein gebürtiger Bozner und
wirkte am Bau nahezu aller
Eisenbahnlinien in Tirol mit. Er
selbst hatte unter anderem die
Karwendelbahn, die Rittener
Bahn und die Stubaitalbahn ge-
plant und errichtet. In Osttirol
wirkte Riehl an der Drauregu-
lierung, sowie an der Neutras-
sierung der Defereggental- und
Iselsbergstraße mit. Noch bis 29.
September läuft im Übrigen im
Fremdenverkehrsmuseum ,Haus
Wassermann‘ in Niederdorf eine
Ausstellung über diesen Eisen-
bahn- und Straßenbaupionier.“
Sind Sie auf den Radweg
entlang der Dolomitenbahn-
Trasse schon geradelt?
Huber:
„Ja. Von Toblach bis
Cortina, was ein wahres Erleb-
nis ist. Das betrifft zum einen
die mäßige Steigung, die auch
für weniger sportliche Men-
schen zu schaffen ist, und zum
anderen die Landschaft der Do-
lomiten. Mich interessiert na-
türlich aber vor allem der kul-
turgeschichtliche Aspekt. Und
dafür bietet dieser Weg Außer-
ordentliches. Die einstige Trasse
ist zwar aufgrund des neuen
Schotterbelages kaum mehr als
solche erkennbar und es bedarf
– frei nach Karl Baedekers
Motto: ,Man sieht nur, was man
weiß‘ – eines geschulten Auges,
um die Durchlässe, die einsti-
gen Brücken (oft nur mehr als
Ruinen erhalten) oder andere
Eisenbahn-Relikte als solche zu
erkennen. Doch jenseits des
Scheitelpunktes ,Im Gemärk‘
(1.530 m) wird man als Radfah-
rer über die einstige Strecken-
führung anhand zweisprachiger
Informationstafeln aufgeklärt.“
Was erfährt man da?
Huber:
„Etwa Interessantes
über die Aufgaben der Bahn-
wärter: Den Männern oblag ja
die Kontrolle und Überwachung
und damit die Sicherheit der
Strecke, während die Frauen Te-
lefonate führten oder an Stra-
ßenkreuzungen den spärlichen
Autoverkehr aufhalten mussten.
Die Eisenbahnerkinder fuhren –
wie könnte es anders sein – mit
einem draisinenartigen Fahr-
zeug zur Schule.“
Erzählen Sie mehr über die
Trassierung der Bahn.
Huber:
Die Konstruktion der
Bahn war eine technische Meis-
terleistung der Krieg führenden
Parteien. Die Trassierung wurde
von Norden und von Süden
gleichzeitig vorangetrieben –
bezeichnenderweise mit unter-
schiedlichen Spurweiten. An
einer Brücke über dem Ru
Fiedo, unmittelbar vor Ospitale,
findet sich eine Inschrift, die die
Erbauung im August 1918 von
der 29. Eisenbahnkompanie
unter Hauptmann Pruckmüller
vermeldet. Man bedenke: Da-
mals stand Österreich-Ungarn
kurz vor dem Zusammenbruch!“
Es wurden ja auch viele
Kunstbauten errichtet.
Huber:
„Ja. Zu den Kunst-
bauten der Dolomitenbahn zäh-
len zehn Tunnel sowie zwölf
Viadukte, von denen jenes über
den Felizon (60 m lang) einen
atemberaubenden Blick in die
Tiefe bietet. Die beim Rückzug
der Italiener im Herbst 1917 zer-
störte österreichische Konstruk-
tion wurde von italienischen Ge-
nietruppen im Jahre 1919 neu er-
baut und ist bis heute benutzbar.
Unmittelbar nach der Brücke
über den Felizon durchquert
man den beleuchteten Pezzo-
vico-Tunnel. Beim Südportal
bietet sich einem ein prachtvol-
ler Blick auf das Becken von
Ampezzo und die umliegenden
Berge. Die weitere Fahrt führt
durch weite Geröllhalden, die le-
diglich von Legföhren bewach-
sen sind. Der einstige Bahnhof
Fiammes ist original erhalten
und fügt sich mit seinem spitzen
Dach harmonisch in die Ge-
birgslandschaft ein. Nach weni-
gen Kilometern erreicht man
Cortina d‘Ampezzo.“
Und wann erlebte die Dolo-
mitenbahn ihre letzte „Blüte“?
Huber:
Bei den Olympi-
schen Spielen in Cortina im
Jahr 1956. Kurz danach musste
sie sich gegenüber dem Auto-
verkehr geschlagen geben. Im
Zuge der heftigen Debatte rund
um die geplante Alemagna-Au-
tobahn bis nach Toblach bzw.
weiter ins Zillertal tauchte
überraschenderweise auch ein-
mal die Idee auf, die ehemalige
Bahn wieder zu errichten.“
INTERVIEW
PUSTERTALER VOLLTREFFER
SEPTEMBER/OKTOBER 2013
6
Der ehe-
malige
Bahnhof
Ospitale.
Die
Inschrift an
einer
Brücke der
Dolomiten-
bahn nennt
die Erbau-
ung im
August
1918 durch
österreichi-
sche
Soldaten.
Ausstellung
Josef Riehl
Noch bis 29. September läuft die
Ausstellung„Unter Strom“ über den
Eisenbahnpionier Josef Riehl im
Haus Wassermann in Niederdorf.
Öffnungszeiten:
täglich von 16
bis 19 Uhr (montags geschlossen).
Die Ausstellung ist eine Gemein-
schaftsinitiative vom Kuratorium für
Technische Kulturgüter, Bozen und
dem Archiv für Baukunst, Universi-
tät Innsbruck.
Die ehemalige Bahntrasse mit Blick zum Monte Cristallo.
Das Portal des Pezzovico-Felstunnels.