Seite 14 - VO_2012_44

Basic HTML-Version

14
Oberkärntner
VOlltreffer
11. märz 2013
CHrOnIk
MEINE
G
ESCHICHTE
Markus Pucher sorgt in der
Alpinszene mit der ersten
Free Solo-Besteigung des Cer-
ro Torre, einem der schwie-
rigsten Berge der Erde, welt-
weit für Staunen und Aner-
kennung.
Eine gewisse Portion Abenteu-
erlust ist schon nötig, um so
etwas zu machen. Risikobe-
reitschaft nicht. Mentale und
körperliche Kraft, Vertrauen
in sich selber – und die Ein-
sicht, dass umzudrehen keine
Schwäche ist und man auch
dabei ein Erfolgserlebnis ha-
ben kann. Schon „Solo“ zu klet-
tern ist eine besondere Her-
ausforderung. „Alleine in Fels
und Eis zu klettern dauert we-
sentlich länger, weil man sich
ja selber sichern muss. Es gibt
aber noch andere gravierende
Unterschiede zum Klettern in
einer Zweier- oder Dreier-Seil-
schaft, schon allein dadurch,
dass die moralische Unter-
stützung wegfällt“, erzählt der
36-Jährige. „Free Solo“ zu klet-
tern ist dann nochmals eine
Steigerung, denn da wird auf die
Sicherung verzichtet. Man kann
sich nicht den kleinsten Fehler
erlauben. „Ich bin aber keines-
wegs lebensmüde“, schmunzelt
Pucher, „ich will ja meine Tina
und meine beiden Töchter Emi-
ly (8) und Mia (5) wiedersehen!“
Faszination
Was ihn antreibt, was ihn fas-
ziniert, kann er nicht so einfach
beschreiben. Als Jugendlicher
begann er, seine überschüssige
Energie nicht nur in Klettergär-
ten und -steigen im Maltatal,
sondern bald auch bei gefrore-
nen Wasserfällen los zu werden.
„Im Skioverall, mit alten Tou-
renskischuhen und einem Bau-
stellenhelm“, erzählt Pucher la-
chend. Und dann hat ihn eine
Sucht gepackt, die ihn bis heu-
te nicht mehr los gelassen hat.
„Ich spüre, wie ich mit dem Berg
eins werde, komme mir vor wie
auf einem anderen Planeten. Ich
betrachte mich von außen, sehe
mich in der Wand hängen, und
fühle eine unwahrscheinliche Le-
bendigkeit und Energie!“ Bevor
er aber ein solches Abenteuer
angeht, bereitet er sich gründ-
lichst darauf vor – auch mental.
„Den meisten Menschen ist gar
nicht bewusst, wie viel ihr Kör-
per eigentlich leisten kann. Auf
den Kopf kommt es jedoch an.
Wenn ich mir etwas nicht vor-
stellen kann, wird es mir auch nie
gelingen“, sagt der Alpinist. Im-
mer und immer wieder klettert
er die Tour in Gedanken, versetzt
sich in die Situation. Trotzdem
kann es vorkommen, dass etwas
nicht so funktioniert wie geplant.
Das hat er auch schon erlebt. Mit
seinem Freund Toni Ponholzer, ge-
fangen im Patagonischen Inland-
eis. Eine 50-stündige Grenzwan-
derung zwischen Sein und Nicht-
sein – die Hölle
auf Erden. Trotz-
dem ein Erleb-
nis, das er nicht
missen möchte.
Allein schon der
Erfahrung we-
gen, dass man
tatsächlich beim
Gehen schlafen
kann.
Damals
wurde ihm klar:
Wer stehen bleibt, kommt nicht
weiter!
Cerro Torre
Der Cerro Torre (spanisch:
„Turm-Berg“), der sich in Pata-
gonien an der argentinisch-chile-
nischen Grenze befindet, ist auf-
grund seiner steil aufragenden,
glatten Granitwände und der
extrem widrigen Wetterbedin-
gungen nur sehr schwer zu be-
steigen. Vor einem Jahr stand
der Baldramsdorfer schon ein-
mal auf dem Gipfel. Heuer wollte
er mit seinem Freund Markus
Steiner auf diesen gewaltigen
Berg. Doch dann wurde dieser
krank und konnte nicht weiter.
Pucher machte sich alleine auf
den Weg. Nach der Besteigung
schrieb er: „Ich war allein mit
dem Cerro Torre und der Nacht.
Ich fühlte mich sehr gut aufge-
hoben und wusste, hier gehöre
ich hin. Ich kletterte etwas zu
weit rechts und so wurde aus
M5 gleich mal M6 oder schwe-
rer. Ich wusste aber: Wenn ich
es bis hier hin geschafft hatte,
würde ich auch den Rest schaf-
fen. Doch das Schwierigste kam
zum Schluss – eine gut 50 Me-
ter senkrechte, teilweise leicht
überhängende Eiswand. Un-
ter einer Querung befanden
sich 1.000 Meter Luft und das
Eis war brüchig und schlecht.“
Ungesichert, mit eiskalt ge-
frorenen Fingern, Meter für
Meter dem Gipfel entgegen
– aber dann war es geschafft.
„Ich stand auf diesem gewal-
tigen, diesem meinem Traum-
berg. Ich stand ein paar Minu-
ten ganz still da und bedankte
mich beim Cerro Torre!“
„Du bist erst oben, wenn du wieder herunten bist“
Markus Pucher,
Baldramsdorf: