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PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
FEBER/MÄRZ 2013
4
Will man von Bukarest, der
Hauptstadt Rumäniens, nach
Athen in Griechenland, muss
man schon mal rund 1.200 Ki-
lometer hinter sich bringen –
mit dem Auto. Johann Bach-
lechner marschierte die Strecke
zu Fuß ab. Im Balkanfeldzug
war er als junger Mann im Früh-
jahr 1941 bei der 6. Gebirgsdi-
vision unter dem deutschen
war eine große Freude für uns
alle“, erzählt Johann. Streng war
er als Vater, aber auch gerecht
und nett. Zudem war er lustig
und gesellig, hatte oft einen Witz
auf Lager.
Riesen-Lawine
Das Lachen verging ihm aller-
dings am 21. Jänner 1951. „Ich
war gerade beim Schneeschöp-
fen unterhalb unseres Wohnhau-
ses als plötzlich eine riesige La-
wine direkt neben unserem Haus
hinunter krachte und dabei die
Mühle mitriss. Wir hatten Rie-
senglück, dass uns nichts pas-
siert ist. Kinder, die Frau und
meine Schwägerin waren im
Haus. Die Kinder wollten schon
zur Türe hinauslaufen als sich
der Himmel plötzlich verdun-
kelte. Gott sei Dank schafften sie
es nicht hinaus.“
Nach dem Lawinenabgang
hatte die Familie allerdings kein
Korn mehr für die Menschen
und kein Futter für die sechs
Zuchtschweine und 60 kleinen
Ferkel. „Der Futtermeister vom
Bundesheer, der Zulehner Franz,
der Gemeindesekretär und Ver-
teiler der Genossenschaft halfen
uns dann.“ Auch beim Hoch-
wasser 1965 war man auf
fremde Hilfe angewiesen. „Ganz
bekam ich dann ganz arge
Bauchkrämpfe. Mit 41 Grad
Fieber wurde ich ins Lazarett
gebracht. Ein Blinddarmdurch-
bruch wurde festgestellt.“ Aller-
dings ließ das Lazarett-Personal
den jungen Osttiroler Soldaten
gleich wissen: „’Wir haben kei-
nen Arzt hier, der operieren kann
und auch keine Betäubungsmit-
tel. Wenn Sie wollen, können
wir Sie operieren!’ Das war ein
ernst gemeinter Vorschlag“, so
Johann, der ablehnte. „Und dem
Herrn sei Dank. Denn die
Krämpfe ließen mit der Zeit
wieder nach. Offenbar war die
Diagnose falsch gewesen. Ich
konnte das Lazarett bald wieder
verlassen. Eine Woche lang irrte
ich dann alleine herum, um
meine Einheit zu finden.“ Im
Herbst 1941 wurden Schörner
und die 6. Gebirgsdivision an
die Eismeerfront verlegt. Und
somit musste auch Johann wie-
der aufbrechen. Und erneut
waren viele lange Strecken zu
Fuß zu bewältigen und unzäh-
lige Gefahren zu überwinden.
Rückkehr
Nach etlichen schlimmen
Kriegserlebnissen, aber unver-
wundet, konnte Johann 1943
heimkehren. „Und ich musste
nicht wieder einrücken. Denn
man brauchte die Bauern, weil
die Soldaten nichts mehr zu
essen hatten“, erzählt Johann
Bachlechner, der den 1.650
Meter hoch und steil gelegenen
„Pecher“-Hof in Außervillgraten
Johann Bachlechner ist
ein Mensch, der von
Kindesbeinen an harte
Schicksalsschläge ge-
wohnt ist, sich aber nie
unterkriegen ließ. Weder
seelisch noch körperlich.
Unlängst konnte der ge-
bürtige Außervillgrater
mit großer „Gaudi“ und
seinen vielen Kindern
seinen 100. Geburtstag
feiern. Eine seiner prä-
gendsten Lebensphasen
war der Balkanfeldzug
während des Zweiten
Weltkrieges.
Johann Bachlechner.
sein Eigen nannte. Dort hatten
seine Frau und seine Kinder um
ihn gebangt, während er im
Krieg war. „Zu Pech musste man
aber Gott sei Dank keinen Hun-
ger leiden“, erinnert sich Johann.
Man hatte Schafe, baute Ger-
ste an und rollte sie. „Die Gerste
wurde in einem großen Kessel
mit Schafwürsten gesotten und
alle konnten sich satt essen.“
Litt jemand im Dorf Not, konnte
er hinauf zum „Pecher“ gehen.
Dort wurde er von der Familie
aufgenommen und verköstigt.
Große Kinderschar
Johann und seine Frau Anna
waren sehr soziale Menschen.
Die beiden heirateten 1938. „Wir
brauchten allerdings Dispens,
denn wir waren im dritten Grad
miteinander verwandt.“ Anna
stammte aus einem der drei
Nachbarhäuser, vom „Tonlan“.
Das Paar zog eine große Kinder-
schar (11) groß. Der Älteste war
Hansl (heute 73), das jüngste
Kind taufte man Gabi (heute 47).
„Sie kam mit drei Wochen zu uns
von Innsbruck. Meine Frau
wollte unbedingt noch ein elftes
Kind haben und nahm deshalb
Gabi als unser Ziehkind auf. Das
Der Außervillgrater als junger
Soldat.
Er hätte noch „Kriegs-
Oberbefehlshaber Ferdinand
Schörner eingesetzt. „Wer diese
Strecke ohne Ausfall geschafft
hatte, bekam drei Tage Sonder-
urlaub“, erzählt Johann. „Diesen
Sonderurlaub habe ich noch vor
mir“, lacht der mittlerweile
100-Jährige verschmitzt.
„Ziel des Balkanfeldzuges
war es zu verhindern, dass
Großbritannien oder die So-
wjetunion in dieser Mittel-
meerregion Fuß fassen und von
dort aus den geplanten deut-
schen Angriff auf die Sowjet-
union bedrohen können. Der
Balkanfeldzug verzögerte den
Beginn des Krieges gegen die
Sowjetunion um sechs Wochen
und erschwerte den Plan der
Wehrmacht, in einem Blitz-
krieg noch vor Wintereinbruch
Moskau einzunehmen.“
Kapitulation
Am 23. April kapitulierte
Griechenland. „Als auf der
Akropolis dann die griechische
Fahne heruntergerissen und die
Hakenkreuz-Fahne
gehisst
wurde, war ich dabei“, erzählt
Johann. Nach Abschluss des
Feldzuges blieb Schörner mit
seiner Division als Besatzungs-
truppe in Griechenland. Johann
kam auf die Insel Kreta. „Dort