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Nach zweijähriger Bauzeit
und zehn Monate vor dem ge-
planten Bauende konnte die
Bahnverbindung Lienz-Brun-
eck-Franzensfeste am 20. No-
vember 1871 feierlich eröffnet
werden. Tausende Menschen
jubelten vor Ort am Lienzer
Bahnhof. „Böllerschüsse und
ein bengalisches Feuer machten
dem neuen ‚Dampfross‘ Kon-
kurrenz“, schmunzelt Histori-
ker und TAP-Leiter Martin
Kofler. Anstelle eigener Feier-
lichkeiten spendete die Süd-
bahngesellschaft 6.000 Gulden
für arme Menschen entlang der
Pustertalstrecke. „Während des
strengen Winters 1871/72 ver-
suchte man durch die Ausgabe
von heiß gefüllten Wärmfla-
schen in den größeren Statio-
nen zu verhindern, dass die ers-
ten Passagiere als erfrorene
‚Leichen auswaggoniert‘ wer-
den.“
Der Fahrplan von 1913 wies
insgesamt sechs Zugpaare
Lienz-Franzensfeste aus: Am
schnellsten ging es von Lienz
nach Innsbruck in nur rund
viereinhalb Stunden: Lienz ab
um 6.04 Uhr, Innsbruck an um
10.45 Uhr!
Bequem und billig
Abseits der „Sommerfrisch-
ler“ aus Wien oder Triest erfuhr
auch der Güterverkehr mit Ge-
treide, Holz, Kohle oder Vieh
einen großen Aufschwung, war
die Bahn doch schnell, bequem
und billig im Vergleich zum
bisherigen Fuhrwerksverkehr.
Manche Pustertaler Fuhrwerks-
leute versuchten erfolgreich,
jetzt neue Erwerbsmöglichkei-
ten zu erschließen: „Da die
Güter nun auf den Gleisen
transportiert wurden, speziali-
sierte man sich etwa auf die
‚Lieferung‘ der eintreffenden
‚Fremden‘ zwischen Bahnhof
und Hotel“, so Kofler.
Neben Bruneck – als nach wie
vor bestehendes Zentrum – kris-
tallisierte sich immer mehr Lienz
(seit 1868 Bezirkshauptstadt)
als weiterer Knotenpunkt heraus.
Der bekannte Schriftsteller Hein-
rich Noe schrieb in seinem Füh-
rer zur „Kärntner-Pusterthaler
Startschuss für den
Fremdenverkehr
Der Fremdenverkehr setzte
mit der Eisenbahn überhaupt
erst ein. Das dramatische Hoch-
wasser von 1882, das fast
sämtliche Brücken und manche
Gleisanlagen zerstörte, konnte
dies nur kurz unterbinden. „Die
Südbahngesellschaft errichtete
übrigens nicht nur die Eisen-
bahnstrecke mit Gleisen und
Bahnhöfen von Lienz bis Fran-
zensfeste, sondern trat auch
selbst fördernd auf – vor allem
auch durch die Errichtung des
‚Grand Hotels‘ in Toblach
1878“, erzählt der Historiker.
Sowohl für diesen Hotelbau als
auch für alle Hochbauten ent-
lang der Strecke zeichnete Wil-
helm von Flattich verantwort-
lich. „Dies ist in Konnex mit
seiner Zuständigkeit für den
Wiener Südbahnhofsbau und
die Bahnhöfe der Brenner-Ei-
senbahn zu sehen.“
Die Pustertalbahn öff-
nete den Bezirk Lienz
und das Südtiroler Pus-
tertal (mit dem Zentrum
Bruneck) vor über 140
Jahren für die „große
Welt“. Das veränderte
das Leben der Bevöl-
kerung völlig.
Bahnhof von Lienz, um 1885 (Foto: Georg Egger;
Sammlung Eisenbahnfreunde Lienz – TAP)
Bahnhofspersonal Bruneck, um 1920 (Foto: Unbekannt; Sammlung Eisenbahnfreunde Lienz – TAP)
www.tiroler-photoarchiv.eu
„Mit Volldampf ab 1871“
Die große Bedeutung der Pustertalbahn:
PUSTERTALBAHN
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JÄNNER/FEBER 2013
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