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INTERVIEW
PUSTERTALER VOLLTREFFER
DEZEMBER 2012/JÄNNER 2013
5
‚Ich wollte wieder dorthin, wo
ich zu Hause war. Meinen
Wunsch zu äußern hatte ich
nicht den Mut, also lief ich hin-
unter zum Weg, dorthin, wo sie
mich hergebracht hatten. Ge-
duldig setzte ich mich auf den
großen, flachen Stein und war-
tete. Von diesem Blickwinkel
aus betrachtete ich nun den
fremden Ort. Bei mir zu Hause
waren die Berge nicht so be-
drohlich, die Wälder nicht so
dunkel, die Wege nicht so steil
und auch die Luft schmeckte
dort ganz anders. Nein, das
wusste ich jetzt ganz genau,
hier wollte ich auf keinen Fall
länger bleiben. Höchste Zeit,
dass meine Mame mich endlich
abholte… Lange stand ich ein-
fach nur da und wartete. Müde
lehnte ich mich an den Zaun,
die Augen weit in die Ferne ge-
richtet, geradewegs dorthin,
wo der Zug das Tal passiert
hatte. Aus lauter Verzweiflung
warf ich einen Stein nach dem
anderen in den nahen Abgrund.
Mit der Zeit beschlich mich ein
ganz eigenartiges Gefühl, ich
fühlte mich alleingelassen, ver-
lassen, verloren an einem Ort,
wo alles fremd war, und meine
Mame schien nie mehr zu kom-
men. Ich klammerte mich an
den Gedanken, dass sie viel-
leicht den Weg zu diesem Hof
nicht fand, oder sie hatte, wie
so oft, die Nachbarin getroffen
und dabei die Zeit vergessen…
Bitte umblättern
viele ,Tode‘“
und nichtige Vergehen bestraft.
Der Kuhstecken, der normaler-
weise beim Kühetreiben einge-
setzt wurde, wurde auch für die
Züchtigung des kleinen Buben
verwendet.“
Was war Ihnen besonders
wichtig in Ihrem Buch rüber-
zubringen?
Girardelli:
„Ich habe im
Buch versucht seine Gefühle zu
beschreiben, das Ungeheuerli-
che in Worte zu fassen. Auch
vom späteren Leben meines Va-
ters erzählt das Buch, von sei-
nem ersten guten Gewand, von
dem einzigen Brief, den seine
Mutter geschrieben hatte und
der ihm gestohlen wurde, von
den ,Freunden‘, die ihn um sein
Erspartes brachten und von dem
Haus, das er mit seiner Hände
Arbeit aufbaute und das selbst-
erschaffene Heimat für ihn be-
deutete. Und ich habe seine Ge-
danken, seine Traurigkeit und
seine Träume festgehalten, viel-
leicht auch mit dem Hinterge-
danken ihn länger in meinem
Leben zu halten, an dem er viel
zu spät erst teilgenommen hat.“
Verraten Sie uns, was Ihr
Vater Ihnen über seine Ge-
fühlswelt kurz nach der Tren-
nung von der Mutter erzählte.
Girardelli:
„Ich schrieb dies
in meinem Buch auch nieder
mit seinen folgenden Worten:
Hansl Girardelli wartete ein
Leben lang auf die Rückkehr
seiner Mutter, die ihn als klei-
nen Bub bei fremden Men-
schen in Südtirol zurückgelas-
sen hatte, als sie nach Kanada
auswanderte. Sein Vater wollte
nie etwas von ihm wissen.
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