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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
69. Jahrgang –– Nummer 1
Thomas Albrich/Arno Gisinger, Im
Bombenkrieg, Tirol und Vorarlberg
1943-1945, Innsbruck 1992.
Martin Kofler, Osttirol im Dritten
Reich 1938-1945, Innsbruck-Wien 1996.
Meinrad Pizzinini, Lienz. Das große
Stadtbuch, Lienz-Innsbruck 1982.
Im Garten des Hauses Siedlerstraße 1
(Haus Ortner) steht die neuere Auto-Ga-
rage, im Boden durch dicke Bretter abge-
deckt befindet sich der Zugang zum unter-
irdischen Betonbunker, der sonst nur einen
senkrecht gestellten schmalen Luft-
schacht nach außen hat.
Größenangaben: Länge 5 m, Breite 3 m,
Höhe 3 m, Lüftungsschacht 60 x 70 cm,
Decke 80 cm.
(Alle Angaben gerundet, die Dicke der
Außenmauern ist fraglich, weil die ganze
Anlage im Erdreich oberflächenbündig
vergraben ist, wohl auch eingegraben wer-
den musste). Immerhin wurden auch eine
Elektroleitung im Raum und eine morsche
Holzbank gefunden.
Nach Abheben der Fichtenbrettlagen
kam als erstes ein schönes Kartonnest der
Schwarzen Holzameise (Lasius fuligino-
sus), auf der ersten Treppenstufe einge-
klemmt zum Deckbrett in der Größe 30 x
30 x 30 cm zum Vorschein, also ein fast
würfeliger Block. Nach sorgfältiger Ent-
nahme, weil das Material aus zerkautem
Holz und Speichel plus einem Pilz sehr
brüchig ist, kamen Tausende Ameisen. Die
weitere Verwahrung gab Gelegenheit zur
Zählung der Tiere und zur Beobachtung
der einquartierten Kleinkäfer.
Über einige Betonstufen mit viel Säges-
pänen, Staub und Kleinabfall gelangt man
auf den mit Kohlasche gefüllten Boden.
Ringsum sind die Wände kahl, nur einige
kleine Nischen liegen in etwa halber Höhe.
In der schwarzen Bodenasche wurde
kein Lebendmaterial gefunden, wohl aber
von mehreren Tieren vereinzelte Reste.
Ganz vereinzelt krochen Insekten an den
Wänden, mehrere Spinnen fielen sofort
auf und im Kunstlicht leuchteten mehrere
Spinnenkokons auf, die wie Lampions an
der Decke hingen. Die Luft war auch im
Hochsommer angenehm kühl und frisch,
kein Moderduft oder Fäulnisgeruch.
Die aufgesammelten Tiere werden
nachstehend
aufgelistet,
besonders
schwierig gestaltete sich die Art-Zuord-
nung bei Resten von Flügeldecken, Köp-
fen, Beinen etc. Nur in ganz wenigen Fäl-
len konnte keine Art oder lediglich Gat-
tung oder Familie gefunden werden, dies
ist aber nicht außergewöhnlich.
Die Tierarten lassen sich nach folgenden
Ursachengruppen auflisten:
1) Durch den Lüftungsschacht hinunter ge-
fallene Stücke (z. B.: Großlaufkäfer,
Rüsselkäfer) und gut zuzuordnen,
wenn sie noch lebend gefunden wurden
und damit vollständig erhalten waren.
2) Beutetiere der Ameisenkolonie: wohl
der größere Teil der Arten, die wegen
der Kleinheit als ganzes transportiert
werden konnten und im Nest und seiner
Umgebung „verspeist“ wurden, nur die
dicken Skelettteile blieben übrig.
3) Die Ameisen selber mit mehreren Käfer-
Arten, die als Mitbewohner im Nest leben
können, vor allem Arten von Kurzflügel-
käfern, die auch in Freilandnestern
immer wieder vorkommen können.
Systematische Reihung:
Säugetiere:
Maulwurf
(Talpa europaea): ein völlig
vertrocknetes, von Haut umhülltes Skelett
war sehr gut erhalten, offenbar ein nicht
altes Tier, die Zähne waren alle erhalten
und intakt. Das Tier kann schon wegen der
Größe nur über den Luftschacht gestürzt
sein. Nach dem Ableben wurde es bis in
alle Einzelteile durch die Ameisen abge-
fressen. Die Mahlzeit muss länger gedau-
ert haben und doch rasch erfolgt sein, denn
die Ameisen fressen kein faulendes Aas.
Der Schädel wurde herausgelöst zum ge-
naueren Studium.
Asseln:
Kellerassel
(Porcellio scaber): 2 Tiere,
die sich eben in Häutung befanden (be-
stimmt vom Spezialisten Dr. K. Schmöl-
zer, Wiener Neudorf). Im Verzeichnis der
landlebenden Asseln Osttirols (Kofler
1989) wurden in 8 Familien immerhin 20
Formen aufgelistet, von der Kellerassel
aber nur 11 verstreute Fundorte, meist im
Freiland bis etwa 2.000 m (Obstanser Wie-
sen). – Dazu 2 recht junge Tiere, die un-
serer häufigsten Art Trachelipus ratzeburgi
nahe kommen. – In Nestern der o. a.
Ameise lebt nicht selten eine völlig weiße,
kleine Assel (Platyarthrus hoffmann-
seggi), auch in Nestern der Hügelbauen-
den Ameisen (Formica rufa – Gruppe). Sie
war im Bunkernest allerdings nicht ver-
treten, Freilandfunde wären: Schloß
Bruck, Leisach, Tristacher Au, Etschberg,
Weiherburg.
Schnecken:
Offenbar aus dem Garten einge-
schleppte Nahrungstiere, nur 4 Kleinarten:
Kleine Bernsteinschnecke
(Succinella
oblonga), 2 Stück Leerschalen. Die
kleinste einheimische Bernsteinschnecke
(Succineidae) lebt meist an feuchten Bio-
topen bis in die alpine Region und ist die
häufigste dieser Familie.
Gemeine Glattschnecke
(Cochlicopa
lubrica) und
Kleine Glattschnecke
(Cochlicopa lu-
bricella) je 1 Stück. Die erste Art mehr an
feuchten Bereichen der Tallagen und
Auen, die zweite an trocken-warmen Stel-
len und Rasen.
Spinnen:
Höhlen-Kreuzspinne
(Meta menardi):
Wahrscheinlich das interessanteste Tier in
diesem „Biotop aus zweiter Hand“. Meh-
rere Männchen und Weibchen sowie die
Kokons dazu wurden gefunden. Die aus-
gewachsenen Tiere krochen relativ träge
an den Wänden entlang. Mit 14 bis 17 mm
beim Weibchen und 11 bis 13 mm beim
Männchen sind es recht große Spinnen,
allerdings ohne die typische Kreuz-
Zeichnung anderer Arten.
Die Art lebt in Höhlen, aber auch in
dunklen Kellern, Schächten u. ä., meist im
Eingangsbereich, im Winter im Höhlen-
innern ähnlich der Höhlenschrecke
(Troglophilus cavicola). Das Radnetz hat
nur 30 cm Durchmesser und fängt kleine
Fluginsekten, überhaupt ist das Nahrungs-
angebot sehr gering und die Jungtiere
brauchen daher 4 Jahre bis sie ausge-
wachsen sind. Die Weibchen fertigen
einen 2 cm langen, weißen Kokon, der an
einem Fadenstrang aufgehängt ist. Wie
Lampions schweben sie dann an der
Decke, ein phantastischer Anblick!
Der verwendete deutsche Name Höhlen-
Kreuzspinne kommt vom Lebensraum
und der früheren Zuordnung zu den
Kreuzspinnen. Die neue Nomenklatur der
Familie Metidae umfasst bei uns Meta me-
nardi, Metellina mengei, merianae und seg-
mentata sowie Zygiella montana und
Z. stroemi. – Der deutsche Name Höhlen-
spinnen ist reserviert für die Familie Nesti-
cidae mit nur einer Art: Nesticus cellulanus.
Dies nur zur Vermeidung von Unklarheiten
und Klärung der deutschen Namen.
Die Höhlen-Kreuzspinne ist in Osttirol
selten: Ainet-Sonnseite in altem Stollen
(Knappen-Loch), Schloß Bruck im altem
Wasserschloss mehrfach (eine Zucht ge-
lang nicht, weil die Männchen von den
Weibchen als vermeintliche Beutetiere tot-
gebissen wurden, die Weibchen selber
starben auch schon nach zwei Tagen ohne
ersichtlichen Grund). An der Decke des
Wasserspeichers waren viele schöne Ko-
kons. Ein nicht erwachsenes Tier fand sich
bei Lavant in einem hohlen Buchenstrunk
im Mulm. – Alle anderen Arten dieser
Familie konnten öfters als Freilandtiere be-
stätigt werden, allerdings auch Meta meri-
anae zugleich in Ainet und Schloß Bruck.
Schmetterlinge:
Samen-Motte
(Hoffmannophila pseu-
dospretella): Diese Familie (Faulholzmot-
ten) ist mit etwa 100 Arten in Mitteleuropa
vertreten. Die Raupen fressen Blätter oder
Blüten, die zusammengesponnen werden.
Die Samenmotte lebt normalerweise in
Vogelnestern (!), oft auch in Häusern und
greift dort Wolle, Sämereien, Häute und
auch Bücher an: im Beton-Bunker war das
Nahrungsangebot sicherlich am Existenz-
minimum angelangt. Wir konnten mehrere
Gespinste finden und bis zum fertigen Tier
weiterzüchten. Die Puppenhülle war aus
Höhlen-Kreuzspinne, Eikokon.