Seite 8 - H_2001_02-03

Basic HTML-Version

P. Edmund (Josef) Pontiller OSB wurde
im Jahr 1889 geboren. Ungefähr in die glei-
che Zeit fällt eine Beschreibung seiner Hei-
matgemeinde, verfasst von dem zu seiner
Zeit angesehenen Wiener Fachschriftsteller
und Alpinisten Josef Rabl (1844 bis 1923),
der zur Lienzer Gegend und vor allem zu
Dölsach eine besondere Beziehung hatte. Er
war auch Mitbegründer der Sektion Lienz
des Österreichischen Touristen-Clubs. Zu
Rabls alpinistischen Leistungen zählt die
erste (touristische) Ersteigung des Daber-
kögeles in der westlichen Granatspitzgruppe
(1875). Aufgrund seiner Verdienste um den
Tourismus erhielt er im Jahr 1882 die
Ehrenbürgerschaft von Dölsach verliehen.
Von Beruf eigentlich Bankbeamter, lebte
er ab 1874 ausschließlich als alpiner
Schriftsteller und hat als solcher zahlreiche
Aufsätze und selbstständige Publikationen
hinterlassen. Interessant ist seine Schreib-
weise in Bezug auf das „s“, die im Prinzip
der neuen Rechtschreibung entspricht. Das
folgende Zitat über Dölsach ist folgendem
Werk entnommen:
Josef Rabl, Illustrirter Führer durch das
Pusterthal und die Dolomiten mit Ausflügen
in die Glockner-, Venediger-, Rieserferner-
und Zillerthaler-Gruppe (= Hartleben’s
Illustrirter Führer Nr. 7) Wien-Pest-Leipzig
1882, S. 8-12
(M.P.)
„Freundlich und anmuthig ist das Bild von
Dölsach mit der dahinter emporsteigenden
Berglandschaft. Für die letztere sind vor
Allem die zahlreichen Häuser charakterist-
tisch, welche bis hoch hinan auf den grünen
Berghalden stehen …
Der günstigste Punkt zur Uebersicht des
Lienzer Bodens und seines Bergkranzes ist
in Dölsach der die Pfarrkirche umgebende
hochgelegene Ortsfriedhof. Das Dorf Döl-
sach wird durch einen aus wilder Fels-
schlucht hervorbrechenden Bach in zwei
Gruppen geschieden. Bei der östlichen
Gruppe befinden sich die Kirche mit dem
Pfarrhaus und Putzenbacher‘s Gasthof, der
beste weit und breit. Auf der anderen Seite
des Baches liegt unfern der Brücke das Post-
amt Dölsach und beginnt die berüchtigte
Fahrstrasse auf den Iselsberg.
Der bedeutend nähere Fusssteig leitet ober
dem Gasthause links über den Bach und an
einer Felswand ziemlich steil hinan. Rechts
führt ein Fahrweg nach Stronach. Zur Som-
merszeit herrscht in Dölsach ein überaus
lebhafter Fremdenverkehr, da der Iselsberg-
sattel die kürzeste Verbindung mit dem
Möllthale und Heiligenblut eröffnet.
Zumeist kommen die Fremden mit den
Abendzügen, nehmen in Dölsach Nacht-
quartier und machen am nächsten Morgen
zeitlich die Partie über den Iselsberg. Im
Putzenbacher‘schen Gasthause sind Fahr-
gelegenheiten und Reitthiere mit Herren-
und Damensätteln stets zu haben. Auch ein
kleines Vollbad wurde im Vorjahre herge-
stellt. In neuerer Zeit hat Dölsach eben
wegen seines trefflichen Gasthauses als
Sommerfrische Anwerth gefunden und es
sind daher häufig auch Fremde zu längerem
Aufenthalt hier. Die reizende Lage von Döl-
sach und die grosse Zahl angenehmer Spa-
ziergänge und Ausflüge rechtfertigen
diese Vorliebe. Die Fremdenzimmer im
zweiten Stocke haben eine herrliche Aus-
sicht auf die Lienzer Ebene und die Un-
holde. Der Speisesaal des ersten Stockes ist
mit den Hanfstengel‘schen Photographien
Defregger‘scher Meisterwerke geziert; das
Blatt ,Der Besuch‘ (trägt in der Ecke die
Widmung ,Dem Johann Pöschl (Schmid)
zur freundlichen Erinnerung an seinen
Freund Franz Defregger‘; auch liegt ein
Fremdenbuch auf, welches am 7. August
1874 von Josef Mayr durch eine Schilde-
rung des Iselsberges eröffnet wurde, jedoch
nur die behördlich vorgeschriebenen Ein-
tragungen enthält. Wenige Schritte vom
Gasthause liegt der Friedhof, welcher
mittelst mächtiger Mauern dem Berghange
als ebener Platz abgerungen wurde. An der
Mauer links befinden sich die Grabstätten
der Familie Defregger und des bekannten
Bauernarztes Obersteiner, genannt der
Wasler. Die glücklichste Cur dieses vielge-
suchten und zweifelsohne sehr geschickten
Mannes war die Heilung Defregger‘s von
einem Kniegelenksleiden, welches durch
drei Jahre der Kunst der berühmtesten
Aerzte gespottet hatte. Da Obersteiner eine
Honorirung ablehnte, malte ihm Defregger
das berühmte Bild ,Der Zitherspieler‘. Die
Kirche ist neu, im Rundbogenstil erbaut,
und macht durch ihre edle und einfache
Ausstattung einen erhebenden Eindruck. Sie
birgt in ihrem Inneren ein Meisterwerk Def-
reggers, das am linken Seitenaltar befindli-
che Altarblatt, die heilige Familie darstel-
lend. Dölsach war schon im Jahre 1264 eine
Pfarre. Die alte Kirche wurde am 29. Au-
gust 1853 durch einen Brand zerstört. Das
Feuer kam in einem östlich von der Kirche
gelegenen Hause zum Ausbruch und ver-
breitete sich bei heftigem Wind über die
Kirche und die westlichen Häuser. Das
Weitergreifen des Feuers wurde, wie man
erzählt, durch den Luftdruck einer Explo-
sion gehemmt, womit in Karabacher‘s
Hause einige Zentner am Dachboden auf-
bewahrtes Pulver in die Luft flogen. Nicht
uninteressant ist in der Chronik zu lesen,
dass in der Reformationsepoche ein Dölsa-
cher Cooperator, Veit Widerguet mit
Namen, sich mit der Tochter des Pfarrvicars
Coloman Prantner von Lienz feierlich
trauen liess. Die Pfarrgemeinde Dölsach
umfasst die Zugemeinden Stribach, Göri-
ach, Iselsberg, Stronach, Gödnach und
Görtschach. Die Bevölkerung ist fleissig
und von guten Gemüthseigenschaften.
Die jungen Leute sind fröhlich und sang-
lustig, lieben die Jagd und haben auch viel
Sinn für Naturschönheiten. Im Sommer ver-
einigen sie sich oft zu grösseren Gesell-
schaften, um Partien auf den Hochstadl, die
Schleinitz und andere Hochgipfel der Um-
gebung auszuführen, wobei Einige von
ihnen eine ausserordentliche Kühnheit im
Besteigen gefährlicher Felswände entwi-
ckeln. Sie bilden eine Scharfschützen-Com-
pagnie, die im Besitze einer interessanten,
von Kugeln durchlöcherten schon in den
Franzosenkriegen arg mitgenommenen
Tirolerfahne ist. Einen weitreichenden Ruf
hat die vielköpfige Dölsacher Musikcapelle,
welche von dem Schulleiter und Componis-
ten Michael Weisskopf vortrefflich dirigirt
wird. Die Kirchenmusik steht unter Leitung
des trefflichen Pfarrherrn und vorgenannten
Schulleiters auf einer hohen Stufe, so zwar,
dass man wohl im ganzen Pusterthale nichts
Aehnliches zu hören bekommen wird. Das
Klima ist in Dölsach trotz der Nähe eisbe-
lasteter Hochgipfel sehr milde, das bezeugen
die zahlreichen mächtigen Nussbäume und
die vortrefflichen Obstsorten, welche hier
gezogen werden und von denen insbeson-
dere Aepfel und Birnen mit dem berühmten
Meraner und Bozener Obst rivalisiren.“
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
69. Jahrgang –– Nummer 2-3
Dölsach im Jahr 1882
Eine Schilderung von Josef Rabl
Blick auf Dölsach, Holzstich in Josef Rabls Werk „Illustrirter Führer durch das Pus-
terthal und die Dolomiten …“, erschienen 1882.