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geschehen hatte, scheint bald einmal Sache
des Karl von Thieme gewesen zu sein.
Dieser war zwar offiziell nie Besitzer, aber
als Bankfachmann dürfte er sich wohl
nicht auf „Treu und Glauben“ eingelassen,
sondern durch Privatverträge abgesichert
haben.
Mengershausen heiratete 1909 Theresia
Trost von Kuroten, doch die Ehe blieb kin-
derlos. Als Obmann der Sektion Matrei im
Österreichischen Alpenverein von 1901
bis 1912 erwarb sich Mengershausen
große Verdienste um den nun langsam
aufstrebenden Tourismus, bewohnte wei-
ter das Schloss und zog – nach unge-
sicherten Angaben – bald nach dem Ersten
Weltkrieg nach Garmisch-Partenkirchen,
wo er sich mit dem restlichen Geld aus
dem Schlossverkauf eine Privatpension er-
warb. Er ließ aber die Verbindung mit der
Familie Trost lebenslang nie abreißen. Der
offizielle Verkauf des Schlosses an die
Gattin des Karl von Thieme, Elsa geb. von
Witzleben, erfolgte erst am 25. Juni 1921.
Der – wie es im Kaufvertrag heißt –
schon bezahlte Kaufpreis ist mit
28.000 DM angegeben.
Karl von Thieme
Thieme, Mitbegründer und General-
direktor der Münchner Rückversiche-
rungsgesellschaft, muss eine faszinie-
rende, hochgeschätzte und weitum be-
kannte Persönlichkeit gewesen sein.
Von der Münchner Universität mit
dem Ehrendoktorat ausgezeichnet
und vom deutschen Kaiser in den per-
sönlichen Adelsstand erhoben, baute
Karl von Thieme mit einigen Freunden
ein Versicherungsimperium auf, das
damals und auch heute noch europa-
weit berühmt war und ist. Eine hohe
soziale Verantwortung gegenüber sei-
nen Untergebenen und Mitarbeitern –
was damals eine eher seltene Aus-
nahme war – habe ihn ausgezeichnet
und er sei von diesen geradezu verehrt
worden. Seine Geschäftspartner hätten
ihn ob seiner Korrektheit, seinem
klaren Geist und seinem Weitblick in
hohem Maß geschätzt.
Karl von Thieme mag das land-
schaftlich so reizvolle Matreier-
Becken, eingebettet in einen Kranz von
Bergen, und die trotz Armut von Le-
bensfreude und Volkshumor geprägte
Bevölkerung als wohltuenden Gegensatz
zur großen und sicher auch damals schon
beinharten Finanzwelt in der bayerischen
Hauptstadt empfunden haben.
Für den Vater von elf Kindern aus zwei
Ehen, für die Verwandten und seinen gro-
ßen Freundeskreis schien ihm Schloss
Weißenstein mit Park ein geräumiges Ur-
laubsdomizil, das schon damals von
München aus relativ rasch erreichbar war.
Die Besitzrechte müssen intern bald ein-
mal geklärt worden sein, denn schon vor
der Wende zum 20. Jahrhundert ließ
Thieme vom Kunsttischler und späteren
akademischen Bildhauer Virgil Rainer das
Schlosstor, alle Fenster und den Großteil
der Innentüren erneuern und die Räume
wohnlich nach seinem Geschmack ein-
richten. Auf gewinnbringende Vermietung
Die Badezeiten waren genau festgelegt.
Von 6 Uhr bis 9 Uhr Männer, von 9 Uhr
bis 12 Uhr die Damen. Ganztägig und
gegen ein Trinkgeld wurden Kaltduschen
bereitgestellt.
Die Umrechnung der Guldenwährung
jener Zeit in die Schillingwährung im Jahr
2001 ist schwierig bis unmöglich. In un-
serer relativ armen Gegend verdiente da-
mals ein guter Knecht 120 bis 150 Gulden
jährlich, dazu ein Gewand und ein Paar
Schuhe. In wirtschaftlich stärkeren Gebie-
ten, in Städten, für Geistliche, Beamte und
Selbstständige war das Lohnniveau meist
um ein Vielfaches höher als bei uns. Sonst
hätte sich ja wohl kaum jemand Bade-
wochen im Schloss Weißenstein leisten
können.
Gäste aus dem In- und Ausland
Das Schlossbad und Hotel in Matrei er-
freute sich einiger Beliebtheit. Eine um-
fangreiche Gästeliste – wohl zu Werbe-
zwecken in eine kleine Broschüre einge-
arbeitet – weist neben vielen
Adeligen und laut Berufsbezeichnung
wohlhabende Wienerinnen und Wie-
ner, Gäste aus Triest, Budapest, Graz,
Prag, Pilsen, Heidelberg, Dresden,
München und Kalifornien aus.
U. a. hielten sich der Reichsfinanz-
minister Freiherr von Hofmann, der
brasilianische Konsul und der Wiener
Vizebürgermeister Ritter von Newald
mit Familien im Schlosse auf. Es mag
eine illustre Gesellschaft gewesen
sein, die damals Matrei bevölkerte. Die
Gäste weilten in der Regel zwischen
acht Tagen und einem Monat im
Schloss.
1866 Besitzwechsel Vater – Sohn
Nach vielen Investitionen und ver-
mutlich auch Grunderwerb verkaufte
Architekt Franz Poduschka Schloss
Weißenstein um die nach Um- und
Ausbau bescheidene Summe von
1.952 Gulden an seinen Sohn Heinrich,
der vom Beruf Chemiker war, und ver-
einbarte unbeschränkte Benützung für
sich und den Rückfall der gesamten
Liegenschaft an ihn, falls der Sohn frü-
her ableben sollte.
Heinrich Poduschka führte Hotel,
Restaurant und Kurbad 15 Jahre mit
wirtschaftlichem Erfolg und wohl
auch manchen Investitionen weiter.
Dann traf wirklich zu, dass der Sohn vor
dem Vater starb, und das Schlosshotel fiel
laut Kaufvertrag wieder an diesen zurück.
Dieser – inzwischen ein alter Herr – hatte
natürlich weder Interesse noch den Elan
und die Kraft, das Hotel weiterzuführen
und verkaufte das Schloss 1881.
Johann Henninger Schlossherr und
Hotelier von 1881 bis 1896
Johann Henninger war ein vermögender
Wiener Hausbesitzer und führte den
Hotel- und Kurbetrieb zunächst selber
weiter. Nach einigen Jahren scheinen je-
doch Pächter auf. So u. a. ein Dr. Kollwitz
aus Wien. In der Zeit Henningers kommt
es zu dem unglücklichen Um- und Zubau
im Bereich hinter dem Schlosstor, den der
Lienzer Baumeister Viktor Riccardi
plante und 1894/95 ausführte.
Nummer 6 –– 69. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Adalbert Baron Mengershausen mit Gattin Theresia
geb. Trost.
Fotograf unbekannt
Warum Johann Henninger nach dem
sicher nicht billigen Umbau am 14. Jänner
1896 plötzlich verkaufte, ist aus den zur
Verfügung stehenden Unterlagen nicht er-
sichtlich.
Baron Adalbert von
Mengershausen
Er war seit 1894 Pächter des Gastbetrie-
bes und entschloss sich zum Kauf der Lie-
genschaft, die nun aus dem Schloss, dem
umliegenden Park, Wiesen, Weiden und
Wald bestand und – in der Hauptsache von
Poduschka Vater und Sohn erworben –
5.719 Klafter (ungefähr 20,5 ha) an Ge-
samtfläche auswies.
Im Vertrag wurden als Kaufpreis für
Schloss und Grundbesitz 14.000 Gulden
und für die Einrichtung 5.000 Gulden, zu-
sammen also 19.000 Gulden, vereinbart.
Als Anzahlung waren sofort 9.000 Gulden
zu erlegen, der Restbetrag von 10.000 Gul-
den war zu 5 % zu verzinsen und mit
Pfandbrief abzusichern.
Baron Mengershausen war für eine fi-
nanzielle Transaktion dieser Größenord-
nung bei weitem nicht vermögend genug.
Für die Anzahlung nahm Mengershausen
bei der Römerin Dona Lena Login ein
Darlehen auf und kam damit mit der Rest-
zahlung bald in Schwierigkeiten. So kam
es nach kurzer Zeit zum Streit vor dem
Wiener Handelsgericht und erst eine
Pfandrechtübernahme durch Karl von
Thieme der schon vor dem Kauf Gast im
Schlosse war und wohl auch für die Rück-
zahlung des Darlehens an die Römerin
bürgte, konnte der Kauf über die Runden
gebracht werden.
So war Adalbert Baron Mengershausen
offiziell und laut Grundbuch Besitzer auf
Weißenstein und blieb es auch bis 1921.
Allerdings, das Sagen und zu bestimmen,
was mit dem Schlosse und im Schloss zu