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auch die Alltagszwänge des Menschen
Egger-Lienz.
Am Ende seines künstlerischen Weges
nimmt Egger-Lienz in den Lünettenbildern
des von Clemens Holzmeister gestalteten
Sitzungssaales der Industriellen in der
Wirtschaftskammer Tirol in Innsbruck
nochmals das Thema Arbeit in den
„Holzarbeitern“ und den „Balkenträgern“
(1924) auf. Die Zeichnungen sind noch um
die Bewegung ringende Studien, die in
knapper Formulierung die Rhythmik des
Arbeitsprozesses widerspiegeln; in den
Kaseinleinwandgemälden dominiert das
konstruktive Schema. Und ein Resümee
seines „religiösen“ Werkes ist in der Krie-
gergedächtniskapelle bei der Pfarrkirche
St. Andrä in Lienz erhalten. Die Ge-
schichte der Kapellenausstattung mit
Fresken zeigt die zeitgenössische Brisanz
der Kunstauffassung Eggers. Der für die
damalige Zeit ungewöhnlich gestaltete
auferstandene Christus als Mensch wie du
und ich wurde von der Amtskirche nicht
akzeptiert.
Die Werke von Albin Egger-Lienz in
den drei Tiroler Sammlungen vermitteln
eine klangreiche Palette seines Œuvres.
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
69. Jahrgang –– Nummer 10
Christi
Auferstehung,
1923/1924.
Der tote
Christus,
1926.
Sie präzisieren seine Position innerhalb der
österreichischen Kunst des beginnenden
20. Jahrhunderts als realistischer Interpret
des bäuerlichen Alltags, aber auch der
Schrecken des Krieges und der Vereinsa-
mung des Menschen. Albin Egger-Lienz
war ein Schilderer des Menschendasein
und bleibt ein Mahner der Menschlichkeit.
Die Totenmaske, abgenommen vom Boz-
ner Bildhauer Andreas Kompatscher,
zeigt nicht mehr die Verbitterung oder die
Skepsis, von der Egger-Lienz immer wie-
der geprägt war; die Gesichtszüge vermit-
teln Frieden, Hoffnung und Zuversicht –
Zuversicht, dass sein künstlerisches
Werk und Erbe bewahrt bleibt: „Wenn die
Welt untergeht und manche alte Werte und
Begriffe sich verwischen, so steht mein
Werk außerhalb des Rummels, wie ein
Sein für sich.“ (Brief von Egger-Lienz an
Otto Kunz, 1912)
Nach den großen Retrospektiven „Egon
Schiele“ (1998) und „Alfons Walde“
(2001) wird die Stadt Tulln Albin Egger-
Lienz die Referenz erweisen. In Partner-
schaft mit der Stadt Lienz und dem Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum in Inns-
bruck kann somit auch im Osten Öster-
reichs – vor den Toren der Bundeshaupt-
stadt Wien – das Gedenken an Albin
Egger-Lienz wachgerufen werden. Im
Museum Minoritenkloster wird eine reprä-
sentative Auswahl von Egger-Lienz-Wer-
ken zu einer über 70 Gemälde und Grafiken
umfassenden Ausstellung vereint. Bis auf
zwei Gemälde aus dem Heeresgeschicht-
lichen Museum im Arsenal in Wien stam-
men die Werke aus der Lienzer Präsenta-
tion. Insgesamt fünf öffentliche Sammlun-
gen tragen mit ihren Leihgaben zu dieser
Schau in Tulln bei: Das Museum der Stadt
Lienz Schloß Bruck, das Land Tirol, das
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in
Innsbruck, das Heeresgeschichtliche Mu-
seum im Arsenal in Wien, das Historische
Museum der Stadt Wien und die Österrei-
chische Galerie Belvedere in Wien. Nach
der Tullner Präsentation (1. Dezember
2001 bis 1. April 2002) kehren alle aus Ti-
roler Sammlungen stammenden Werke zu-
rück nach Lienz, wo für den Sommer 2002
eine im Konzept ergänzte Egger-Lienz-
Schau auf Schloß Bruck gezeigt wird. Die
Konzeption der Lienzer Ausstellung 2001
bleibt im Wesentlichen gleich, wird aber mit
neuen Kapiteln zum Thema „Egger-Lienz
und Wien“ ergänzt. Von 1899 bis 1911 hielt
sich Egger-Lienz in Wien auf. Die Begeg-
nungen mit der Wiener, aber auch europäi-
schen Kunstszene waren auch entscheidend
für seine künstlerische Entwicklung. Diese
Begegnungen wird der Besucher der Aus-
stellung „Albin Egger-Lienz“ 2002 auf
Schloss Bruck erfahren.
* Dieser Beitrag ist eine geänderte Fassung eines Aufsatzes
in der Zeitschrift „Parnass“, 2001.
Alle Aufnahmen Fotoarchiv des Tiroler
Landesmuseums Ferdinandeum und des
Museums der Stadt Lienz Schloß Bruck.
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Verfassers dieser Nummer:
ao. Univ.-Prof. Dr. Gert Ammann, Direktor des
Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum,
A-6020 Innsbruck, Museumstraße 15.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Piz-
zinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
Der Stadtgemeinde Lienz,
Bürgermeisterin Helga Machne,
sei für die Finanzierung von zwei
Farbseiten dieser Folge der
Osttiroler Heimatblätter herzlich
gedankt. (M. P.)