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streitern notiert. Hier ist die im Bildfeld
dynamische Konzeption im „Haspinger
Anno Neun“ (MSB Lienz) vorweggenom-
men, hier kündigt sich die Konzeption des
monumentalen Gemäldes „Den Namen-
losen 1914“ (1916, Heeresgeschichtliches
Museum im Arsenal, Wien) an. Dann aber
steht die breite Front der Helden in den
Motiven zum Thema „Der Krieg“ (1916,
MSB Lienz) oder „1915“ diesem Schema
entgegen, denn hier dominiert eine pathe-
tische Heroik. Die dynamische Bewegung
des Bildgeschehens im „Haspinger Anno
Neun“ ist von der Diagonale bestimmt.
Wilfried Kirschl hat mit Recht auf
scheinbare Vorbilder für diese „Historien-
bilder“ in den Gemälden Arthur Kampfs
„Choral nach der Schlacht von Leuthen“
bzw. Julien Le Blants „Aufstand der Roy-
alisten in der Vendée“ aufmerksam ge-
macht. Egger-Lienz fand die atmosphäri-
sche Raumbühne in der Natur, nicht im
Guckkasten der Theaterbühne.
Die Charakterisierung der dargestellten
Menschen entnahm er der Realität, seine
Mitmenschen standen ihm Modell: Es
waren Frauen, Männer, Mädchen und Bur-
schen in Osttirol, vor allem aber auch in
Südtirol, Sarnthein, St. Leonhard in Pas-
seier oder in Nordtirol, speziell in Län-
genfeld im Ötztal. Egger-Lienz war dem
bäuerlichen Menschen zugetan, nicht den
städtischen Menschen in München oder
Wien. Er brauchte auch stets den realen
Gegenstand als Vorbild für seine Kompo-
sitionen, die menschliche Figur, das Ant-
litz, die Hände, ja bis hin zu jenem Laib
Brot für „Das Leben“, den er sich aus
Lienz nach Wien senden ließ. Egger-
Lienz skizzierte in den vom Geschehen ge-
zeichneten Personen das jedem eigene
Schicksal, das er in den späten „Gedan-
kenbildern“ so markant aufgreifen und
demonstrieren sollte. Die Dichte der
Menschenmenge in den Frühwerken wird
später zu klar überschaubaren Einzeldar-
stellungen der Personen. In den bewusst
auf das Menschenschicksal abgestimmten
Nummer 10/2001
69. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLÄTTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Die Ausstellung zum Gedenken an den
75. Todestag von Albin Egger-Lienz ist am
4. November 2001 auf Schloß Bruck zu
Ende gegangen. In der Tiroler Landesaus-
stellung 1987 mit dem Thema „Franz von
Defregger und sein Kreis“ nahm Albin
Egger-Lienz als „Schüler“ von Defregger
nur eine untergeordnete Rolle ein. Nun aber
wurde das Werk Eggers in einer repräsen-
tativen Schau dem Publikum vorgestellt.
Die Ausstellung war mit 70.000 Besuchern
die bisher erfolgreichste, die einer einzel-
nen Künstlerpersönlichkeit gewidmet war.
Bei Albin Egger-Lienz bedürfte es
eigentlich keines Gedenkjahres, um auf
seine Bedeutung für die österreichische
Malerei aufmerksam zu machen. Und
doch bot eben die Erinnerung an seinen
Tod am 4. November 1926 – also vor 75
Jahren – Anlass, das Gesamtwerk zu
durchleuchten. Drei öffentliche Sammlun-
gen hatten sich zu diesem Projekt zu-
sammengefunden, um diese bedeutende
Schau zu realisieren: die Sammlungen der
Stadt Lienz auf Schloß Bruck (im Folgen-
den MSB Lienz genannt), des Landes
Tirol und des Tiroler Landesmuseums Fer-
dinandeum (im Folgenden TLMF ge-
nannt) in Innsbruck. Es waren keine Leih-
gaben von anderen Museen oder aus Pri-
vatbesitz – etwa der Sammlung Leopold
Wien – eingebunden. Allein die als Dauer-
leihgaben des Historischen Museums der
Stadt Wien und der Österreichischen Ga-
lerie Belvedere in Wien auf Schloß
Bruck befindlichen Werke waren hier
inkludiert. So war dieser qualitativ hoch
stehende Bestand Garant für eine über-
regional beachtete Schau.
Ausgangspunkt für Eggers Schaffen war
die Zeit, in der er an der Münchner Aka-
demie studierte und eindrucksvolle
Werke wie das „Ave Maria nach der
Schlacht am Bergisel“ (1894/96, TLMF)
und Genreszenen in der Manier von Franz
von Defregger hervorbrachte. Die Nei-
gung von Egger-Lienz für seinen Lands-
mann in München prägte ihn nur eingangs.
Gert Ammann
Albin Egger-Lienz – ein österreichischer
Maler mit europäischer Dimension
*
Ein Rückblick auf die erfolgreiche Ausstellung im Museum Schloß Bruck in Lienz
Albin Egger-Lienz (1868 bis 1926),
Selbstbildnis mit Sportmütze, 1923.
Vielmehr ging Egger-Lienz eigene
Wege, nachdem er an der Münchner Aka-
demie den Einstieg in die Historienmalerei
des späten 19. Jahrhunderts erleben
konnte. Dieser Motivbereich war ihm einst
sein Lebensraum, dem er aber mit gewal-
tigen Schritten entfliehen konnte. Wenn
auch die Tradition der Historienmalerei
durch Carl Theodor von Piloty in Mün-
chen übermächtig war, gelang es Egger-
Lienz, aus dieser Norm auszubrechen. Im
„Kreuz“ (1901, TLMF) vermochte er jenes
Kompositionsschema zu realisieren, das er
später weiter entwickeln konnte: Es ist der
Bruch mit der theatralischen, bühnenhaf-
ten Statik des Motivs, die noch ein wenig
dem „Ave Maria nach der Schlacht am
Bergisel“ anhaftet; im „Kreuz“ ist die be-
wusste Betonung des zufällig gewählten
Bildausschnittes mit den fast aus dem
Bildrahmen herausdrängenden Männern,
das keilförmige Vorpreschen und das
dichte Nachschieben der anonymen
Masse von kriegerisch gestimmten Mit-