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stellung von Fässern, 1 Zimmermeister und
3 Gehilfen, 1 Krätzwascher. Das sind zu-
sammen 72 Personen, wozu noch die ca. 50
Holz- und Kohlearbeiter gezählt werden
müssen. Auf seinem bedeutungsmäßigen
Höhepunkt waren im bzw. für das Mes-
singwerk rund 120 Personen beschäftigt –
und dies bei einer niedrigen Bevölkerungs-
zahl. Nach dem Tiroler Generalkataster von
1782, der erstmals genaue Einwohnerzah-
len angibt, lebten im Bereich der Stadt
Lienz nur 1.506 Einwohner.
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Freilich
kamen mehrere Messingarbeiter von außen,
was in der Stadt nicht gerne gesehen wurde.
Die hauptsächlichen Erzeugnisse der
Lienzer Messinghütte waren Stückmessing,
Bleche und Drahtwaren in verschieden Stär-
ken; auch Kupferdraht wurde hergestellt.
Man kennt auch aussagekräftige Produk-
tionsziffern: In den Jahren vor dem Brand
1609 wurden durchwegs unter 1.000 Zent-
ner Messing erzeugt. Maße und Gewichte
waren bis in die Zeit Maria Theresias nicht
einheitlich. Für eine Umrechnung in heuti-
ges Gewicht darf man wohl den durch
lange Zeit in Österreich am meisten ver-
wendeten Zentner zu ca. 56 kg hernehmen.
Produktionsziffern in Beispielen: Im Jahr
1593 wurde Messing hergestellt im Gewicht
von 873 Zentnern (873 x 56 = 48.888 kg =
ca. 48,8 Tonnen); im Jahr 1599 – 710 Zent-
ner; 1605 – 782 Zentner; 1608 – 440 Zent-
ner; im Jahr nach dem Stadtbrand, 1610 –
nur 255 Zentner. – In der Blütezeit des Un-
ternehmens, in der 2. Hälfte des 18. Jahr-
hunderts verließen jährlich zwischen 1.600
und 1.700 Zentner Messing das Werk: im
Jahr 1787 – 1.943,5 Zentner (= ca. 108,8
Tonnen). Davon wurden exportiert 1.799
Zentner (= ca. 100,7 Tonnen). Während das
Werk Achenrain im Unterinntal in erster Linie
den österreichischen Markt versorgte, wurde
das Lienzer Messing hauptsächlich exportiert.
Speziell die Lienzer Speditionsfirmen Kranz
und Oberhueber lieferten es in den österrei-
chischen Hafen Triest, von wo aus es in die
Levante, den östlichen Mittelmeerraum, ver-
schifft wurde; der Rest blieb im Land.
Bei dieser gewaltigen Produktion musste
das benötigte Kupfer zusätzlich immer mehr
von auswärts besorgt werden, besonders da
der Bergsegen in der Herrschaft Lienz zu
versiegen begann. Es nützte auch nichts,
wenn 1755 durch das Bergwerksdirektorat in
Schwaz das Lesen von zwölf Heiligen Mes-
sen veranlasst wurde, um einen neuerlichen
Bergsegen in Mitteldorf (Virgen) zu erwir-
ken. Konnte Jahrzehnte vorher sogar Kupfer
aus der Herrschaft Lienz in das Werk Achen-
rain geliefert werden, so musste nun das be-
nötigte Metall aus Brixlegg, Kössen und
Jochberg, aus dem südtirolischen Ahrntal
und aus Klausen, weiters aus dem kärntneri-
schen Mölltal und selbst aus Ungarn ange-
fordert werden. – Die eigenen Galmeigruben
an der Jauken in Oberkärnten reichten eben-
falls nicht mehr aus, und so bezog man Gal-
mei zusätzlich aus Raibl, ehemals im Her-
zogtum Kärnten und aus Auronzo.
Die Bewohner der Meranergasse
im 18. Jahrhundert
Für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts
lassen sich einige Aussagen über die soziale
Struktur der Einwohner der Meranergasse
treffen, die auf ihre Weise eine Sonderstel-
lung unter den Lienzer Straßenzügen ein-
nahm. Greift man die Lienzer Häuserbe-
schreibung von 1754 heraus, dann umfasste
die Rotte Meranergasse – dazu zählten auch
die Häuser der Kreuzgasse im Bereich des
Stadttores – insgesamt 32 Häuser, in der
Meranergasse allein 24, und davon gehörten
12, also die Hälfte, zum Betrieb des Mes-
singwerks. Auf die restlichen Häuser findet
man folgende Gewerbe verteilt: Bäcker (2),
Rotgerber, Schuster, Schneider, Hand-
schuhmacher, Huter, Schneider, Schmied,
Binder (2), Färber, eine Obstfratschlerin. –
In dieser Gasse wohnten Bürger, Inwohner
und nur wenige Taglöhner (3). Messing-
arbeiter wohnten auch in den beiden
Häusern Nr. 18 und Nr. 20, die von der
Messingwerkverwaltung zur Unterkunft
von Mitarbeitern angekauft worden waren.
Die Messingarbeiter waren wie die Ge-
werbetreibenden in einer Bruderschaft bzw.
Zunft organisiert. Sie besuchten die gestif-
teten Gottesdienste und nahmen an den Pro-
zessionen mit ihrer weiß-grünen Bruder-
schaftsfahne teil und gingen sogar den üb-
rigen Zünften voran, was für ihr Ansehen in
der Gesellschaft spricht. Sie bildeten freilich
auch die weitaus größte Gruppe.
Auf Grund der vorhandenen schrift-
lichen Quellen ist es möglich, ab den Jah-
ren nach dem Lienzer Stadtbrand bis in die
Endphase des Messingwerks zu Beginn
des 19. Jahrhunderts die Hausbesitzer bzw.
den Wechsel der Eigentümer nachzuwei-
sen. Als verlässliche Quellen dienen:
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Steuerkataster der Stadt Lienz, 1627;
Auflistung der Abgabepflichtigen für
Wachtgeld und Hofsteuer, 1664;
Häuser-Beschreibung der Stadt Lienz,
1754;
Verzeichnis der Hausbesitzer der Stadt
Lienz, 1775;
Wachtgeld- und Hofsteuer-Verzeichnis
des Stadtgerichtes Lienz, 1803.
Vorweg genommen seien die Baulichkei-
ten, die zum technischen Komplex des Mes-
singwerks oder Messinghandels gehörten:
Messinggasse Nr. 19, 21 (BP 150-151):
Guß-, Schmelz- oder Brennhütte, vorher
Leonhard Siberer (erwähnt 1664 und
1803) – Messinggasse Nr. 27 (BP 141):
Schabhaus bzw. Schabstube, vorher in Be-
sitz von Schwizenweger (1664) – Zum
technischen Bereich des Messingwerks ge-
hörten weitere Bauten: Tiroler-Straße 50
(BP 146-147) und Andreas Hofer-Straße 2
(BP 148-149), in denen zwei Hammer-
werke untergebracht waren, während sich
die Galmeimühle südlich der Drauwiere
befand (BP 140). Im ehem. Haus Mühl-
gasse Nr. 10 (BP 138) waren Waschküche
und Bäckerei untergebracht.
In beiden Straßenzügen gehörten nicht
wenige Häuser, die vom Messinghandel aus
Privatbesitz erworben worden sind, wie aus
der folgenden Übersicht zu erkennen ist:
Zunächst die Häuser auf der Südseite:
Messinggasse Nr. 1
(Bauparzelle 126 –
gehörte mit BP 127 zusammen): Hanns
Paurnfeind, Schmied (1627) – Johann Bap-
tista Verzi, Arzt (1664) – Johann Verzi Erben
(1754) – Peter Valtiner, Müller (1775) – Jo-
hann Söllmann (Kollmann?) (1803).
Haus Nr. 3
(BP 127): Hanns Paurnfeind
(„ein Haus so gar schlecht und unerbaut
und eine Handschmitte“, 1627) – keine
Eintragung (1664) – keine Eintragung
(1754) – Rosina Verzin, ledig (1775) –
keine Eintragung (1803).
Haus Nr. 5
(BP 128): Georg Rader,
Bäcker (1627) – Max Oblasser, Bäcker
1664) – Veit Bachlechner, Bäcker (1754) –
Veit Bachlechner, Bürger und Bäcker
(1775) – Hanns Bachlechner (1803).
Haus Nr. 7
(BP 129): Paul Hofstetter
(1627) – Mathias Raster, Rotgerber und
Mathes Lercher, Bäcker (1664) – Blasi
Tschurtschenthaler, Bäcker (1764) – Andrä
Tschurtschenthaler, bürgerlicher Bäcker
und Blasius Außerhofer, Inwohner und
Schuster (1775) – keine Eintragung (1803).
Haus Nr. 9
(BP 135): Helena Ployerin,
Witwe (1627) – keine Eintragung (1664) –
keine Eintragung (1754) – keine Eintra-
gung (1775) – Blasi Außerhofer und Andrä
Tschurtschenthaler (1803).
Haus Nr. 11
(BP 136): Des Georg Klet-
tenhammer in der Gastein selig (= ver-
storben) Erben (1627) – Hansen Dörers
sel. Erben und Christoph Schultes (1664)
– Johann Strasser, Schneider (1754) –
„Schulteshaus“, Johann Putzenbacher, In-
wohner und Seiler und Jakob Hofer, In-
wohner und Säckler (1775) – Johann Put-
zenbacher und Jakob Hofer (1803).
Häuser Nr. 13-15
(BP 137): Messing-
handel, „Verweserhaus“, vorher Christian
Pinter (erwähnt 1627) und Jakob Juden-
OSTTIROLER
NUMMER 3/2012
5
HEIMATBLÄTTER
Bereich
Messinggasse
und Areal des
ehemaligen
Messingwerks,
Ausschnitt aus
der sog. Ur-
mappe, dem er-
sten bildhaften
Kataster von
Tirol, 1859.
Deutlich sind
die Bauparzel-
len-Nummern
zu erkennen.
(Innsbruck,
Vermessungs-
amt)
Foto:
Fotoarchiv
M. Pizzinini