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PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
SEPTEMBER/OKTOBER 2012
33
Sie zählten zu den erfolg-
reichsten Kletterern in den
1930er Jahren – die beiden Brü-
der und Bergführer Toni und
Franz Schranzhofer aus Sexten.
Immerhin hatten sie schon viele
anspruchsvolle Routen in den
Dolomiten erschlossen. Doch
eine fehlte noch, die die Familie
Schranzhofer schon länger be-
wältigen wollte, es bislang aber
nicht geschafft hatte: die Nord-
kante des Zwölferkofels. Schon
der Vater der beiden, Ignaz,
scheiterte.
Geheimnis gelüftet
An einem Tag im Juli 1932
war Franz auf der Dreizinnen-
hütte. Er sollte zwei Herrschaften
auf die Große Zinne führen. Ihm
gegenüber saßen mit Hans Steger
aus Bayreuth und Paula Wiesin-
ger aus Bozen starke Kletterer.
Etwas weiter hockte Dimai aus
Cortina, auch er zur damaligen
Zeit ein hervorragender Kletterer
und Bergführer. Franz war sich
sicher, irgendetwas verheimlich-
ten sie ihm. Geheimnisvoll, ja
nahezu höhnisch, schauten sie
den Franz an, der nervös wurde.
„Vielleicht wagen sie sich in die
Zwölfernordwand?“, fragte er
sich. Als es bald Gewissheit war,
hatte er keinen Nerv mehr für die
Herrschaften, die am nächsten
Tag mit seiner Hilfe auf die
Große Zinne wollten. Er schob
sie kurzerhand noch am Abend
„ab“, lief ins Tal und weckte sei-
nen Bruder Toni.
„Aufstehen!“
„Wir müssen sofort in die
Nordwand, sonst ist sie weg!“,
schrie er aufgeregt. Der Bruder
ließ sich das nicht zweimal
sagen, sprang auf und machte
sich mit dem Bruder hinauf zur
Zsigmondy-Hütte. Damit die
Schranzhofer-Brüder – getreu
dem Motto: „Die wichtigsten
Erstbegehungen in den Sextener
Dolomiten soll heimischen Stars
gelingen, schließlich handelt es
sich hierbei um einer der
schwierigsten Klettereien der
Sextener Dolomiten“ – half
auch der Hüttenwirt ein wenig
mit. Er weckte die siegge-
wohnte Seilschaft Steger/Wie-
singer ein Stündchen später als
ausgemacht.
„Die Wand isch uns!“
Da blieb den Brüdern Zeit für
Vorsprung. Noch im Dunkeln
erreichten sie den Fuß der
Zwölfernordwand. Teils an der
Wand kletternd, ging es den
Kamin hoch. Sie entwickelten
Mordskräfte und verlangten
wie nie zuvor beimVersuch die
Nordkante zu bezwingen alles
von sich ab. Nach einigen Seil-
längen war der Ausstieg des
Kamins an einem großen Stein
erreicht. Bald waren sie in den
Gipfellseillängen.
Haken setzend ging die Klet-
terei weiter. Von unten waren
schon Stimmen zu hören. Franz
war sich sicher, dass diese nur
von Steger und seiner Seilpart-
nerin kommen können. „Die
Wand isch uns!“, rief er eupho-
risch. Mit viel Kraft konnten sie
die steilen Gipfelseillängen
überwinden. Guter Fels machte
sie kletterbar. In neun Stunden
erreichten die beiden den Gipfel,
geschafft und glücklich zu-
gleich. „Die Wand isch unsre ge-
blieben“, sagte Franz zu Toni
strahlend. Erst vier Stunden
später schafften es die „Verfol-
ger“, die Route zu Ende zu ma-
chen. Es schrieb den 30. Juli.
Wanderten aus
Die Schranzhofer-Brüder er-
öffneten 1935 auf dem Vorgip-
fel der Zwölfernordwand auch
die kleine Schranzhofer-Führe,
durchgehend im 6. Schwierig-
keitsgrad. 1940 wanderten die
beiden nach Kirchberg in Tirol
aus. Sieben Jahre später kehrten
sie allerdings in die Heimat zu-
rück und eröffneten am Hoch-
leist die Nordkante im 5.
Schwierigkeitsgrad. Auch diese
Tour zählt zu den Glanzleistun-
gen der Brüder.
Franz und Toni waren auch
Skilehrer. Ersterer gründete
1950 die Skischule am Hahnen-
kamm. Berühmte Gäste wurden
dort unterrichtet. In den späten
50er-Jahren wurde Franz aller-
dings krank und starb 1962 in
Kirchberg. Er hinterließ seine
Frau (87) und fünf Kinder. Einer
davon, Ernst, wurde auch Berg-
führer. Lediglich ein Jahr später
starb auch Toni Schranzhofer an
Magenkrebs. Sein Sohn Toni
betreibt heute eine Gärtnerei in
Kirchberg.
Martina Holzer
Mit ein paar Tricks
wurden sie zu Helden
Toni
und
Franz
Schranz-
hofer
waren
mit
etwas
List die
ersten,
die die
Nord-
kante
des
Zwölfer-
kofels
(3.094
m) be-
zwan-
gen.
Schon früh übte der Ge-
danke, einmal eine Erstbe-
gehung zu machen, einen
großen Reiz auf begeis-
terte Bergsteiger aus.
Auch die Brüder Toni und
Franz Schranzhofer aus
Sexten ließen sich davon
anstecken. In den 30er-
Jahren bezwangen sie die
Nordkante des Zwölferko-
fels (3.094 m), einem der
bekanntesten Gipfel der
Sextener Dolomiten. Um
als erste oben zu sein,
gingen sie gewitzt vor.