Seite 7 - H_2003_07-08

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Vor allem zur Vorweihnachtszeit wird
diese Pflanze vermehrt angeboten und ver-
wendet. Wohnungen, Gräber, Weg-
kreuze, Krippen, Türen u. a. ziert sie dann,
mit silbrigem oder goldigem Überzug ver-
schönt.
Der eigenartigen Pflanze wurden seit
ältesten Zeiten magische Kräfte und
glücksbringende Fähigkeiten zugespro-
chen. Bei den Römern durften nur die
Priester die „heilige“ Pflanze von den Bäu-
men holen und bei Zeremonien verwen-
den. Im Mittelalter bekam sie mehrere
neue Namen wie Donnerbesen, Hexen-
kraut, Kranzkraut bei fast oder ganz Ver-
mählten, denn unter dem Mistelkranz im
Türbogen ist ein Kuss besonders glücks-
bringend. In den grünen Zweigen wohnten
Waldgeister, daher trug man die Stauden
von den Baumkronen in die warme
Stube, damit diese Geister nicht zu kalt be-
kämen. Im Volksglauben galt und gilt
diese Pflanze immer noch als Mittel gegen
Blitzschlag, Krankheiten von Mensch
und Tier sowie gegen Verhexung. Sie fand
sogar Eingang beim Druiden Miraculix im
Asterix-Film: geschnitten mit einer gol-
denen Sichel und dann verwendet als Zau-
bertrank für die Unüberwindlichkeit im
Kampf gegen die schlimmen Römer. In
der nordischen Mythologie war sie ein Tö-
tungsinstrument als Pfeil im Brudermord
der Götter: der blinde Hördur gegen den
schönen Bruder Baldur, trickreich durch
Loki als Mistelholzpfeil eingeschleust.
An sich ist die Pflanze schwach giftig,
verwelkt im warmen Raum bald, die wei-
ßen „Beeren“ fallen ab. Die magische und
mysteriöse Wirkung wird allgemein abge-
leitet von der sehr abweichenden Lebens-
form und Entwicklung.
Sie wächst ausschließlich auf Bäumen
und Sträuchern, aus den schleimig-klebri-
gen Samen (lat. viscum = Mistel, Vogel-
leim) auf den Ästen abgelagert durch den
Kot von Vögeln, vor allem der Mistel-
drossel, wachsen wurzelähnliche Fortsätze
ins Innere und entnehmen dem Wirt Was-
ser und Nährsalze, alle anderen Körper-
stoffe werden selber durch die immer-
grünen Blätter mit ihrem Farbstoff
Chlorophyll erzeugt. Die Zweige wachsen
nicht in Richtung Erdmittelpunkt der
Schwerkraft folgend und die grünen
Sprosse drehen sich nicht zum Licht, daher
entstehen die deutlich kugelförmigen
„Buschn“ mit leicht abbrechenden Ästen.
Sie ist ein klassischer Halbschmarotzer
und Halbstrauch mit gabelig verzweigten
Ästchen, ganzrandigen Blättern und ein-
geschlechtlichen Blüten, getrennt nach
Pflanze, daher zweihäusig, d. h. eine
Pflanze trägt nur männliche, unscheinbare
Blüten, die andere nur weibliche und nur
sie auch die weißen Steinfrüchte.
Die Familie der Mistelgewächse (Lor-
anthaceae) wird in Österreich nur vertreten
durch die sommergrüne Eichenmistel
oder Riemenblume (Loranthus euro-
paeus) in Burgenland, Wien, Niederöster-
reich, Oberösterreich und Steiermark.
Die Laubbaum- oder Laubholzmistel
(Viscum album) kennt man aus allen
Bundesländern, neuerdings werden die
Nadelbaummisteln als Tannenmistel
(Viscum abietis) und Föhrenmistel
(Viscum laxum) als eigene Arten geführt.
Die letzten beiden Arten wurden bisher
in Osttirol vergeblich gesucht, auch
mehrfache Nachfragen bei Förstern und
Händlern blieben erfolglos. An sich
könnten beide noch gefunden werden, sie
sind allerdings nur schwer im Gezweig zu
sehen.
In der Volksheilkunde soll die Pflanze
Verwendung finden bei Epilepsie,
Schwindel, inneren Blutungen; in der
Schulmedizin findet sie Verwendung vor
allem bei Bluthochdruck, Kopfschmerzen
und Schwindel infolge von Herzleiden,
neuerdings zunehmend und erfolgreich als
Extrakt auch bei diversen Krebsleiden!
Verwendet werden nie die Früchte, die
Blätter nur getrocknet (abführend, blut-
drucksenkend, harntreibend, krampflö-
send: innerlich und äußerlich).
In den letzten Jahren wurden während
der Monate Dezember bis März, eben in
den laublosen Zeiten, zahlreiche Zählun-
gen der Mistelvorkommen getätigt. Eine
Vollständigkeit dazu kann nicht gegeben
werden, weil manchmal die Feststellung
des Befalles und deren Zahl schwierig ist
und vereinzelte Vorkommen weit außer-
halb der Siedlungen mitten im Wald re-
gistriert werden konnten, wenn eben ein-
zelne Vögel vom Hauptvorkommen der
Obstgärten Rastpausen auf ganz anderen
Bäumen einlegten.
Keine Eigen-Beobachtungen konnten
wir festlegen für folgende Orte: Drautal
(Arnbach, Sillian, Panzendorf/Heinfels,
Tessenberg, Fronstadl, Hinterburg, Stras-
sen, Geselhaus, Abfaltersbach, Mitte-
wald, Thal, Penzendorf, Schrottendorf,
Bannberg); Kartitsch-Umgebung; Isels-
berg-Pass; Iseltal (Matrei, Hinterau,
Huben-Ort außer Kienburg); offenbar
fehlt diese Art auch im ganzen Kalser-,
Defereggen- und Virgental!
In folgenden Gemeinden oder Ortsteilen
wurden Zählungen mit sehr unterschied-
lichem Erfolg durchgeführt: Lienz-Stadt-
Gebiet mit Patriasdorf, Leisach, Amlach,
Tristach, Debant, Lavant, Göriach, Isels-
berg/Ortsbereich, Nikolsdorf, Nörsach,
Dölsach, Görtschach, Gödnach, Göriach,
Stribach, Thurn, Gaimberg, Grafendorf,
Plojerhof (Schreibform nach Karte und
Bezirkskunde, sonst auch Ploier), Ober-
drum, Gritteldorf, Glanzer Au, Stro-
nach/Ederhof, Ainet, St .Johann, Oblas
beim Tümpel an der Straße nach Ainet,
Kienburg.
Folgende Holz-Pflanzen fanden wir
besiedelt (Baumzahl/Mistelzahl):
Birkengewächse (Betulaceae):
Gewöhnliche Birke (Betula pendula):
nur Amlacher Hof (1/30).
Grauerle (Alnus incana): Lavant, Tris-
tach, Iselsberg u. a. (9/22).
Gewöhnliche Hasel, Haselstrauch (Co-
rylus avellana): Thurn, Oberdrum (3/20).
Rosengewächse (Rosaceae):
Kultur-Birne (Pyrus communis): sehr
häufig in Obstgärten (123/2972!).
Höchste Lagen bei 1.100 m, maximaler
Befall bei 150 Misteln auf einem Baum!
Kultur-Apfel (Malus domestica) eben-
falls vielfach in Obstgärten (129/1116).
Beide Obstsorten in sehr gut gepflegten
Gärten kaum oder gar nicht befallen.
Die Mistel schädigt die Obstbäume
kaum oder nur bei extremem Befall.
Vogelbeere, Eberesche (Sorbus aucupa-
ria): Amlach, Lavant, Gritteldorf (14/57).
Weißdorn (Crataegus monogyna, Ein-
griffel-Weißdorn): Dölsach, Gaimberg
(2/16).
Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus
padus): Thurn, Patrasdorf/Anthof (3/15).
Schmetterlingsblütler,
Bohnenge-
wächse (Fabaceae):
Goldregen (Laburnum anagyroides):
Einzelfall in Lienz, linker Iselkai (1/5).
Ahorngewächse (Aceraceae):
Silber-Ahorn (Acer saccharinum): Ein-
zelfund in Tristach, im Park (1/1).
Berg-, Trauben-Ahorn (Acer pseudo-
platanus): Lienz, Thurn (3/28).
Weidengewächse (Salicaceae):
Kanadische Pappel (Populus x canaden-
sis): Tristach, Lavant, Dölsach. Iselsberg,
Ainet (7/23); der Baum ist eine gepflanzte
Hybridbastard-Züchtung.
Silber-, Weiß-Weide (Salix alba): Döl-
sach/Kreuzwirt, Glanzer-Au (2/6).
Trauerweide (Salix x chrysocoma): nur
an altem Baum in Patriasdorf/Tomaburg
(1/2). Kreuzung von Silberweide (Salix
alba) mit Bruchweide (Salix fragilis).
Salweide (Salix caprea): nur einmal in
Thurn neben der Straße (1/5).
Salix sp., unbekannte Art: Amlach bei
der Kirche (1/8).
Lindengewächse (Tiliaceae):
Sommerlinde (Tilia cordata) und Win-
terlinde (Tilia platyphyllos): auf nur 29
Bäumen insgesamt 648 Misteln, damit nach
Birne und Apfel an dritter Stelle zu reihen.
Massenbefall in Thurn mit ca. 200
Exemplaren und in St. Johann i. W./
Widum (Fotos). Im Iseltal bei Kienburg
der letzte derzeit bekannte Talfund.
Ölbaumgewächse (Oleaceae):
Schmalblatt-Esche (Fraxinus prope an-
gustifolia): nicht sicher zuzuordnende
Hybrid-Kulturform an der Straße beim
Flugplatz Lengberg (1/1), der Baum
wurde inzwischen aus Gründen der Ver-
kehrssicherheit gefällt.
Nummer 7-8 – 71. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Alois Kofler
Die Laubbaum-Mistel (Viscum album)
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: HR
Mag. Dr. Alois Kofler, A-9900 Lienz, Meraner-
straße 3.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Piz-
zinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2a.