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und der einhergehenden Positionierung als
individuelle Künstlerpersönlichkeit in
der heimischen Kunstlandschaft den Weg
in die Zurückgezogenheit suchte. Zum
einen ist es unbestritten, dass eine ge-
schäftstüchtig geleitete Institution der fi-
nanziellen Absicherung weiter entgegen-
kam, als die Familie mit dem Ertrag aus
dem Kunstbetrieb zu versorgen. Zum an-
deren erkannte Hermann Pedit auch eine
tendenziöse Entwicklung in seinen Bildern
wieder, die den Malprozess nur mehr be-
dingt als emphatisch motiviert verstand.
„Durch die regelmäßige Ausstellungs-
präsenz hatte ich keine Zeit mehr zum
Malen und tendierte dazu, mich zu
wiederholen. Ohne Selektionsmöglich-
keit, auch im geistigen Sinn, droht man
sich den Trends von außen anzupassen –
und das wollte ich nicht mehr…“
Die Zurückgezogenheit als Maler kann
durchaus auch als Einkehrakt verstanden
werden, der nicht nur hilft Gedanken zu
ordnen und Konzepte zu gründen, sondern
auch die Sicht aufs Prinzipielle lichtet. In
den 70er- und 80er-Jahren reduzierte sich
die Zeit zum Malen auf wenige Wochen im
Jahr. Es entstanden Arbeiten, die in ihrer
Dramatik und Geistbezogenheit nicht nur
auf Gemütsbewegungen Pedits schließen,
sondern tatsächlich Ausdruck der Ausein-
andersetzung mit philosophisch-religiösen
Thematiken sind, in die naturwissen-
schaftliche Bezüge genauso einfließen
wie geisteswissenschaftliche. Diese spe-
zielle Intonierung findet bis heute, in noch
gesteigerten Kürzeln, ihre bildnerische Um-
setzung. Imaginäre Landschaften, in
denen topographische Formationen wie Ge-
spinste hervorwachsen, wie „Landschaft
im Wandel“ oder „Landschaftsmetamor-
phose“, konkurrieren mit „Guckkasten“-
Morphologien mit Erkennungswert.
„Geisterhafte Berge, Landschaften, Na-
turerlebnisse zeugen von einem dynamisch
evolutionären Prozess, der unabsehbar ab-
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
72. Jahrgang – Nummer 3
an 42 figurativen und 20 nichtfigurativen
Arbeiten, dessen Konzeption vom Beob-
achter und Maler Pedit nicht nur vollsten
physischen Einsatz abverlangte, sondern
auch auf emotionaler Ebene der tiefsten Be-
troffenheit als Resultat traumatischer Auf-
arbeitung verstanden werden kann.
„Ich sehe das Leid der Opfer und die
Tragödie der Täter … Es geht um Verste-
hen. Sind die Menschen am Balkan an-
ders? Es wird mir bewusst, wie normal
diese Menschen sind“
6
, schreibt Hermann
Pedit im Begleittext des zur gleichnamigen
Ausstellungsreihe erschienenen Kataloges.
Die Werksreihe wurde mehr oder weniger
vollständig 1999 in Wien, in Villach, im
Stadtmuseum Schloss Eltz in Vukovar, in
Museen in Osijek und Zagreb, in der Na-
tionalgalerie in Sarajevo, 2000 im Euro-
päischen Parlament in Brüssel, 2001 in
Den Haag und schließlich 2002 im Kul-
turzentrum Mechelen gezeigt.
Das facettenreiche, kreative Potenzial,
das dem heute 70-jährigen Pedit in unein-
geschränkter Manier substanzielle Motive
anbietet, ermöglicht ihm auch für zukünf-
tige Projekte die erforderliche Eindring-
lichkeit bzw. geistige Durchwachsenheit in
seine Malerei einzuarbeiten. Noch im
März 2004 bis zum Herbst gestaltet die
„Art Gallery Marc de Geeter“ im belgi-
schen Blankenberge eine umfangreiche
Personale mit Arbeiten der letzten Jahre.
Als ebenso interessantes Projekt erweist
sich die Herbst/Winter-Ausstellung der
Stiftung Monumental im belgischen Bor-
nem. Neben Hermann Pedit, der mit 60
Bildern präsent sein wird, stellen auf seine
Initiative hin die Bildhauer Georg Loewit
und Lois Anvidalfarei im angrenzenden
Skulpturenpark ihre Plastiken vor.
Das Ergebnis der Auseinandersetzung
mit dem sich über Jahrzehnte kontinuier-
lich verdichteten Konglomerats an Produ-
ziertem offeriert sich schließlich auf ganz
überraschende Weise – das Unbeachtete
moderiert den Zugang zum Subtilen, und
das Plakative stimmt an zum unabwend-
baren Schauen von Geistigem.
Anmerkungen:
1 Die kursiv gehaltenen Passagen beziehen sich auf Ge-
spräche mit Hermann Pedit im Oktober 2003 und Feber
2004.
2 Vgl. Sieglinde Hirn: Vereinigungen und Gruppierungen
der Tiroler Künstler im 20. Jahrhundert, Phil. Diss.,
Innsbruck 1980, Seite 338f. – Tiroler Tageszeitung, 15.
September 1956, Seite 12.
3 Konrad Oberhuber: Verführerische Pracht und Freude,
in: Hermann Pedit. Arbeiten 1954-1997, Innsbruck
1997, Seite 55.
4 Vgl. Tiroler Künstler auf auswärtigen Ausstellungen, in:
Kulturberichte aus Tirol, 130/131, 8. Dezember 1961,
Seite 5.
5 Neue Galerie in Lienz, in: Kulturberichte aus Tirol,
151/152, 4. September 1964, Seite 6. Vgl. Meinrad Piz-
zinini: Viel Interesse, Begabung, Engagement, in: Lienz.
Das große Stadtbuch, Lienz 1982, Seite 536.
6 Ausst. Kat.: Nacht der Seele, 20.9.-2.11.2002, Cultuur-
centrum Mechelen, Hermann Pedit (Hrsg.), Seite 43f.
Vgl. Ausst. Kat.: Nacht der Seele, 27.5.-17.6.2001,
Pulchri Studio Den Haag (Hrsg.).
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autorin: Mag.-phil. Eleonora
Bliem-Scolari, A-6020 Innsbruck, Dr.-Stumpf-
Straße 45a, E-Mail: el.bliem-scolari@gmx.at
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2a.
läuft. Ihre Darstellung bedeutet für mich
auch, ein Weltgefühl auszudrücken.“
Unübersehbar vielfältig ist auch die
Motivwahl Hermann Pedits. Neben land-
schaftlichen Sujets, Porträtdarstellungen
und Aktstudien entdeckt man auch soge-
nannte Körperbilder, Stillleben und musi-
kalisch evozierte Bilder, die einem voll-
kommen ästhetischen Spiel folgen.
„Es sind keine abstrakten Bilder, son-
dern gewachsene Melodien ohne Gegen-
ständlichkeit! Die Farbe gehört zum
Thema und zur Form und unterstützt die
meditative Kleinteiligkeit.“
Die Auflösung der Firma „Pedit Kunst-
handwerk“ Mitte der 80er-Jahre, deren
Schwerpunkt in der kunsthandwerklichen
Metallverarbeitung und in der Herstellung
von Architekturemail lag, war unter ande-
rem dafür ausschlaggebend, dass sich Her-
mann Pedit nach einer gewissen Zeit wie-
der kontinuierlich dem Malen zuwandte.
Bereits 1989 wurde in der Galerie auf
Schloss Porcia in Spittal a. d. Drau eine
Personale ausgerichtet, 1997 wurden Ar-
beiten von ihm im Museum Stift Stams
einem weitläufigen Publikum gezeigt,
2000 „Maler hören Mahler“ im Kultur-
zentrum Toblach und 2001 beteiligte er
sich unter anderem in London in „The
Rossi Gallery“ an einer Gruppenausstel-
lung. 2002 folgte eine Einzelausstellung
mit 127 Bildern aus 50 Jahren im Museum
Ludwig des Staatlichen Russischen Mu-
seums in St. Petersburg.
Als Initial in eine neue Schaffensperiode
kann ein bedrückend tiefgründiger Zyklus
verstanden werden, der die ganze Dramatik
und Grausamkeit des Jugoslawienkrieges
Mitte der 1990er-Jahre thematisiert. Her-
mann Pedit betrat mit maßgeblicher
Unterstützung von Kriegsjournalisten
ehemalige Kriegsschauplätze, war bei
Exhumierungen anwesend und führte Ge-
spräche mit betroffenen Menschen. Es ent-
stand „Nacht der Seele“, ein Kompendium
2000:
„Wie
eine
Sym-
pho-
nie“,
Teil I
der sie-
ben Bil-
der um-
fassen-
den
musik-
indu-
zierten
Reihe,
120 x
120 cm,
Misch-
technik
auf
Leinen.
Alle
Fotos:
Eleo-
nora
Bliem-
Scolari