Seite 4 - H_2005_04-05

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Über diese grotesken Zustände gäbe es
noch viel zu berichten. Tatsache ist, dass
letztendlich alle Fabriksinhaber, ein-
schließlich meines Großvaters, gezwungen
wurden, ihren Besitz aufzugeben.
Bei der Firma GEBRÜDER KURZ-
THALER handelte es sich immerhin um
mehr als 3.000 m
2
bebauter Fläche, weitere
große Grundstücke (mehrere 1.000 m
2
) die
Villa samt Garten, Arbeiterwohnhaus etc.,
plus das gesamte technische Inventar:
Maschinen, Warenlager usw.
Man musste praktisch „übernacht“ alles
zurück lassen und konnte froh sein, nach
Österreich ausreisen zu können. Das war
im Juni 1932.
Frau Dr. Inge Kurzthaler schreibt:
„… die Schwester meines Schwieger-
vaters Trude (sie lebt noch) habe ich schon
vor längerer Zeit befragt. Sie hat mir er-
zählt, dass die ganze Familie quasi über
Nacht flüchten musste, ohne etwas mit-
nehmen zu können. So gibt es z. B. in
unserer Familie keinerlei Fotos mehr.
Der Betrieb wurde den Erzählungen nach
von den Slowenen als Handtaschenfabrik
weitergeführt.“
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Linz – Strohhutfabrik GEBRÜDER
KURZTHALER & COMP.
Hoflieferanten S. K.u.K. Hoheit des
Großherzogs von Toscana
Das ist nicht nur ein aussagekräftiger
Firmenname, sondern auch handfeste
Werbung, die zu einer Rückblende auffor-
dert. In den Fünfzigerjahren des 19. Jahr-
hunderts hat – wie dargestellt – der Auf-
bau der Strohhutfabrik in Marostica statt-
gefunden und einhergehend sich der
Generationswechsel vollzogen. Das Me-
daillon ist ein Hinweis, dass damals den
GEBRÜDERN KURZTHALER die Auf-
nahme von Geschäftsbeziehungen mit
dem österreichischen Adel gelungen ist,
was den Handel mit den Strohhüten aus
der Fabrik in Marostica Werbung und Ab-
satzsteigerung eingebracht haben wird.
Man entschloss sich, eine Filiale in Wels
aufzubauen (1860). Es stellt sich nun die
Frage, weshalb erst 1872 die Filiale in
Linz geschaffen wurde. Die Antwort findet
man, wenn vom Umstand ausgegangen
wird, dass 1868 der Standortwechsel von
Maroastica nach Domzˇale zu bewältigen
war, ehe daran gedacht werden konnte,
eine weitere Zweitniederlassung auf die
Beine zu stellen.
Es war Alois Kurzthaler (geb. 1843),
von dem bereits gesagt wurde, dass er
wahrscheinlich eine führende Rolle in der
Firma GEBRÜDER KURZTHALER inne
hatte und nun in Linz, am 24. April 1872,
für den Standort Franz Josefplatz 28 einen
Gewerbeschein für den Handel mit Stroh-
hüten erhalten ist, der am 15. Dezember
1890 zurückgelegt worden ist.
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Alois Kurzthaler kann um diese Zeit als
„Chef“ der GEBRÜDER KURZTHALER
angesehen werden, der die Hauptniederlas-
sung in Domzˇale und die Neugründung in
Linz in der Hand hat – und wie noch zu
berichten sein wird – die Zweigniederlas-
sung in Salzburg in die Wege leitet. „Er
galt als sehr guter Geschäftsmann und war
angesehen.“ Alois ist der Urgroßvater des
heutigen Firmeninhabers Klaus Kurzthaler
in Linz, ein Bruder zu Johann-Baptist, der
die Filiale in Wels führt und zu Jakob
Kurzthaler (geb. 1849), der dann in Salz-
burg erwähnt wird.
In Linz werden noch zwei Geschäfte
eröffnet. Das eine Geschäft 1873 in der
OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2005
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HEIMATBLÄTTER
Geräte zum Dehnen der Hüte.
Geschäftshaus Illensberger in Wels,
Ecke Ringstraße/Pfarrgasse, in dem sich
die Zweigniederlassung der Gebrüder
Kurzthaler eingemietet hatte.
Foto: Barbara Blaßnig
Spezialbügeleisen zum Bügeln des Hutrandes.
Maschine zum Vernähen der Strohgeflechte zu Hüten.