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seien. Man habe vielmehr erwartet,
dass diese Gerichte aufgrund ihrer
besonderen Situation einen eigenen
Kontrakt abschließen sollten. Unter
Berücksichtigung der vorgebrachten
Argumente der Obristin wolle man
den vorgeschriebenen Salzkonsum für
die Herrschaft Lienz auch nach Einbe-
ziehung der Zugerichte jedoch nicht
erhöhen. Die 1.200 Fuder Salz seien
nun eben entsprechend aufzuteilen. –
Die Untertanen der Gerichte Kals, Vir-
gen und Defereggen wollten jedoch
bessere Zugeständnisse erreichen, und
so intervenierte
16
mit 16. Dezember
1759 für sie – im Einvernehmen mit
dem Herrschaftsverwalter – Josef
Sebastian Payr, Pfleger des Gerichts
an der Lienzer Klause.
Er wendet sich an das Haller Da-
menstift, das neuerlich eine Vermitt-
lung anstreben sollte. Als Beilage sen-
det er eine
„unterthenigiste Demons-
tration“
der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse in den Zugerichten ein. Die
Untertanen dieser Gerichte seien zwar
gehorsam und willig, dem Befehl der
vorgeschriebenen Salzabnahme nach-
zukommen, es sei ihnen aber unmög-
lich, die vorgesehenen Salzquanten zu
übernehmen. Von den 1.200 Fudern
der Herrschaft Lienz seien proportionaliter
für Kals 100, für Virgen 200 und für Defer-
eggen 80 Fuder vorgesehen. Beim hohen
Preis des Haller Salzes könne man sich nur
die notwendigste Menge leisten. Vielleicht
sei doch eine Dispens vom Haller Salz zu er-
langen, was diesen armen Tälern zum Vor-
teil gereiche; das Salzburger Salz könne zu
weit günstigerem Preis jenseits des Tauern
selbst abgeholt werden.
Die Intervention des Damenstiftes zeitigt
dieses Mal Erfolg. Die Entscheidung der
Kammer wird am 28. Dezember 1759 dem
Richter Payr mitgeteilt.
17
Danach werden die
Gerichte Kals und Virgen – jedoch nicht
Defereggen – von der verpflichtenden Ab-
nahme des Tiroler Salzes befreit. Damit
mussten die für diese Täler vorgesehenen
Kontingente auf die übrigen Gerichte der
Herrschaft Lienz aufgeteilt werden. Ein An-
suchen um Reduzierung der Menge von
1.200 Fudern wird nicht genehmigt. Die
Obristin wird aufgefordert, dafür zu sorgen,
dass – abgesehen von den Tälern Kals und
Virgen, die von der Abnahme tirolischen Sal-
zes
„einstweils“
befreit seien – in der Herr-
schaft Lienz kein fremdes Salz zugelassen
und auch der Schmuggel verhindert werde,
da man sonst
„nicht allein mit empfindlicher
Straff zu verfahrn, sondern auch von obbe-
merkter indulgenz widerumen abzugehen
sich veranlasset finden wurde“.
Wann und aus welchemAnlass den Ge-
richten Kals und Virgen doch das Haller
Salz aufgezwungen wurde, ist nicht be-
kannt. Vermutlich um das Jahr 1780, als in
der Herrschaft Lienz zum letzten Mal ein
Streit um das Salz ausbrach. Dabei ging es
nur mehr um die zugeteilten Kontingente
in den Zugerichten Kals, Virgen und De-
fereggen.
18
Auf die Beschwerden der Un-
tertanen hin wurde in diesen Gerichten
eine Salz-Konskription zur Erhebung des
tatsächlichen jährlichen Salzbedarfs ange-
ordnet, die in den Monaten Mai und Juni
1781 durchgeführt wurde. Dabei erfasste
man die Anzahl der Bewohner der einzel-
nen Häuser, der Haustiere, die Größe der
Gründe usw. und die aus bisherigen Erfah-
rungen bekannte jährliche Bedarfsmenge.
Besonders diesen Untertanen musste das
gegenüber dem salzburgischen Salz auf
jeden Fall teuere Haller Salz zwar weiterhin
als Ärgernis erscheinen, um die Monopol-
stellung des Tiroler Salzes wurde aber nicht
mehr diskutiert. Es wurden allerdings Vor-
schläge ausgedacht, wie die Bewohner der
Gerichte Kals, Virgen und Defereggen das
Haller Salz
„am füglichsten“
erhalten könn-
ten. In diesem Sinn war auch an die Errich-
tung eines brauchbaren Wegs über den Stal-
ler Sattel, der das Defereggental mit dem
Antholzer Tal verbindet, gedacht. Damit
wäre die Transportstrecke wesentlich ver-
kürzt worden, was sich Kosten senkend
hätte auswirken sollen.
Dieses Beispiel der in ihren Methoden
immer unnachgiebiger werdenden Durch-
setzung des einheimischen Salzes gegen-
über ausländischem Salz zeigt uns deutlich
die Praktik der wirtschaftspolitischen Maß-
nahmen während des Absolutismus im 17.
und vor allem 18. Jahrhundert. Der Merkan-
tilismus sollte der Vergrößerung des Reich-
tums und damit letztlich der Macht des
Staates dienen. – Es handelt sich hier gewiss
nur um ein kleines Beispiel aus einem der
Randbereiche des Landes Tirol; es lässt sich
aber deutlich die volle Dimension der Härte
erkennen, wie sie die Bevölkerung damals
getroffen hat – und dies demonstriert am le-
bensnotwendigen Produkt Salz.
Anmerkungen:
1 Der Beitrag ist eine überarbeitete und erweiterte Fassung
eines Vortrags beim Internationalen Salzgeschichtekon-
gress des Jahres 1990 in Hall i. T., abgedruckt in: Jean-
Claude Hocquet/Rudolf Palme (Hgg.), Das Salz in der
Rechts- und Handelsgeschichte. Kongressakten/Interna-
tionaler Salzgeschichtekongress, 26. September bis
1. Oktober 1990, Hall in Tirol, Schwaz 1991, S. 147-153.
2Mit den Vereinheitlichungsbestrebungen in diesem Bereich
befasste sich Univ.-Prof. Dr. Franz Mathis (Innsbruck) in
zwei Aufsätzen: Franz Mathis, Die Salzversorgung des
Tiroler Unterlandes vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, in:
Tiroler Heimat 39 (1975), S. 91-99; ders., Die Salzversor-
gung des Tiroler Unterlandes im 16. und 17. Jahrhundert,
in: Erzeugung, Verkehr und Handel in der Geschichte der
Alpenländer, Herbert Hassinger-Festschrift (= Tiroler Wirt-
schaftsstudien 33), Innsbruck 1977, S. 247-258.
3 Otto Stolz, Politsch-historische Landesbeschreibung von
Südtirol (=Schlern-Schriften 40), 1937, S. 651-695.
4 1721 November 3, Innsbruck – Schreiben der Regierung
an den Lienzer Herrschaftsverwalter, Tiroler Landes-
archiv (TLA), Damenstift Hall, Akten XI/16.
5 1721 November 23, Innsbruck – Schreiben der Regie-
rung an den Lienzer Herrschaftsverwalter, TLA, Damen-
stift Hall, Akten XI/16.
6 1722 März 5, Lienz – Bericht des Herrschaftsverwalters
an die Regierung in Innsbruck, TLA, Damenstift Hall,
Akten XI/16; vgl. das Schreiben des Herrschaftsverwal-
ters an das Haller Damenstift, 1722 März 5, Lienz, TLA,
Damenstift Hall, Akten XI/16.
7Mathis, Die Salzversorgung (wie Anm. 2), S. 91.
8 Datierung und Inhalt gehen aus dem folgenden Schrei-
ben hervor. (Siehe Anm. 9)
9 1755 Dezember 6, Wien – Schreiben der Hofkammer an
die Kammer in Innsbruck, TLA, OÖ. Kammer-Kopial-
bücher, Bd. 1395, Geschäft von Hof (Nr. 257), 1755, fol.
329 v ff.
10 1756 November 20, Wien – Schreiben der Hofkammer an
die Kammer in Innsbruck, TLA, OÖ. Kammer-Kopial-
bücher, Bd. 1401, Geschäft von Hof (Nr.258), 1756, fol.
298.
11 (1757 Feber 17), Innsbruck – „Contract“ zwischen der
Regierung in Innsbruck und den Deputierten der Herr-
schaft Lienz, TLA, Damenstift Hall, Akten XI/16.
12Wilhelm Rottleuthner, Alte lokale und nichtmetrische
Gewichte und Maße und ihre Größen nach metrischem
Maß, Innsbruck 1985, S. 90.
13 1757 Juni 7, Lienz – Schreiben der Gemeinden des
Stadt- und Landgerichts Lienz an das Haller Damenstift,
TLA, Damenstift Hall, Akten XI/16.
14 Undatiertes Schreiben des Haller Damenstifts an die Regie-
rung in Innsbruck, TLA, Damenstift Hall, Akten XI/16.
15 1759 November 19, Innsbruck – Schreiben der Regie-
rung in Innsbruck an das Haller Damenstift, TLA, Da-
menstift Hall, Akten XI/16.
16 1759 Dezember 16, Lienz – Schreiben des Josef Sebas-
tian Payr an den Administrator des Haller Damenstiftes,
TLA, Damenstift Hall, Akten XI/16.
17 Geht hervor aus dem Schreiben des Josef Sebastian Payr
an den Administrator des Haller Damenstiftes von 1760
Jänner 3, Lienz, TLA, Damenstift Hall, Akten XI/16.
18 TLA, Cameral-Cattanea Nr. 260.
OSTTIROLER
NUMMER 11/2006
4
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-
blätter“ sind einzusenden an die Redaktion
des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Beginn des Bittgesuchs der Herrschaft
Lienz vom 7. Juni 1757, gerichtet an
das Haller Damenstift als zuständige
Gerichtsherrschaft um Vermittlung bei
der Regierung:
„Ihro Hoch Gräflich Gnaden./Hoch-
gebohrne Reichs Gräfin, Hochgne-
dig, Hoch-/gebietende Frau Obristin
vnd Gerichts Frau/Frau
Daß die Statt- vnd Zuegerichter der
Herr-/schafft Lienz, noch von denen
Firstlich Ger=/zischen
[= Görzi-
schen]
Regierungs Zeithen her, bis
auf/gegenwertige weil ynhe vnd al-
zeith/berechtiget gestanden, die ein-
fuehr/des Salzburgischen Salzes zu-
gebrauchen,/ein solliches ist Eur
Hochgreflich Gnaden/ohne das- vnd
nebemsbei
[!]
auch hochgne-/dig wis-
send, das wür gehorsambiste Suppli-
canten
[= Bittsteller],
gleich dennen
3 Gerichtern/Rattenberg, Kuefstain
vnd Kitz-Pichl,/zu vnßerer Hauß-Not-
turfft eins zue-/khaufft von der Hall
Ihnthallischen
[= inntalischen]
Salz-/
pfannen das salz abzunemen haben/
(sollen). ...“
(Innsbruck, Tiroler Landesarchiv,
Damenstift Hall, Akten XI/16)
Rep.: Meinrad Pizzinini