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OSTTIROLER
NUMMER 11/2005
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HEIMATBLÄTTER
mit 5. März 1722 eingesandt.
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Er – Rost –
habe den Befehl ausgeführt und dem Aus-
schuss des Landgerichts aufgetragen, Haller
Salz zu verwenden und auf das Salzburger
Salz zu verzichten. Er berichtet auch über
Bedenken von verschiedenen Seiten. Im Pro-
tokoll sind die Gegenargumente in einzelnen
Punkten aufgeschlüsselt:
Erstens habe die Herrschaft Lienz seit
Jahrhunderten, seit den Grafen von Görz
als Landesfürsten, das Recht auf Bezug des
Salzes aus Salzburg, so wie ebenfalls die
Gerichte Kufstein, Rattenberg und Kitz-
bühel das Recht zum Bezug ausländischen
Salzes besäßen. Diese zusammen vier Herr-
schaften hätten eben besondere Gewohn-
heiten und Freiheiten, die auch in der tiro-
lischen Landesordnung festgehalten seien.
Zweitens sei das Salz aus Hall, auch
wenn im Pustertal eine Salzfaktorei errich-
tet würde, viel teurer als das Salz, das über
den Tauern komme. Die Bevölkerung der
Herrschaft Lienz sei so arm, dass jeweils
nur
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,
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oder höchstens ein Zentner Salz
eingekauft werden könne. Eine Großab-
nahme sei nicht möglich.
Drittens könne das Salz aus dem salz-
burgischen Mittersill privat unter sehr
geringen Unkosten mit den Saumpferden
über den Tauern herübergebracht werden.
Für die nahe am Übergang liegenden Ge-
richte Virgen mit Defereggen komme eine
Fuhre auf nicht mehr als neun Kreuzer, für
das Landgericht Lienz auf höchstens 16
Kreuzer zu stehen. Die Herrschaft Lienz
sei ohnehin mehr als andere Gegenden in
Tirol mit Zins und Robot belastet, sodass
sie jeder Begünstigung bedürftig sei.
Viertens habe man bei Kauf des Salzes
in Mittersill
„das sonderbahre Benefi-
cium“,
dass die Ware anstelle von barem
Geld in Viktualien, Obst, Korn, Loden,
Tuch usw. beglichen werden könne, wobei
ein doppelter Nutzen erreicht werde. Für
die Bezahlung in Viktualien werde in Mit-
tersill überdies ein Jahr als Frist gesetzt.
Punkt 5 handelt von verschiedenen Be-
günstigungen für die lienzerischen Unter-
tanen bei Begehung des Tauern.
Sechstens könne – entsprechend den von
den Görzer Grafen herrührenden Freihei-
ten – das Salzburger Salz ohne jede Ab-
gabe durch die salzburgische Herrschaft
Windisch-Matrei verfrachtet werden.
Nun folgt eine ausführliche Interpretation
der angeführten Punkte, wobei nur wich-
tigste Bemerkungen herausgegriffen werden
sollen: So erfährt man, dass bei Eigentrans-
port aus Mittersill ein Fuder Salz – je nach
Entfernung des Bestimmungsortes – zwi-
schen 1 fl. 45 kr. und 1 fl. 50 kr. koste. Kaufe
man das Salz bei einem Händler in Lienz,
komme es auf 2 fl. 48 kr. bis 3 fl. Salzburgi-
sches Salz sei also wesentlich günstiger als
das Haller Salz. Nun werden noch weitere
Bedenken aufgezählt: Zwischen den Bewoh-
nern der Herrschaften Lienz und Windisch-
Matrei bestehe ein gutnachbarliches Verhält-
nis, das gestört würde. So fürchtete man die
Unterbindung des Absatzes heimischen
Viehs in den Salzburger Gerichten. Die Säu-
mer würden ja nie leer gehen, sondern auf
demWeg ins Salzburgische Waren exportie-
ren, was bei Aussetzen des Salzhandels wohl
unterbleiben müsse und damit einen finan-
ziellen Schaden bedeute.
Dann wird wiederum mit der Armut bzw.
den schlechten wirtschaftlichen Verhältnis-
sen in der Herrschaft argumentiert, d. h.,
dass eine solche Erschwernis mit Folgen
nicht zu verkraften sei. Nun wird noch ins
Treffen geführt, dass die Gerichte Kufstein,
Rattenberg und Kitzbühel ausländisches
Salz beziehen könnten, wo doch der Weg
von Hall dorthin wesentlich kürzer sei als
der in die Herrschaft Lienz. Überdies
könne dort der Transport sogar auf dem Inn
billig abgewickelt werden. Nach diesen
Überlegungen wird am Schluss unter-
tänigst und gehorsamst die Bitte ausgespro-
chen, die von altersher bestehende freie
Wahl der Salzeinfuhr bestehen zu lassen.
Haben die Argumente überzeugt? Auf
jeden Fall bricht der Schriftverkehr zwischen
der Regierung in Innsbruck und der Herr-
schaftsverwaltung in Lienz ab. Tatsache ist,
dass sich – wie aus späteren Gegebenheiten
erhellt – zu diesem Zeitpunkt das Haller Salz
in der Herrschaft Lienz noch nicht durchge-
setzt hat. Erwähnenswert ist, dass kurze Zeit
später, im Jahr 1724, Bestrebungen anliefen,
in den drei Unterinntaler Gerichten Kufstein,
Rattenberg und Kitzbühel das Tiroler Salz
einzuführen, allerdings mit sehr geringem
Durchsetzungswillen, sodass diesbezüglich
kein Erfolg zu verzeichnen war.
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In den 40er-Jahren des 18. Jahrhunderts
wird neuerlich ein schwacher Versuch zur
Einführung des Tiroler Salzes unternom-
men, doch erst ab 1755 wird mit Macht von
Seiten des absolutistischen Staates durchge-
griffen. Eine Allerhöchste Resolution vom
5. Juli 1755 verbietet für die drei Unterinn-
taler Gerichte und die Herrschaft Lienz den
Import ausländischen Salzes und verpflich-
tet zur Abnahme des Tiroler Produktes.
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Der
Anordnung wird auf jeden Fall zuwenig
entsprochen, da die Hofkammer in Wien
mit 6. Dezember 1755 der Kammer in Inns-
bruck geradezu einen Verweis erteilt:
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Es sei
die Anzeige gemacht worden, dass in den
bewussten Gerichten ungeachtet der Reso-
lution vom 5. Juli immer noch ausländi-
sches Salz verwendet werde, was ihnen vor-
mals gestattet gewesen sei. Es werde bei der
Einfuhr zwar Zoll eingehoben, dennoch sei
der Ertrag aus dem Verkauf des eigenen
Salzes für den Staat weit größer. Und nun
„Manipulation bey den Kaysers Berge“ – Franz Anton von Waldauf hielt in 27 Abbildun-
gen den Arbeitsprozess der Salzgewinnung („Salz-Manipulation“) fest, beginnend mit
dem Abbau im Salzberg, über die Verarbeitung im Sudhaus bis zum Verfrachten des
Salzes; Gouachen, je 120 x 183 mm, 1712/17.
(Innsbruck, Tiroler Landesmuseum FB 2734)
Rep.: Meinrad Pizzinini
Franz A. von Waldauf, „Manipulation bey der alten Pfanne“.