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logie“
der Nikolauskirche in Matrei in
Osttirol und deren archaische Erscheinung
thematisiert wurde, um „das dreidimensio-
nale Erfassungsvermögen des menschli-
chen Auges der Wirklichkeit, des zweidi-
mensionalen Ausschnittes, gegenüberzu-
stellen“.
7
Für 2006 ist bereits eine
gemeinschaftliche Projektpräsentation mit
Paul Renner, Franzobel und Rosa Pock in
der Deutschvilla in Strobl amWolfgangsee
geplant, in der Peter Raneburger die Ge-
schichte der Jugendstilvilla, die im Zwei-
ten Weltkrieg als Festung des BDM galt,
inhaltlich aufbereitet.
Gerade die angesprochene „Vacanz“, sie
fand 1995 das erste Mal im Bregenzer
Wald statt, ermöglichte Peter Raneburger
den intensiven Kontakt zu Künstlergrößen
wie Oswald Wiener, Dieter Roth, Valie Ex-
port, Gottfried Bechtold oder Franzobel.
Dem Treffen folgen Zeiten des produkti-
ven Austausches und der geistigen Berei-
cherung. Die Vorbildwirkung der etablier-
ten Kunstschaffenden liegt für Peter Rane-
burger in deren steten Bereitschaft, sich
geistig über die Grenzen hinaus bewegen
zu wollen. Als durchaus nachahmenswer-
tes Lebensprinzip versteht Raneburger
Dieter Roths Lebensmotto, nämlich „wenn
ich merke, dass ich etwas kann, wechsle
ich zum nächsten …“
8
Kunst im öffentlichen Raum
1998 errang Peter Raneburger gemein-
sam mit Gundolf Leitner für das ein-
gereichte raumgreifende Lichtobjekt
„NENIO“ den ersten Preis und damit ein-
hergehend die Ausführung beim über-
regional ausgeschriebenen Kunstprojekt
der Gewerbeoberschule in Bruneck. An-
dreas Hapkemeyer, einer der Juroren, be-
gründet die Entscheidung u. a. im Begleit-
text: „Kunst am Bau soll im Idealfall keine
Verzierung darstellen, sondern sich in die
Architektur integrieren, Bestandteil von
ihr werden. Das Lichtprojekt von Rane-
burger und Leitner bestätigt dies auf ein-
drucksvolle Weise.“
9
Im Konkreten durch-
zieht ein blauer langgezogener Glaskubus
das Raumsystem der Schule und vermittelt
durch seine wasseroberflächengleiche
Transzendenz den Eindruck einer fluiden
Lichtbahn.
Mit der großformatigen Arbeit „neutral
face“, die als adaptives Verbindungsstück
zweier Wohneinheiten zu verstehen ist,
verwirklichte Raneburger 2000 in Lienz
einen weiteren Beitrag für Kunst im öffent-
lichen Raum.
2002 erteilte die Marktgemeinde Matrei
in Osttirol an den Kunstschaffenden den
Auftrag, die Einfriedungsmauer des Ju-
gendzentrums künstlerisch zu gestalten.
Mit dem Titel „future-code“ bezieht sich
Raneburger vor allem auf das junge Men-
schen verbindende und integrierende Kon-
zept dieses Zentrums. Der im Siebdruck-
verfahren auf großformatige Aluminium-
platten dargestellte Makroausschnitt einer
orangefarbenen Kunstgrasfläche, die am
Rand durch einen Strichcode scheinbar
geometrisiert wird, soll explizit auf die Pro-
blematik des Erwachsenwerdens hinweisen
– in dem Sinn unterliegt schließlich jedes
Chaos seiner natürlichen Regelmäßigkeit.
Ein für Peter Raneburger und Gundolf
Leitner besonders spannendes Projekt soll
im Mai 2006 verwirklicht werden. Auf-
traggeber ist die ASFINAG, die das Bau-
los der Umfahrungsstraße von Strengen
am Arlberg in einem Wettbewerb zur Ge-
staltung ausschrieb und der schließlich von
beiden gewonnen wurde. Der Titel von
Leitner und Raneburgers Arbeit, die den
inneren Bereich eines Kreisverkehrs ob-
jektmäßig zu strukturieren beabsichtigt,
lautet „ROTO“. Das Konzept beschreiben
Peter Raneburger und Gundolf Leitner im
Einreichtext subtil analytisch: „Die Fläche
des Kreisel – die sich ergebende Fläche
des Kreisels – sich ergebend aus Zwecken
und Nutzungen – nicht selbst Grund, son-
dern Rest – nicht nur Rest, sondern zu-
künftig sogar Fläche des Nichts – anony-
mus.“
10
Tatsächlich soll durch die Nach-
ahmung des Rotationsvorganges mit licht-
und baustoffinduzierten Mitteln das Prin-
zip der Entmaterialisierung gedanklich
simuliert werden. In einem Bereich der
nicht mehr Straße ist, gewinnt die Masse
und der Raum an Bedeutung. Eine Reduk-
tion durch die Kreisbewegung soll zur
Auflösung führen – rein mental natürlich.
Wie auch immer man Peter Raneburger
begegnen will, wie man ihn sehen will,
prägnant und einnehmend ist vor allem die
Fähigkeit, seiner Arbeit, vom Malerischen
bis zum Konzeptuellen ein rational indu-
ziertes Weltbild zu unterlegen. Die Ebene
des Emotionalen wird folglich erst später
begreifbar.
Anmerkungen:
1 Peter Raneburger: Heiligenbilder (Deviation. Tagebuch
II), Ausstellungsbuch und Werkbuch 2000, 16-07-99,
Seite 26.
2 Die kursiv gehaltenen Passagen beziehen sich auf Ge-
spräche der Autorin mit dem Künstler im Oktober und
November 2005.
3 Max Müller, Wilhelm Vossenkuhl: Person, in: Hand-
buch philosophischer Grundbegriffe, Seite 1.059-1.070,
München 1974, Seite 1.060.
4 Peter Raneburger: Tagebuch II, 11-07-00, Seite 84.
5 Andrea Schurian: Ergibt das ein Bild?, Einleitung zu:
Tagebuch I – Eine Dreierbeziehung, Ausstellungsbuch
zum Thema Gruppen, 1998.
6 Peter Raneburger: Tagebuch I, 03-07-98, Seite 110.
7 Peter Raneburger: Leere füllt, in: Leere füllt/Paul Ren-
ner: voll in die Leere, 1996, einleitende Bildbeschrei-
bung.
8 Zitat entnommen aus dem Tagebuch I, 19-06-98, Seite 77.
9 Andreas Hapkemeyer: in: Katalog zumWettbewerb, Ein
Kunstprojekt für die Gewerbeoberschule in Bruneck,
1998, Seite 8.
10 Danke an Peter Raneburger für sämtliche zur Verfügung
gestellte Textbeiträge.
Wenn nicht anders angegeben, stammen
die Fotos von Eleonora Bliem-Scolari.
OSTTIROLER
NUMMER 12/2005
4
HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift der Autorin dieser Nummer:
Mag.-phil. Eleonora Bliem-Scolari, A-6020
Innsbruck, Dr. Stumpf-Straße 45 a, E-Mail:
el.bliem-scolari@ gmx.at
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzi-
nini, A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
Der „future code“, Siebdruck auf acht Aluminiumplatten, 200 x 500 x 5 cm, befindet sich an der Einfriedungsmauer im Eingangs-
bereich des Jugendzentrums in Matrei in Osttirol.
Foto: Privat
Gewerbeoberschule in Bruneck: 1998
erhielten Peter Raneburger und Gundolf
Leitner für ihr Lichtprojekt „NENIO“ den
1. Preis beim Wettbewerb, der u. a. von
Peter Weiermair und Andreas Hapkemeyer
juriert wurde.
Foto: Privat