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OSTTIROLER
NUMMER 9/2006
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HEIMATBLÄTTER
es war, die finanziellen Angelegenheiten ab-
zuwickeln. Mit dem Amt wurden durch-
wegs angesehene Lienzer Persönlichkeiten
betraut. Einer der ersten mit Namen be-
kannten Zechmeister war der Lienzer
Maler Sebastian Gerumer.
Das Spital erhielt zahlreiche Geldspen-
den. Der wohl prominenteste Förderer des
Lienzer Spitals ist Kaiser Maximilian I., der
mit 2. Oktober 1512 einen Jahrtag für den
im Jahr 1500 verstorbenen Graf Leonhard
von Görz-Tirol und seine Gattin Paola Gon-
zaga stiftete, verbunden mit reichen Almo-
sen für die Armen im Spital. Der Betrag der
Stiftung machte jährlich 60 Gulden aus und
wurde aus den Mauteinnahmen von Ober-
drauburg bezahlt. Aus der überlieferten
„Instruction fir einen Spittal Kirchprobst zu
Lienz“
aus der Zeit um 1700 erfahren wir
einiges über die feierliche Durchführung
des Jahrtags, der am Leonarditag (6. No-
vember) gehalten worden ist. Zu bezahlen
waren Geistliche,
„Musicanten, Orgeltretter
und Schuelerpueben“
als Singknaben. Mit
einer längeren Unterbrechung wurde die
Stiftung Kaiser Maximilians I. bis in das
19. Jahrhundert eingehalten.
Unter den Stiftern traten natürlich auch
die Freiherrn von Wolkenstein-Rodenegg,
seit 1501 Inhaber der Herrschaft Lienz, her-
vor, indem sie immer wieder Belehnungen
zu Gunsten des Spitals durchführten. In
einem Besitzverzeichnis ist jedoch auch
vermerkt, dass Veit von Wolkenstein zwar
1.000 Gulden zugesagt, aber bisher nicht
übergeben habe! Oder zum Beispiel verlieh
der Abt des Klosters Ossiach in Kärnten,
der in der Lienzer Gegend über Besitz ver-
fügte, dem Lienzer Bürgerspital im Jahr
1597 ein Gut in Schlaiten.
Die wirtschaftlichen Grundlagen wurden
überdies laufend verbessert durch Real-
besitz der eingepfründeten Personen bzw.
durch die „Pfründgelder“ und auch Stiftun-
gen in Form von Gründen usw. oder Geld,
womit das Thema der Aufnahme in das
Spital angeschnitten wird:
Der Aufnahme ging die Ausstellung eines
„Pfründbriefes“ voraus, in dem die beson-
deren Bedingungen wie Geldsummen, zu
übergebende Gründe usw. unter Zeugen
genau festgelegt worden sind. Die Höhe der
Einpfründungssumme betrug vom 16. bis
ins 18. Jahrhundert im Normalfall 150 Gul-
den pro Person. Gesiegelt wurde der Brief
vom Lienzer Stadtrichter. – Bei Einpfrün-
dungen um den üblichen Geldbetrag oder
entsprechenden Realbesitz wurden von Sei-
ten des Spitals keine Bedingungen gestellt.
Als echte soziale Einrichtung stand das Spi-
tal aber auch nichtbegüterten Lienzern zur
Verfügung. Waren zu wenig oder gar keine
Mittel vorhanden, musste der/die Aufzuneh-
mende nach seinen/ihren Möglichkeiten
Verpflichtungen eingehen wie z. B. Hans
Streicher, der 1567 sich und seine Tochter
einpfründen wollte, aber keinen Besitz und
kein Geld inne hatte. Daher sollte das Bett-
gewand, das er mitbrachte, nach seinem Tod
dem Spital verbleiben. Auch versprach er,
auf dem Feld nach seinem Vermögen mitzu-
helfen. Georg Strickenmacher wurde 1650
durch seinen Vormund eingepfründet. Auch
er musste sich zu manueller Arbeitsleistung
verpflichten, zu
„Handtarbeith, zu was er
tauglichen zu gebrauchen“.
Verwaltung und Personal
Der Personalaufwand in der Verwaltung
des Stadtspitals war gering: Der „Spitalmeis-
ter“ oder einfach
„Spittaller“
genannt, fun-
gierte als Hausvater. Ihm standen die
„Spit-
tallerin“
und die
„Warterinnen“,
also Pfle-
gerinnen, zur Seite. Der Spitalspropst,
„Zechmeister“, „Zech- oder Spitalkirch-
propst“
genannt, hatte zunächst den Betrieb
zu überwachen. Auf Anweisung der Stadt
musste er aber auch das Urbar betreuen
sowie sämtliche Abrechnungen mit Einnah-
men und Ausgaben tätigen und zwar mit ent-
sprechenden Belegen. Bei außerordentlichen
Ausgaben musste der Stadtrichter als zustän-
dige Obrigkeit um Genehmigung gefragt
werden. Die Oberaufsicht über das Bürger-
spital stand dem Rat der Stadt Lienz zu.
Für seine Arbeit erhielt der Spitalpropst
eine jährliche Entschädigung von 30 Gul-
den. Wie in der
„Instruction“
von ca. 1700
angeführt ist, sollte er immer wieder gerade
die Verpflegung kontrollieren, wobei er sich
vor allem der
„Armen in der hinteren Stu-
ben“
annehmen sollte. Es bestand von Sei-
ten der Stadt der Auftrag, sich um diese be-
sonders zu kümmern; sie sollten ebenfalls
anständig betreut werden, auch wenn sie
nicht die selbe Kost bekamen wie die
Pfründner, die sich „eingekauft“ hatten. Im
Gegensatz zu den anderen Insassen erhiel-
ten die
„Armen in der hinteren Stuben“
nur
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Wein pro Woche, dieses aber gratis. Den
anderen war es zwar erlaubt, mehr zu trin-
ken, mussten den Wein aber auch separat
bezahlen! Der Rat der Stadt bewilligte den
Armen vierteljährliche „Quatembergelder“,
die als Taschengeld anzusehen waren.
Eine interessante Quelle zur Geschichte
des Lienzer Spitals und seiner Kirche sind
die Protokolle der Visitationen von Seiten
der Erzdiözese Salzburg, zu der Lienz kirch-
lich gehörte. Sie wurden seit dem Beginn
des 17. Jahrhunderts durchgeführt. Hervor-
zuheben ist die Visitation des Jahres 1671,
bei der nicht nur die Heilig-Geist-Kirche be-
sichtigt worden ist, sondern auch der Spi-
talsbetrieb selbst wurde visitiert. Zu diesem
Zeitpunkt waren hier 50 Pfründner und
Pfründnerinnen untergebracht; weitere 14
Personen standen zwar nicht in Verpflegung,
sondern schliefen hier bloß. Es befand sich
alles in bester Ordnung, nur das Essen mit
der Unterteilung in drei Klassen wurde be-
mängelt. Die Seelsorge des Spitalkaplans
scheint mustergültig gewesen zu sein.
Die religiöse Betreuung der
Spitalsinsassen
Die Betreuung der Pfründner und Pfründ-
nerinnen erstreckte sich nicht nur auf das
leibliche Wohl, sondern bezog auch das psy-
chische mit ein, was sich mehr oder weniger
im religiösen Bereich erschöpfte. In diesem
Sinn stiftete der görzische Pfleger auf Hein-
fels, Hans Lüenzer, zusammen mit seiner
Gemahlin Magdalena, am 14. September
1467 im Lienzer Spital eine sog. Kaplanei.
Dem Spitalkaplan war die Aufgabe übertra-
gen, wöchentlich vier heilige Messen am St.
Jahrtagsstiftung Kaiser
Maximilians I. für das
Lienzer Bürgerspital; Köln,
2. Oktober 1512. (Museum
der Stadt Lienz Schloss Bruck)
Foto: Foto Baptist, Lienz
Kelch als Stif-
tung des
Landes-
fürsten
Graf Leon-
hard von
Görz-Tirol
für das
Bürgerspital;
Lienzer Gold-
schmiedear-
beit vom Ende
des 15. Jahr-
hunderts.
(Museum der
Stadt Lienz
Schloss
Bruck)
Foto:
M. Pizzinini