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Mitte Juli 1484 z. B. waren täglich zwei,
drei oder fünf Maurer zu St. Johannes
tätig, denen kein, ein, zwei bis sieben Tag-
werker zur Hand gingen. In gleicher Weise
differierte die Beschäftigungsdauer. Wäh-
rend ein Maurer und ein Steinmetz im St.
Johanner Rechnungsbuch mit nur je drei
Tagen Arbeit aufscheinen, brachte es ein
anderer immerhin auf 28 Tage, der Polier
Hans von Dölsach lässt sich gar in fünf
Jahren nachweisen und ein Unikum war
der Steinmetz- und Maurermeister Hans
bei dem Tor (bei dem Kloster), der über
die ganze Bauzeit, wenn auch nicht in
jedem Jahr, zu verfolgen ist, kein Wunder,
war er doch ein Bürger zu Lienz.
Wenn sich 1472 eine ganze Maurer-
partie davon machte, dann war das schon
ungewöhnlich und hing nicht mit der üb-
lichen Fluktuation unter Bauarbeitern zu-
sammen, sondern war wohl auf Geld-
mangel des Bauherren zurückzuführen. In
der Tat ruhte das Mauern zweieinhalb
Jahre und wurde im Sommer 1475 nur für
kurze Zeit wieder aufgenommen, bis
schließlich so gut wie alle Arbeiten zu St.
Johannes auf neun Jahre eingestellt wur-
den. Es war offensichtlich kein Geld mehr
vorhanden, eine ganz normale Erschei-
nung im Bauwesen des Mittelalters. Viele
Bauten, nicht nur der zu St. Johannes, wur-
den auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte still
gelegt und erst fortgesetzt, wenn wieder
genügend Kapital zur Verfügung stand.
Das kam so häufig vor, dass Sebastian
Brant in seinem „Narrenschiff“ von 1494
allen jenen Bauherren, die ohne ausrei-
chende Ressourcen einen Bau beginnen,
eine Narrenkappe zuerkennt und ihnen rät:
„Wer bauen will, der schlag erst an,
Was ihn der Bau wohl kosten kann,
Sonst sieht er nicht das Ende an.“
Im Juli 1484 wurden die Arbeiten zu St.
Johannes erneut aufgenommen und konn-
ten im Frühjahr 1491 beendet werden. Der
Bau hat nach den Angaben im Rechnungs-
buch rund 380 Mark verschlungen. Unge-
fähr 80 % davon entfielen auf die Löhne
für Steinmetzen, Maurer, Zimmerleute,
Bauhilfsarbeiter, Holzknechte, Kalkmeis-
ter und -gesellen, Sägemüller, Schmiede
und Schlosser. Dieser Kostenanteil war
sehr hoch, bewegte sich aber im Rahmen
des Üblichen bei anderen in- und ausländi-
schen Bauten der Zeit. Maurer, Steinmet-
zen und Zimmerleute erhielten in Lienz
acht Groschen (Kreuzer) Lohn je Tag, der
Polier einen Groschen mehr. Das war ein
guter Tarif, sogar besser als der für Bau-
handwerker in Nürnberg und Regensburg.
Der Lohn eines Tagwerkers (Bauhilfs-
arbeiters) zu St. Johannes lag bei fünf und
OSTTIROLER
NUMMER 3-4/2007
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HEIMATBLÄTTER
Ausschnitt aus dem Rechnungsbuch von St. Johann mit Eintragung der Aus-
gabe für „maister Hansen Hueber / stainmecz und paumaister / der kirchen sand
Johans“.
Rechnungsbuch der St. Johannes-Kirche, 1467 bis 1491, im schmalen Quart-
format mit einer durchschnittlichen Blattgröße von 10,5 x 32,5 cm. (Lienz, Pfarr-
archiv St. Andrä, XXII.V.9)
Fotos: M. Pizzinini
Das bei den Arbeiten am Johannesplatz im April 2005 entdeckte ca. 80 cm starke Mau-
erwerk der SW-Ecke der ehemaligen St. Johannes-Kirche.
Foto: DI Walter Hauser, BDA, Landeskonservatorat für Tirol
Handwerker verlassen mit ihrem
Werkzeug die Baustelle, weil der Lohn
ausbleibt – der Bauverwalter rauft sich
die Haare; Abbildung in Sebastian
Brants „Narrenschiff“, Erstausgabe
Basel 1494. – Diese Abbildung und die
weiteren Darstellungen zur Abwicklung
des mittelalterlichen Bauwesens, die im
Prinzip auch auf den Bau von St. Johann
in Lienz übertragbar sind, wurden ver-
schiedenen einschlägigen Publikationen
entnommen.