Seite 5 - H_2008_04-05

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kirche zum hl. Geist in Lienz sehen. Das
wurde bald von anderen korrigiert, die dar-
auf hinwiesen, in der Urkunde werde aus-
drücklich von der Heiliggeistkirche auf der
Burg Bruck gesprochen, nicht von einer sol-
chen in der Stadt. Allerdings habe man ein
falsches Patrozinium gewählt, sei die Burg-
kapelle doch der Dreifaltigkeit geweiht
21
.
Zwar wählten erst im Spätmittelalter
manche Kirchen das bislang ungebräuch-
liche Dreifaltigkeitspatrozinium, doch da
ein auf 1452 datiertes Fresko in der Schloss-
kapelle den Gnadenstuhl, der am eindring-
lichsten das Trinitätsdogma darstellt, zeigt,
mag es sich in der Tat um ein Versehen des
Schreibers gehandelt haben, der sonst alle
Kirchenpatrone in der Urkunde korrekt wie-
dergegeben hat. Dann wäre die Burgkapelle,
im späten 13. Jahrhundert errichtet, eines
der ältesten, in Tirol das älteste Gotteshaus,
das der Dreifaltigkeit geweiht worden ist
22
.
Wer so argumentieren würde, hätte zwar
die Logik für sich, läge aber trotzdem völlig
daneben. Zunächst ein Blick auf die Zeu-
genreihen. Sie stimmen in beiden Urkunden
fast überein. Es fehlen nur der Handschuh-
macher Friedrich und der Kürschner
Heinrich in der zweiten Zeugenreihe, und es
werden der Kastner Alber sowie der Viztum
und Richter Konrad der ersten Urkunde in
der zweiten als Alber in Thurn bzw. als der
Schreiber Konrad bezeichnet. Da beide
Stücke von derselben Hand geschrieben und
mit dem Siegel des Richters beglaubigt
wurden – die erste noch zusätzlich vom
Vikar Berthold –, ist anzunehmen, dass der
Schreiber Konrad und der Richter und Viz-
tum Konrad ein und dieselbe Person sind.
Alles geschah am selben Tag und wohl um
dieselbe Zeit in Lienz. Dem Viztum Konrad
als Verwalter der gräflichen und städtischen
Kammer
23
muss man schon glauben, dass er
sich auf der Burg Bruck ausgekannt und das
richtige Patrozinium der Kapelle genannt
hat. Selbst wenn beide Konrade verschie-
dene Personen gewesen wären, müsste man
dem wohl gräflichen Schreiber
24
dieselbe
Kenntnis zusprechen.
Ein Hl. Geistpatrozinium wird durch
mehrere Zeugnisse abgesichert, zunächst
durch einen Eintrag im Urbar der St. Johan-
neskirche zu Lienz aus der Zeit von 1430
bis 1491. Danach musste seit 1452 Stefan
Harder je ein Trinken Öl „dem heiligen
gaist auf Pruckg“ und der St. Johanneskir-
che von einer Leite zinsen
25
. 36 Jahre spä-
ter kauften der Lienzer Scherer Christan
Weichsler und seine Frau Veronica ein Ge-
reut (Neubruch) jenseits der Drau, das ein
Burglehen war und der Hl. Geistkirche im
Schloss Bruck ein „Trinkchen“ Öl zinsen
musste
26
. Zu 1507, 1516 und 1523
27
existie-
ren drei weitere Urkunden Lienzer Bürger
über Grundstücksverkäufe, bei denen eben-
falls die Verpflichtung zu Zinsleistungen an
die Hl. Geistkapelle auf Schloss Bruck be-
stand, einmal (1523) gleich 3 Pfund Öl.
Es besteht demnach kein Zweifel, dass
diese Kapelle ursprünglich dem Hl. Geist ge-
weiht war. Offensichtlich ist später ein Patro-
zinienwechsel erfolgt, was nicht selten vor-
kam. Vermutlich geschah das erst in der Zeit
des Barock, als die Verehrung der Trinität
größere Bedeutung gewann und zahlreiche
Dreifaltigkeitspatrozinien errichtet wurden,
sowohl durch Umwandlung eines alten Patro-
ziniums wie durch Stiftung eines neuen
28
.
Wie die Kirchen- haben auch die Lokal-
historiker ihre Freude an beiden Schrift-
stücken, bieten sie doch willkommene
Einblicke in die Grundherrschafts- und
Zehntverhältnisse im Gebiet oberhalb der
Lienzer Klause, die ein eigenes kleines
Gericht gebildet hat. Für die Allgemeinheit
aber sind die Hinweise auf das Ewige
Licht wesentlich interessanter, das eine
längere Geschichte hat. Sie reicht bis in die
Antike zurück.
In griechisch-römischer Zeit brannten vor
den Kultbildern und Altären der Götter oder
während gottesdienstlicher Feiern Lampen.
Pausanias (2. Jh.) berichtet in seiner „Be-
schreibung Griechenlands“ (I, 26) von einer
goldenen Lampe, die Kallimachos (5. Jh. v.
Chr.) geschaffen hatte. Sie leuchtete ein
ganzes Jahr Tag und Nacht vor dem Bild
der Athene im Erechtheion auf der Akro-
polis, bevor man wieder Öl nachfüllen
musste. Eine immerwährend brennende
Lampe fand sich auch in einem Zeus-
Ammon-Tempel in Libyen. Es kam häufig
zu Lampen- oder Ölstiftungen für die Göt-
ter
29
. Ebenso bedeutend waren Lampen im
antiken Totenkult. Man brachte sie an den
Gräbern der Verstorbenen an, um sie an ge-
wissen Tagen, alle zwei Monate oder täg-
lich anzuzünden. Wollte man, dass das
Licht nicht zu schnell erlosch, wählte man
einen nicht zu dicken Docht. Es gab Testa-
mente, in denen der Erblasser für sein Grab
eine ständig brennende Lampe forderte.
Man hielt es überhaupt für ein gutes Werk,
wenn man ein Licht in oder auf ein Grab
setzte
30
. Die frühchristliche Kirche über-
nahm die Idee des ewig brennenden Lichtes
für den Kult der Märtyrer und Heiligen und
unterhielt Lampen an ihren Gräbern oder
Bildern, vor Reliquien, an Altären, vor Epi-
taphien, erst spät vor der Eucharistie
31
.
Ampeln, also Hängelampen mit einem
von Öl gespeisten Docht oder mehreren,
und Ampelkronen waren im Frühmittelalter
die Kirchenbeleuchtung schlechthin. Man
sprach in dieser Zeit von einer regelrechten
Lichterfülle in Basiliken. Doch im Hochmit-
telalter wurden die Ampeln in dieser Funk-
tion durch Kerzenständer und Kronleuchter
verdrängt, behielten aber ihre Bedeutung
für das Ewige Licht und als Votivgaben
vor Gnadenbildern
32
. Die Zahl der Ewigen
Lichter konnte beachtlich sein. Mitte des 12.
Jahrhunderts leuchteten nachts in der Peters-
kirche zu Rom mindestens 115 Lämpchen,
weitere 250 vor dem Kreuz, vor den Heili-
gen und den Altären
33
. Im Dom zu Speyer
brannten Ampeln nicht nur über den Kaiser-
gräbern, sondern auch Tag und Nacht in der
Vorhalle, die als Grabstätte gedient hatte,
über den Gräbern und vor den Epitaphien
34
.
Früheste Nachrichten, dass ein Ewiges
Licht auch vor der Eucharistie gebrannt
habe, stammen aus dem 11. Jahrhundert,
doch bis Mitte des 12. Jahrhunderts bleiben
sie unsicher. Erst dann, von Jerusalem aus-
gehend
35
, kam dieser Brauch, wenn auch
eher zögernd, in Schwung, zunächst in
französischen Krankenorden, seit der zwei-
ten Hälfte des 13. Jahrhunderts vor allem in
Stiften und Klöstern, auch einige Synoden
(z. B. Worcester 1240) äußerten den
Wunsch, dass wenigstens in vermögenden
Kirchen Tag und Nacht ein Licht vor dem
Sanktissimum brenne. Zu Beginn des 14.
Jahrhunderts war diese Sitte in Italien,
Deutschland und den umliegenden Ländern
bekannt, allerdings zumeist noch immer
nur in Dom-, Stifts- und Klosterkirchen,
während Pfarrkirchen bei dieser Verehrung
des Allerheiligsten deutlich zurücklagen
36
.
Es lag ja auch keine kirchliche Vorschrift
vor, wonach ein „ewich leycht“, ein „Im-
merlicht“, eine „ewige Lampe“ Tag und
Nacht vor demAllerheiligsten zu leuchten
habe. Deshalb gab es noch im 15. Jahrhun-
dert Bistümer, in denen das Ewige Licht
nicht eingeführt war. Als 1453 der Bischof
von Lausanne die Kantone Freiburg, Solo-
thurn und Neuenburg visitierte, stellte er
fest, dass dort das Ewige Licht in allen
Kirchen und Kapellen fehlte. Darauf
schrieb er vor, künftig habe ein solches vor
den Sakramentsnischen zu brennen. Es war
nicht böser Wille, weshalb dieser löbliche
OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2008
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HEIMATBLÄTTER
Schloss Bruck, dessen Kapelle 1308 auch
mit einer Ölstiftung bedacht worden ist;
Ausschnitt aus der Lienz-Ansicht von
1606/1608. (Wien, Haus-, Hof- und Staats-
archiv, Kartensammlung)
Foto: Claudia Sporer-Heis
„Leyssach“ im Landgericht Lienz mit der
Kirche St. Michael, bereits 1264 erstmals
erwähnt, Empfänger einer Ölstiftung des
Jahres 1308; Ausschnitt aus einer Ansicht
der Sonnseite des östlichen Pustertals,
kolorierte Federzeichnung, 1626.
(Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Karten
und Pläne 184)
Foto: Tiroler Landesarchiv