Seite 4 - H_2008_04-05

Basic HTML-Version

beim Feld, das man Grafenfeld nennt,
unter den gleichen Bedingungen, abge-
sehen vom Wortlaut, wie oben bei den
Zehnten angegeben wurde, übergeben und
vermacht. Diesen Acker soll ihre Tochter
Margarete innehaben und davon jährlich
an die erwähnte St. Andreaskirche ein
Trinkl Öl für das Licht reichen, ferner an
die Kirche der seligen Maria in Oberlienz
ein Trinkl Öl, an die Kirche des seligen
Michael am Rindermarkt ein Trinkl Öl.
Wenn aber einer der Erben nachlässig
wird, innerhalb der genannten Termine die
oben gemachten Anordnungen zu erfüllen,
sich darüber hinwegsetzt oder, was seinen
Teil betrifft, sich irgendwie widerspenstig
erzeigt, verliert er dadurch alle seine
Rechte. Im Falle des Erbverlusts soll dann
und jetzt der Pfarrer die erwähnten Zehn-
ten und den Acker an sich ziehen, mit dem
Rat von Mitgliedern seiner Gemeinde die
oft genannten Legate zu größerem Nutzen
einem geeigneten Mann oder mehreren
gegen eine bestimmte Summe verleihen
und sie auch wenn sie angewachsen sind,
unverzüglich an die weiter oben bestimm-
ten Orte aufteilen.
Zeugen dieser Abmachung sind die Her-
ren Priester Perchtold, Thomas und Martin,
Herr Hugo, Burggraf und derzeit Haupt-
mann zu Lienz, Burggraf Ulrich, Konrad,
gegenwärtig Viztum und Richter, Johannes
de Porta (bei dem Tor), die Brüder Johannes
und Ulrich, Söhne des Pertun und Symon,
der Kastner (Schaffer) Alber, Friedrich
Pentschauer, der Krämer Heinrich, der
Müller Perchtold, der Handschuhmacher
13
Friedrich, Lieb(h)ard und Jakob Muesler,
Albert Reuter, Ulrich Pachtzelt, der Kürsch-
ner Heinrich, Friedrich Emlacher, Fried-
rich von Patriasdorf, der Meier Reichmann.
Damit aber dies unverletzt gewahrt
werde, wurde die vorliegende Urkunde
erstellt und vorsorglich mit den Siegeln
der Herren Perchtold, derzeit Vikar, und
des Richters der Stadt Lienz bekräftigt.
Geschehen im Jahre des Herrn 1308, am
Sonntag nach Ostern, an dem man singt
„Misericordias domini“ und der unmittel-
bar dem Fest der seligen Apostel Philipp
und Jakob vorausgeht, in der vorgenann-
ten Stadt Lienz
(= 28. April 1308)
.
Elisabeth Riemstecher gab
für ihren Teil eine Gegenurkunde
14
mit folgendem Wortlaut:
Cunctis Christi fidelibus hanc paginam in-
specturis tam presentibus quam futuris …
15
,
quod ego Elizabeth, filia Mar[ie dicte
Riem]stecherinne, uxor Petri carnificis … ei-
usdem matre mea, cum consensu et voluntate
fratrum et s[oro]ris mee her[edum Ma]rie,
decimas in Doerflein et Cholbenhausen
si[tas], videlicet duas partes, que empte sunt
de domino Ulrico quondam de Rasen, et tres
partes, que empte sunt de Winthar Wuesten
ac Petro et Symone fratribus, que colligi di-
noscuntur de curia comitis ad clusam perti-
nente, item de mansis duobus in Doerflein
Chunradi de Traburch, item de manso carra-
rio comitis in Volplan colente Laurencio,
item de manso in Cholbenhausen, pertinens
ad clusam, colentibus Christiano et Perch-
toldo filiastro suo, sub hac condicione et
forma, quod singulis annis similiter et here-
des mei de decimis prefatis inter festum beati
Michaelis et Pasce debeo in perpetuum
ministrare pro lumine ad ecclesiam sancti
Andree in Patriarchsdorf olei potus iiij, item
ad ecclesiam sancti Michaelis in foro ar-
menti olei potum j, item ad ecclesiam sanc-
timonialium in Luencz olei potum j, item ad
ecclesiam sancti Johannis in foro olei potus
iij, item ad ecclesiam sancti Michaelis in
Leubsach olei potum j, ad castrum Pruc olei
potum j
16
. Et si, quod absit, hec non presume-
rem ministrare, extunc et modo omni iure
meo essem utique destituta.
Cuius rei testes sunt domini Perchtoldus,
Thomas et Martinus sacerdotes, dominus
Hugo purchgravius, Ulricus cognatus eius,
Chunradus scriba, Fridericus Emlacher,
Fridericus de Patriarchsdorf, Johannes de
Porta, Johannes et Ulricus fratres, filii
Pertu[ni et Symonis], Alberus in Turn, Fri-
dericus Pentschauer, Heinricus instit[or],
[Perchtoldus]
17
molendinator, Liebardus
[et] Jacobus Mueslarii, Albertus Reuter,
Ulricus Pachtzelt et Reichmannus villicus.
Actum anno domini m
o
ccc [
o
] viij [in]
ambone sancti Andree in Patriarchsdorf,
dominica prima octavam Pasce, qua can-
tatur „Misericordias domini“.
Siegel des Richters (wie zuvor) an
einem Pergamentstreifen
Vermerk auf der Rückseite:
ain prieff um
die zechent ab der klaußen
(16. Jh.)
Übersetzung
Allen Christgläubigen, die in diese Ur-
kunde Einsicht nehmen, sowohl den gegen-
wärtigen wie den künftigen …
18
[sinnge-
mäße Ergänzung:
sei bekannt gemacht
]
,
dass ich Elisabeth, Tochter der Maria ge-
nannt Riemstecher(in), Ehefrau des Metz-
gers Peter, …
[sinngemäße Ergänzung:
von
meiner Mutter empfangen habe
]
, mit Zu-
stimmung und Willen meiner Brüder und
Schwester, Erben Marias, die Zehnten in
Dörfl und Kolbenhaus, nämlich zwei Teile,
die von Herrn Ulrich von Rasen selig ge-
kauft worden sind, und drei Teile, die von
Winther von Wüsten sowie den Brüdern
Peter und Symon durch Kauf erworben
wurden und bekanntlich von einem Hof des
Grafen, der zur Klause gehört, eingehoben
werden, ferner von zwei Huben in Dörfl des
Konrad von (Ober-)Drauburg, von einer
fuhrdienstpflichtigen Hube des Grafen in
Volplan, die Laurenz bebaut, von einer
Hube in Kolbenhaus, die zur Klause gehört
und von Christian und seinem Stiefsohn
Perchtold bebaut wird. Die Übertragung er-
folgte unter dieser Bedingung und Gestalt,
dass ich und in gleicher Weise meine Erben
von den vorgenannten Zehnten alljährlich
zwischen dem Fest des seligen Michael und
Ostern auf ewig vier Trinkl Öl für das Licht
an die St. Andreaskirche in Patriasdorf rei-
che, weiters an die St. Michaelskirche am
Rindermarkt ein Trinkl Öl, an die Kirche
der Nonnen in Lienz ein Trinkl Öl, an die St.
Johanneskirche am Markt drei Trinkl Öl, an
die St. Michaelskirche in Leisach ein Trinkl
Öl, auf die Burg Bruck ein Trinkl Öl. Wenn
ich aber, was fern sei, mir anmaße, dies
nicht zu leisten, soll ich dann und jetzt
unnachsichtig all mein Recht verlieren.
Zeugen dieser Abmachung sind die
Herren Priester Perchtold, Thomas und
Martin, Herr Hugo, Burggraf, Ulrich, sein
Verwandter, Konrad, Schreiber, Friedrich
Emlacher, Friedrich von Patriasdorf,
Johannes de Porta (bei dem Tor), die
Brüder Johannes und Ulrich, Söhne des
Pertun (Peter) und Symon, Alber in Thurn,
Friedrich Pentschauer, der Krämer Hein-
rich, der Müller Perchtold, Lieb(h)ard und
Jacob Müsler
19
, Albert Reuter, Ulrich
Pachtzelt und der Meier Reichmann.
Geschehen im Jahre des Herrn 1308,
an der Kanzel der St. Andreaskirche in
Patriasdorf, am ersten Sonntag nach der
Osteroktav, an dem man singt „Misericor-
dias domini“
(= 28. April 1308)
.
Die Bedeutung beider Urkunden liegt ein-
deutig im Bereich der Kirchengeschichte,
weil in keinem anderen Dokument dieser
Zeit so viele Gotteshäuser in und um Lienz
genannt werden, St. Michael und St. Johan-
nes in Lienz oder St. Nikolaus in Thurn
usw. zum ersten Mal
20
. Die Erwähnung der
Heiliggeistkirche auf der Burg hat aller-
dings zu Irritationen geführt. Stadlhuber
(a.a.O.) wollte darin aufgrund eines Lese-
fehlers die früheste Nennung der Spitals-
OSTTIROLER
NUMMER 4-5/2008
4
HEIMATBLÄTTER
St. Michael am Lienzer Rindermarkt mit
der urkundlichen Erstnennung 1308; Aus-
schnitt aus der ältesten erhaltenen Ansicht
der Stadt Lienz, Aquarell mit Feder,
1606/1608. (Wien, Haus-, Hof- und Staats-
archiv, Kartensammlung)
Foto: Claudia Sporer-Heis
Die heute nicht mehr bestehende Kirche
zu St. Johannes dem Täufer am Lienzer
Johannesplatz, ebenfalls erstmals 1308
genannt; Detail aus der ältesten Lienz-
Ansicht, 1606/1608.
(Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Kar-
tensammlung) Foto: Claudia Sporer-Heis