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OSTTIROLER
NUMMER 10/2010
3
HEIMATBLÄTTER
die geradezu Epoche machende Biographie
über Meinhard II. von Tirol
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, immer wieder
als „Schöpfer des Landes Tirol“ apostro-
phiert. Bezeichnend für die Qualität dieser
Arbeit ist der Umstand, dass die Landesaus-
stellung über Meinhard II. unter dem Titel
„Eines Fürsten Traum. Meinhard II. – Das
Werden Tirols“ (1995) auf Schloss Tirol und
im Stift Stams im Grunde genommen auf
seinen Erkenntnissen aufbaute.
In diese Zeit fällt auch der noch nicht ver-
gessene wissenschaftliche Streit mit Univ.-
Prof. Dr. Franz Miltner, Grabungsleiter am
Lavanter Kirchbichl. Miltners These mit kel-
tischem Umgangstempel und spätantiker
Fliehburg wurde von H. Wiesflecker ad ab-
surdum geführt; mit Quellenmaterial belegt,
wurden die Bauten der Entstehung nach in
die ausgehende Görzer-Zeit verlegt. Wäh-
rend seine Aussagen damals eher belächelt
und bekämpft wurden, haben die klassischen
Archäologen der Universität Innsbruck in-
zwischen längst Wiesfleckers Ansichten be-
stätigt. – Gleichsam einen Schlussstrich
unter diesen wissenschaftlichen Streit hat
Prof. Wiesflecker nach rund einem Viertel-
jahrhundert mit demAufsatz „Aguntum – St.
Andrä – Luenzina – Patriarchesdorf. Be-
trachtungen zur Frage der Siedlungskonti-
nuität im Lienzer Talboden“
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gezogen.
Im wissenschaftlichen Leben Hermann
Wiesfleckers zeichnete sich eine Wende ab,
als er sich seit 1950 im Rahmen der Studien
zur österreichischen Geschichte speziell mit
dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit
zu befassen begann. Damit wurde der
Grundstock zur Sammlung der Regesten im
Umkreis von Kaiser Maximilian I. (1459 bis
1519) gelegt. Diese sich ständig ausweitende
Sammlung gab im Verlauf von vier Jahr-
zehnten rund hundert Studenten und Stu-
dentinnen Stoff für eine Dissertation zur ma-
ximilianischen Zeit. Professor Wiesflecker
wuchs in den Rang eines Fachmannes zu
Kaiser Maximilian I. und seines Umkreises
hinein, womit er sich internationale Aner-
kennung sicherte. Maximilian war nämlich
nicht „irgendein“ Kaiser, sondern ein
Reichsoberhaupt mit einem besonderen
Charisma und einer imponierenden Vielsei-
tigkeit. Maximilians Wirken an der Zeiten-
wende zwischen Mittelalter und Neuzeit ist
ein Faktum, das sich in vieler Hinsicht aus-
gewirkt hat, ausgehend von einem geistigen
Umbruch, der einen Wandel des Weltbildes
insgesamt eingeleitet hat.
Dem fünfbändigen Standardwerk
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über
den Habsburgerkaiser, das in den Jahren zwi-
schen 1971 und 1986 erschien, folgten – ab-
gesehen von einer Fülle an Einzelunter-
suchungen – zwei Bände (1991 und 1999)
gleichsam als Zusammenfassungen, für eine
breitere Leserschaft bestimmt.
18
Im zweiten
Band wird über die Vereinigung der habs-
burgischen Länder zum frühmodernen Staat
abgehandelt, weiters der Aufstieg Habsburgs
zur Weltmacht. Ausgegangen wird von einer
„historischen Bestandsaufnahme“ des habs-
burgischen Länderkomplexes in der Zeit um
1500, wobei die Entwicklung der einzelnen
Länder und ihr Hineinwachsen in den Ge-
samtstaat vorausgeschickt werden. Unser be-
sonderes Interesse gilt dabei neben der Schil-
derung der Verhältnisse in Tirol der Ent-
wicklung der Grafschaft Görz in einer
brillanten, leicht verständlichen Zusam-
Über-
reichung
des Tiroler
Adler-
Ordens an
Prof. Dr.
Wies-
fecker
durch
Landes-
haupt-
mann
Eduard
Wallnöfer,
20.
Februar
1985.
Foto:
F. Haber-
müller,
Innsbruck
menfassung. – Es ist überhaupt eine der Stär-
ken Professor Wiesfleckers – im Gegensatz
zu vielen Wissenschaftern – auch für breite-
res Publikum lesbar zu schreiben und da-
durch den historischen Stoff zu vermitteln.
Bezeichnend sind seine Aussagen in der Ein-
leitung zum Werk über Meinhard II.
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:
„Wenn ich die geschichtsfreundlichen Laien,
auf die ein landesgeschichtliches Werk nie-
mals ganz verzichten darf, nicht von vorn-
herein ausschließen wollte, dann hätte ich
einfach
zu erzählen. Nichts wäre leichter ge-
wesen als mich ‚schwieriger‘ auszudrücken.
Mit Absicht habe ich die kritischen Analysen
und Betrachtungen in den Apparat verwie-
sen, um eine Form der Geschichtserzählung
zu finden, die auch den Stimmungsgehalt der
Zeit, wenigstens dann und wann, mitzuteilen
vermöge.“
Nachdem Univ.-Prof. Dr. Hermann Wies-
flecker im Jahr 1961 zum Ordinarius aufge-
stiegen war, berief man ihn immer wieder in
hohe akademische Ämter, in denen er sich
genauso engagierte wie in Lehre und For-
schung. Diesbezüglicher Höhepunkt wurde
mit der Wahl zum Rektor Magnificus der
Karl-Franzens-Universität in Graz für das
Studienjahr 1964/65 erreicht. – In seiner oft
auch recht humorigen Art meinte er in sei-
nem Rückblick
20
zu dieser Position: „Aber
selbst ein Rektor ist in Österreich nicht viel
mehr als ein Briefträger zwischen seiner
Universität und dem Ministerium.“ Am 11.
November 1964 fand die feierliche Inaugu-
ration statt.
21
In der kurzen Rektoratszeit war
es ihm immerhin möglich, einige bemer-
kenswerte und zukunftsträchtige Initiativen
zu setzen. – Es ist erwähnenswert, dass einer
von Rektor Wiesfleckers Vorgängern, näm-
lich der angesehene Historiker Albert von
Muchar, ebenfalls aus Lienz stammte.
Wiesflecker verschanzte sich nicht im „el-
fenbeinernen Turm“ seines Instituts bzw. der
Universität. Mit seiner wissenschaftlichen
Kompetenz und Autorität wurde er bei ver-
schiedensten gewichtigen Anlässen ge-
braucht, und dies nicht nur in der Steiermark,
sondern z. B. auch in seinem alten Heimat-
land Tirol. Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Grass
vermerkt:
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„Wiesflecker ist … ein glänzen-
der Redner, ein gesuchter Vortragender bei
Kongressen und Jubiläumsveranstaltungen.“
Er selbst empfand es als ehrenvoll, wenn
er im Sommer 1984, im 175. Gedenkjahr
1809–1984, gebeten wurde, vor den ge-
meinsamen Landtagen von Tirol und Süd-
tirol im Rittersaal von Schloss Tirol einen
Vortrag mit dem Titel „Föderalismus in der
Geschichte Tirols“ zu halten.
23
– Vor dem
Steiermärkischen Landtag hielt er im Jahr
1988, 50 Jahre nach dem „Anschluss“
Österreichs an Hitler-Deutschland, die
„Bedenkrede“.
Bei der Gründungsversammlung des Tiro-
ler Geschichtsvereins im November 1982, zu
dessen Gründungsmitgliedern sich der Autor
zählen darf, stand Univ.-Prof. Dr. Hermann
Wiesflecker als Festredner außer Frage. Die
Versammlung fand im maximilianischen
Zeughaus in Innsbruck statt. Welch anderes
Vortragsthema hätte da besser gepasst als
„Die Bedeutung des Landes Tirol unter der
Regierung Kaiser Maximilians I.“, vorgetra-
gen von einem aus Tirol stammenden Wis-
senschafter und bestem Maximilian-Kenner?
Als prominenter Redner hielt Hermann
Wiesflecker bei der 750-Jahr-Feier der Stadt
Lienz im Feber 1992 im Lienzer Stadtsaal die
Festansprache. Bedingt durch die vermeintli-
che Erstnennung von Lienz als „civitas“ –
„Stadt“, hatte man im Jahr 1952 die 700-Jahr-
Feier abgehalten. Inzwischen war aber als
erste Nennung die Eintragung des Bozner
Notars Jakob Haas vom 25. Februar 1242 in
einem Imbreviaturbuch bekannt geworden.
Folgerichtig kam es 1992 zur 750-Jahr-Feier.
Die Stadt Lienz ist also innerhalb von 40 Jah-
ren sozusagen um 50 Jahre gealtert.
Bei den ungezählten Verdiensten Hermann
Wiesfleckers konnten offizielle Ehrungen
nicht ausbleiben. Er erhielt Festschriften,
wovon „DOMUS AUSTRIAE“
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mit einer
glänzend geschriebenen „Laudatio“ von
Univ.-Prof. Dr. Eugen Thurnherr zum Sieb-
ziger besonders hervorzuheben ist, weiters
Würdigungen zu den „runden“ bzw. „halb-
runden“ Geburtstagen.
25
– Äußerst auf-
schlussreich ist das in der Tiroler Kultur-
zeitschrift „das Fenster“ veröffentlichte,
von Univ.-Prof. Dr. Josef Riedmann mit
Hermann Wiesflecker im Jahr 2000 geführte
Interview.
26
Abgesehen von internationalen und bun-
desstaatlichen Auszeichnungen war es das
Land Steiermark, in dem Hermann Wies-
flecker ein Arbeitsleben lang erfolgreich tätig
war, das ihm den Ehrenring verlieh. Er be-
merkte dazu, dass er sich glücklich gefühlt