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OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2011
2
HEIMATBLÄTTER
Vorstellungen aufgrund deren präzisen
zeichnerischen Ausformulierung erzeugen.
Trotzdem geht es hier nicht um den Ent-
wurf bewohnbarer oder benutzbarer Stadt-
anlagen, sondern um die Entwicklung
neuer Architekturideen, die von eingefah-
renen Vorstellungszwängen wegführen
wollen. Die Architekturzeichnung berei-
tete Raimund Abraham die Möglichkeit,
Architektur auf der Ebene einer reinen
Kunstdisziplin zu praktizieren, ohne Ge-
fahr zu laufen, dass ihr künstlerisches
Wesen den Usancen der Bautechnik und
Mechanisierung überantwortet und nach
und nach davon zersetzt wird.
„Ich vertei-
dige die Autonomität der Zeichnung als
Architektur nicht aus dem Grund, weil ich
nicht baue oder nicht bauen will. Aber
beim Bauen kann man sich nicht so mit
den idealen Beziehungen auseinanderset-
zen.“
4
„Die gezeichnete Utopie verwirk-
licht ihr Thema in der Zeichnung – sie ist
die vollgültige Erfüllung des Baugedan-
kens – sie ist nicht wie der detaillierte Ent-
wurf die Vorstufe, die Anweisung für das
zu realisierende Werk.“
5
In einer langen Phase der Bauabstinenz
befreite sich Abraham also von den prag-
matischen Umständen des Bauens und ver-
folgte die Suche nach den Ursprüngen des
Bauens und dem Urwesen der Architektur.
Wie Malewitsch in der modernen Malerei
seinen Nullpunkt im weißen Quadrat auf
weißem Grund gefunden hat und sich dem
Einfluss der kunsthistorischen Stile entzog,
strebte auch Abraham danach, architektoni-
sche Probleme von Grund auf neu zu lösen,
ungeachtet der vorgefertigten Lösungs-
wege:
„... dort zu beginnen, wo es noch
keine Geschichte gegeben hat, also vorzu-
dringen zum Moment des ersten Schreis, des
ersten Tons, des ersten rhythmischen Ver-
suchs, der ersten Vision eines Bildes, dem
ersten Versuch, Architektur zu machen.“
6
Abraham ging davon aus, dass
„die An-
fänge der Architektur nicht Gebäude, son-
dern Eingriffe in den Ort sind. Vor formalen
Überlegungen muss also im Idealfall ein Er-
eignis stattfinden, ein Willensakt. Man muss
im archaischen Sinn zuerst ein Loch graben
oder einen Hügel aufschütten. Erst dann
stellen sich Fragen nach der Form und nach
dem Programm.“
7
Sein erstes Hauptbau-
werk, die zwischen 1973 und 1977 errich-
tete
Rainbow Plaza
bei den Niagarafällen
(in Zusammenarbeit mit G. Fiorenzoli und
A. W. Geller), wird im Wesentlichen durch
die Wiederherstellung der natürlichen
Hügelbildung bestimmt:
„Der Platz war von völlig unwichtigen
Gebäuden umgeben. Im europäisch-histo-
rischen Prinzip wird der Platz ja von der
ihn umgebenden Architektur bestimmt.
Nachdem hier keine Architektur da war,
habe ich einfach den ganzen Platz einen
Imaginäre Architekturidee als Denkimpuls, Glacier City (Gletscherstadt), 1963/64.
Die Architekturzeichnung als reine Kunstdisziplin, House with Curtains, zweite Version, 1975.