„Scho Nååre na!“


„Scho Nååre na!“

Ein außergewöhnlicher Buchtitel. Und nur die Wenigsten außerhalb des Defereggentales werden ihn verstehen. Ursula Wurm ging dem Dialekt ihres Heimattales auf den Grund.

„Scho Nååre na!“ lässt sich nicht wörtlich übersetzen. Es heißt aber sinngemäß „Na so etwas Besonderes!“ Und das trifft auf dieses Buch tatsächlich zu. Die Entstehungsgeschichte reicht weit zurück: Die Autorin wuchs unter dem Mädchennamen Blasisker in Hopfgarten i. D. auf. Sie unterrichtete dann als Lehrerin in Kals a. G., Oberpeischlach, Lienz und Nußdorf-Debant. Seit 1978 ist ihr Wohnort Nußdorf-Debant. Die Bindung zur Heimat ging nie verloren. Wie schon in der Kindheit, verbringt sie viel Zeit auf der Alm im Zwenewald und genießt die Unterhaltung im heimatlichen Dialekt.

 

Wurm 20181113 164343 46 18Eine bunte Mischung von Wörtern, Bildern und Geschichten.

Und zwar so sehr, dass sie Wörter zu sammeln begann. Vor einigen Jahren schrieb Ursula Wurm die Mundart von Hopfgarten i. D. in zwei Bänden auf, außerdem verfasste sie zwei Bände mit „Hopfgårschta Gschichtlin“. 2016 gab sie in ihrem Buch „Volksschulzeit im Defereggental. Kriegs- und Nachkriegszeit“ Einblick in ihre Kindheitserlebnisse. Und jetzt stellt sie den Dialekt des Tales in den Mittelpunkt des neuen Buches. „Denn die Vorfahren haben uns mit unserer Deferegger Mundart einen ganz besonderen Schatz überliefert.“

Mehr Umgangssprache statt Dialekt

Ursula von RH1 0020Sie wusste zwar, dass es in den drei Dörfern des Tales sprachliche Abweichungen gibt, war dann aber doch überrascht: „Ich hätte nicht erwartet, dass es so große Unterschiede sind.“

Aus diesem Grund benötigte sie Hilfe aus den beiden anderen Gemeinden. Ein Glücksfall, dass Josefa Nöckler und Maria Egger in St. Veit sich bestens auskannten, und bezüglich St. Jakob waren es Erna Ladstätter, Barbara Gliber, Monika Simbeni, Traudl Troger und Franz Ladstätter. Es sind nur mehr wenige, meist ältere Leute, die noch alle Dialektworte kennen. Die jüngeren arbeiten vielfach in Lienz und reden in einer Umgangssprache ohne Lokalkolorit. Deshalb kommt das Buch um „fünf vor 12“, wie Wurm es ausdrückt, „damit das, was seit jeher im Tal gesprochen wurde, nicht verloren geht“.

Es werden wohl über 1.000 Begriffe sein, die sie niederschrieb, davon allein fast 800 Zeitwörter. Oft unterscheiden sie sich nur in einzelnen Buchstaben vom Nachbarort. Am Taleingang sagt man zum Montag „Maantick“ im hinteren Tal „Muuntick“. Und wenn jemand erzählt, dass er von der Sonne gebräunt ist, dann heißt das in Hopfgarten „vi da Sunn“, weiter taleinwärts dann „vi da Sunne“, und im Talschluss „ve da Sunn“.

Ein Wort mit drei Bedeutungen

Manchmal verwendet man in den drei Gemeinden zwar dasselbe Wort, aber es hat eine unterschiedliche Bedeutung. Wenn der St. Veiter dem St. Jakober vorwirft, „weilwarschtik“ zu sein, so heißt das, etwas einmal so und dann wieder anders zu sagen. Der Angesprochene glaubt jedoch, als langweilig und fad zu gelten. Hört ein Hopfgartner zu, dann meint er, dass von Unentschlossenheit oder leichter Beeinflussbarkeit die Rede war. Ein dreifaches Missverständnis – wenn da bloß kein größerer Streit entsteht!

Auffällig ist zudem, dass nur die Hopfgartner die Namen von Personen mit Artikel verwenden. Sie sagen beispielsweise: „Geschta isch da Lois kemm“. In den Nachbargemeinden heißt das nur: „Geschta isch Lois kemm.“

 

Schule P7300040Schüler in Moos Ende der 1950er-Jahre.

404 Seiten

Und so fällt dem Leser des Buches wohl sonst noch einiges an Unterschieden auf, die man im Alltag vielleicht gar nicht so wahrnimmt. Denn weit mehr als die Hälfte der Dialektbegriffe ist in den drei Gemeinden identisch. Ob man selbst noch sprachsicher ist, lässt sich bei kurzen Erzählungen im Dialekt feststellen: Die Autorin gibt Einblicke in traditionelle Arbeiten wie etwa den Waschtag, das Butterrühren oder die Graukäse-Produktion. Sie beleuchtet einzelnes Brauchtum, das Almleben und anderes Geschehen in den Dörfern. Zahlreiche Fotos veranschaulichen den Inhalt.

„Es war eine interessante, aber zeitaufwändige Arbeit auf 404 Seiten“, blickt Wurm zurück und bedauert zugleich: „Vollständig erfassen kann man die Mundart leider nie.“

Das Buch erschien im Verlag Osttiroler Bote und kostet 34,90 €. Man erhält es beim „OB“ (zum Beispiel hier im Online-Shop) und im gut sortierten Fachhandel.

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10.12.2018

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