Achse Nr. 267

Seite 26 05/2023 Sigrit Trost erinnert sich: Die Aufnahmeprüfung Im Mai 1945 war der 2. Weltkrieg beendet. Ich drückte die Schulbank in Thal, weil aus Sicherheitsgründen die Haupt- schule in Lienz nach Matrei verlegt worden war. Viele Tränen wurden von uns Schülerinnen vergossen, da wir zurück in die Volksschule mussten. Die vierte Klasse durfte ich wieder, bei normalen Verhältnissen, in Lienz besuchen. Eines Tages kam die Frau Direktor in die Klasse und fragte, ob jemand die Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck absolvieren wolle. Es meldeten sich zwei Mädchen: Frieda Senfter von Leisach und ich. Wir erhielten ein Anmeldeformular und damit war der Beginn des Studiums besiegelt. Von Thal besuchten auch Konrad Lukasser, vlg. Schneider und Martha Unterweger, die schon in der 3. Klasse der fünf- jährigen Ausbildung war, diese Schule. Ihr Vater, Herr Rein- hold Unterweger, Bürgermeister von Assling, hat uns Studenten mehrmals Bahnverbindungen nach Innsbruck mit- geteilt und uns auch sonst einige Ver- günstigungen zukommen lasse. Dafür gebührt ihm herzlicher Dank. Irgendwann im Juni 1946 war es so weit. Mein Vater machte sich mit mir nach Innsbruck zur Prüfung auf. Wir mussten über die Strecke Lienz – Spittal – Schwarzach St. Veit – Zell am See – Kitzbühel in die Landeshauptstadt rei- sen. Durch Südtirol, durfte man nicht fahren. In Kitzbühel unterbrachen wir die Fahrt, der Vater wollte unbedingt die Stadt ansehen. Er rannte vor mir her, ich pas- ste schrecklich auf, dass ich ihn nicht aus den Augen verliere. Nach der anstrengenden Besichtigung schliefen wir auf harten Holzbänken im Bahn- hofswartesaal, ein Zimmer war unmög- lich zu kriegen. Mitten in der Nacht fuhr ein sogenannter „Schnagglzug“ nach Innsbruck und wir erreichten unser Ziel im Morgengrauen, müde und hungrig. Einen ganzen Tag und fast eine Nacht waren wir schon unterwegs. Seinen Bruder Anton so früh zu wecken wagte mein Vater nicht. Frierend ver- harrten wir auf einer Bank vor dem Adolf Pichler – Denkmal. Endlich läutete der Vater bei der Woh- nungstür, wir wurden herzlich empfan- gen. Für mich war alles aufregend und neu. Besonders beeindruckte mich ein wunderschönes Klavier, die Spielsachen von der Kusine und die überaus liebe- volle Tante Berta. Mein Vater machte sich sehr bald aus dem Staub und verschwand mit einem Zug in Richtung Heimat, mich ließ er allein zurück. Onkel Anton erledigte mit mir am Vormittag die Anmeldung. Vor dem Tor des Schulgebäudes, ich weiß noch ganz genau wie es ausgesehen hat, überfiel mich eine entsetzliche Erschüt- terung. Schreckliche Gedanken rasten mir durch den Kopf. Da komme ich nie, nie mehr heraus. Fünf Jahre und so weit, so unendlich weit von daheim entfernt! Ich war nur mehr ein Häufchen Elend. Im Vorraum wimmelte es von Mädchen mit ihren Begleitungen, es waren wohl ungefähr 100. Knaben waren nicht anwesend, die hatten einen späteren Termin. Mäd- chen und Knaben waren damals streng getrennt, auch später in der Schule. Eines der Mädchen fiel mir sofort auf. Es hatte dicke schwarze Zöpfe, die bis zu den Knien reichten. Als es mich bemerkte,

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