Koflkurier Nr. 52

Dez. 2022 Die „Schußn-Mamme“ 17 S ie wurde 1904 im „Bacher-Hof“ in Assling-Schrottendorf geboren. 9 Geschwister zählte die Familie. Ob- wohl die materiellen Umstände auf dem Bergbauernhof nur ein bescheidenes Le- ben hergaben, konnte sie von ihrer Mut- ter den tiefen Glauben und „einen Ozean von Güte und Liebe mitnehmen“, wie sie selbst sagte. Sehr früh, schon mit 14 Jahren, musste sie von zu Hause weggehen, um bei einem Bauern als Magd ihren Lebensunterhalt zu sichern. Von die- ser Wanderschaft in der Rolle als Magd kam sie durch Zufall zum Brunner-Bau- ern (Familie Totschnig) nach Tristach. Thomas Wendlinger lernte sie durch den Umstand kennen, dass ihr Kar- ren mit frisch gemähtem Gras so schwer war, dass sie diesen nicht mehr aus dem regennassen Acker bekom- men konnte. Thomas half ihr dabei, das Gerät auf die Straße zu ziehen. Die Entscheidung, ihren Thomas 1939 zu heiraten, sollte sich für den „Schußn- Hof“ in Tristach als unbeschreiblicher Segen erweisen. Sie schaffte es mit ih- rer ureigenen Geduld, Planungsfähig- keit, dem Mut für Erneuerungen, sowie einem unbeschreiblichen Arbeitseinsatz von früh bis spät der Familie Halt und neue Perspektiven zu geben. So sag- te einmal der Nachbar „Taxer-Franz“ zu ihr: „Wenn ich eine Frau finden würde wie dich, die würde ich auch heiraten.“ Das 1. Kind Anna, geboren 1942, starb 2 Tage nach der Geburt, weil man sich we- der Arzt noch Hebamme leisten konnte. Ein (vermeidbares) Drama für jede Frau! Die Kriegsjahre waren ohnehin nicht ein- fach, und wenn hungrige Kosaken am Fenster um etwas Essen baten, wurde keiner abgewiesen. 1944 kam Sohn Friedrich zur Welt, Sohn Lorenz wurde 1948 geboren. Für ihn war sie die Brücke zum Vater, um ihm die Ausbildung zum Bildhauer zu ermög- lichen, auch aus demWissen, dass dieser Hof für die weitere Zukunft keine Perspek- tiven bot. Zwei Kinder wurden adoptiert: Anni Gaugeler und Erwin Gernassnig. 1960 hatte sie den Mut, das alte Wirt- schaftsgebäude abreißen zu lassen, um es von der Firma Stocker (Assling) vergrößert neu aufbauen zu lassen. Um zur Arbeit am Hof zusätzlich noch Geld zu verdienen, war sie sich nicht zu schade, im Winter bei extremen Mi- nusgraden für die Gemeinde Tristach Holz vom Berg herunter zu schleifen – im Grunde schwerste Männerarbeit. Auf ihre Art war sie in der Lage, all die widrigen Umstände hinter sich zu las- sen und nach vorne zu blicken. Dazu half ihr ein tiefer Glaube, Beständigkeit, Humor und Klugheit, sowie das Wissen, wie die Dinge anzupacken sind. Nicht nur durch ihre Kenntnisse über Kräu- ter, Ackerbau, Tierhaltung etc., sondern auch durch ihr gewinnendes Wesen wurde sie zum Lebenselixier der Familie und vielen Menschen darüber hinaus. So sagte Thomas einmal über sie: „Eine Magd habe ich geheiratet, als Fürstin hat sie sich entpuppt.“ Mit 81 Jahren schaffte sie es, ein letztes Mal zu Fuß über den Kofl nach Maria Luggau zu gehen, um für ihre An- liegen zu beten. Ihr war der Segen und Frieden im Haus das höchste Gut. Sie verstarb am 28. Dez. 1989 in tiefstem Frieden. Leonard Lorenz, 24.11.2022 Aus der „guten, alten Zeit“ Adelheid Wendlinger, die „Schußn-Mamme“ Kutsche und Pferd mit Sommergästen und ihrem Mann – Adelheid hat alles fertig gemacht zur Ausfahrt Adelheid (li.) beim Tengeln mit Nanne und Erwin „Portrait meiner Mutter“ v. Leonard Lorenz

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