Ein Blick Nr. 47

BLICK Ein 30 Chronik Schon immer bin ich gerne in den Osttiroler Bergen unterwegs gewesen, bis mich auch die höheren Berge in Italien, der Schweiz und in Frankreich interessiert haben. Einen Traum habe ich mir schon vor etwa vier Jahren bei der geführten Expedition in Bolivien auf einen 6000er erfüllt. Durch dieselbe Agentur wurde ich dann auf die Besteigung des Pik Lenin in Kirgistan (Zen- tralasien) aufmerksam gemacht. Von der Anmeldung bis zum Abflug blieben mir nur wenige Wochen und ich bereitete mich in kurzer Zeit auf diese anspruchsvolle Berg- tour vor. Am 9. Juli 2022 ging es los. Von München über Istanbul nach Bishkek, die Hauptstadt von Kirgistan. Von dort aus wurden wir mit einem kleinen Flugzeug nach Osh geflogen. Nach fünf Stunden Busfahrt quer durch das Hochland haben wir das erste Basislager Ashik Tash erreicht. Hier auf 3.600 m hatte ich Zeit, meine neuen Bergkollegen besser kennen zu lernen und alles Wichtige über die bevorstehenden Tage zu erfahren. Bald standen die ersten Akklimatisierungstouren mit ein paar hundert Höhenmetern an. Wir hatten Glück mit dem Wetter. Mit kirgisi- schen Pferdeführern wurde uns ein Teil der schweren Ausrüstung ins Lager 1 auf 4.400 m gebracht. Hier hatten wir ähnlichen Kom- fort wie im Basislager: Fixzelte, eine gute Küche und die letzte Möglichkeit, sich auf einfache Art zu waschen. Obwohl wir den Gipfel vom Basislager aus gut sehen konnten, stand uns ein weiter Weg bevor. Von nun an mussten wir unsere Zelte für die Hochlager selbst transportie- ren und aufbauen. Um uns langsam an die dünne Höhenluft zu gewöhnen, sind wir meistens am selben Tag wieder ins tiefergelegene Lager abge- stiegen. Jede Akklimatisierungstour haben wir dazu genutzt, um unser schweres Ge- päck (Zelte, Kocher, Gas) ins nächste Lager zu bringen. Jeder von uns hatte etwa 20 kg zu tragen. Langsam arbeiteten wir uns so von Lager 2 (5.300 m) zu Lager 3 (6.100m) vor. Mithilfe von Steigeisen, Eisgeräten und Fixseilen ging es immer wieder über steile Gletscherbrüche. Wir starteten immer sehr früh, weil uns tagsüber die starke Sonne und die hohen Temperaturen zu schaffen machten. Nach 12-tägiger Akklimatisierung stand der Gipfeltag an. Die Nacht war kurz und wir gingen im Schein der Stirnlampen los. Das Schauspiel des Sonnenaufgangs über dem unendlichen Gipfelmeer des hohen Pamir war wunderschön. Wir gingen über lan- ge, stellenweise ausgesetzte Flanken und Hochebenen. Mit viel Willenskraft erkämpf- ten wir die letzten Meter. Die gegenseitige Motivation der Gruppe war zu spüren. Die Luft wurde immer dünner und wir kamen nur noch langsam weiter. 1 Schritt - 1 Atemzug. Für die letzten Tausend Höhenmeter brauchten wir zirka 10 Stunden. Überglücklich und erschöpft standen wir nun am Pik Lenin. Der Moment, selbst auf über 7.000 m zu stehen war unbeschreib- lich! Wir haben die gewaltige Aussicht ge- nossen, Fotos gemacht und uns gegensei- tig gratuliert. Das Wetter hätte nicht besser sein können. Realisiert haben wir das Er- lebte erst nach und nach. Wir waren froh, nach insgesamt 16 Stunden auf den Bei- nen, wieder zurück im Zelt zu sein. Am nächsten Morgen wurden die Lager 3 und Lager 2 abgebaut und wir sind mit der gesamten Ausrüstung abgestiegen. Es wurde uns gesagt, dass nur knapp 15 % der Bergsteiger den Gipfel des Pik Le- nin erreichen. Umso stolzer waren wir, dass neun von unserer 11-köpfigen Gruppe das Ziel erreichten. Die letzten Tage bis zum Rückflug verbrach- ten wir in Osh, wo wir es uns so richtig gut gehen lassen konnten und den Gipfelsieg ausgiebig feierten. Ich bin sehr dankbar darüber, dass ich die Besteigung des Pik Lenin erleben durfte und nach drei Wochen wieder gesund nach Hause gekommen bin. Besonders schön war es zu sehen, wie wir als Gruppe mit demselben Ziel zusammengewachsen sind. Kirgistan - Expedition Pik Lenin (7.134 m) Hansjörg Ortner-Leiter

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